Kirch-Gruppe ist nun offiziell Sanierungsfall

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Brummer:

Kirch-Gruppe ist nun offiziell Sanierungsfall

 
26.02.02 07:18
Von unseren Korrespondenten

Die Kirch-Gruppe setzt zur Bewältigung ihrer Finanzkrise auf Hilfe von außen. Der Konzern gab am Montag bekannt, dass die Anwälte Klaus Hubert Görg und Wolfgang van Betteray sowie der Unternehmensberater Hans-Joachim Ziems bei der Restrukturierung mitarbeiten sollen.

Der Einsatz externer Krisenmanager soll nach Informationen der Financial Times Deutschland von Kirchs Gläubigerbanken vehement gefordert worden sein. Ein Kirch-Sprecher sagte, die Mandatserteilung werde "von den Banken begrüßt".

Zwang zur Passivität

Dies ist ein Indiz dafür, dass der 75-jährige Leo Kirch von seinen Gläubigern zunehmend in eine passive Rolle gedrängt wird. Statt weiter auf die Fähigkeit des hausinternen Spitzenmanagements zu vertrauen, um die Milliardenschulden in den Griff zu bekommen, bevorzugen die Banken die Expertise von Außenstehenden.

Die drei Berater verfügen über viel Erfahrung mit Unternehmen, die von der Insolvenz bedroht sind. So war der 61-jährige Görg bei der Sanierung des Baukonzerns Philipp Holzmann federführend und beriet auch die Bremer Vulkan-Werft. Der 54-jährige van Betteray half bei der Rettung der Fluglinie LTU.

Für Kirch dürfte die Hilfe von Außenstehenden bitter sein. Der Medienunternehmer, der unter anderem die Sender Pro Sieben und Sat 1, die Formel 1 sowie eine bedeutende Film- und Sportrechtebibliothek kontrolliert, war bislang immer dagegen, Fremden Einblick in seine Geschäftsbücher zu gewähren. Selbst Banken konnten die Schulden der Gruppe oft nur schätzen. Kirch räumte ihnen Sicherheiten für ihre Darlehen ein. Dadurch konnte er seine verwobenen Bilanzen verborgen halten.

Dresdner will Telecinco

Die Bestellung der Berater verdeutlicht auch, dass die Banken den Konkurs des Kirch-Konzerns vermeiden wollen. Die Dresdner Bank könnte sogar so weit gehen, bei dem zum Verkauf ausgeschriebenen Anteil der Kirch-Gruppe am spanischen Sender Telecinco selbst mitzubieten. Die 25 Prozent an dem Sender sind bereits an die Bank verpfändet, und zwar für einen Ende April fällig werdenden Kredit über 460 Mio. Euro. Dem Vernehmen nach steht Kirch kurz davor, 16 Prozent von Telecinco für etwa 330 Mio. Euro an die verbleibenden Gesellschafter zu verkaufen. Für die übrigen neun Prozent ist noch kein Käufer gefunden. Die Dresdner Bank prüft zurzeit, ob sie bei einem eigenen Angebot und einem späteren Weiterverkauf nicht besser fahren würde als bei einer Auslösung des Kredits. Der Telecinco-Anteil von Kirch wird auf etwa 500 Mio. Euro geschätzt.



© 2002 Financial Times Deutschland  
Brummer:

Wolfgang van Betteray: Sanierer für Kirch

 
26.02.02 07:20
Von Michael Gassmann, Düsseldorf

Wolfgang van Betteray soll es richten. Auf Wunsch der Banken hat Leo Kirch ihn zum "Moderator" bestellt. Der Düsseldorfer Wirtschaftsanwalt soll vermitteln, wo die Gespräche in die Sackgasse geführt haben. Als Spezialist für schwierige Fälle bringt er alle Voraussetzungen mit, eine vernünftige Lösung zu erreichen.

Er ist einer derjenigen, die gerufen werden, wenn es fast zu spät ist. Wolfgang van Betteray zählt zu der Hand voll Experten in Deutschland, deren Hauptberuf es ist, Firmen zu retten, die eigentlich nicht mehr zu retten sind; oder sie zumindest geordnet abzuwickeln, wenn die Fehler des Managements nicht mehr zu korrigierende sind. "Seine Stärke ist sein wirtschaftliches Verständnis, die Fähigkeit, sich in kürzester Zeit in ein Unternehmen einzuarbeiten und die entscheidenden Punkte zu analysieren", sagt Wolfgang Delhaes, einer der Partner der Kanzlei Metzeler-van Betteray.

Diese Fähigkeiten wird van Betteray bei Kirch gut gebrauchen können. In anderen spektakulären Fällen hat er sie bewiesen. Zuletzt sprang er bei der existenzbedrohten Düsseldorfer Fluglinie LTU ein. Dort nahm van Betteray der Stadtsparkasse Düsseldorf Ende Dezember in allerletzter Minute die Bürde ab, jenes 49-Prozent-Paket an LTU treuhänderisch zu verwalten, das die Swissair einst gekauft hatte. Der Stadtsparkasse Düsseldorf, von der Kommunal- und Landespolitik dazu gedrängt, war das Geschäft zu heiß geworden.

Ansehen bei Abwicklung von Insolvenzen erworben

Der Tipp, van Betteray einzuspannen, kam von Rewe, dem Eigner der anderen Hälfte von LTU. Rewe-Chef Hans Reischl kennt den Anwalt und studierten Betriebswirtschaftler und Finanzwissenschaftler von der Abwicklung der Firma Procedo. Die hatte vom westfälischen Sportboden-Hersteller Balsam eine Mrd. Euro Kundenforderungen gekauft, die sich aber als Luftnummern erwiesen. Reischl kaufte Procedo und nutzte die Verluste steuermindernd. Und Rewe-Chef Reischl dürfte van Betteray auch im Fall Kirch ins Gespräch gebracht haben. Reischl kennt und schätzt Leo Kirch seit seinem Einstieg bei dessen Sender Pro Sieben.

Nützlich dürfte van Betteray bei der Moderation zwischen Kirch und den Banken sein "hohes Ansehen in der Bankenwelt" sein, über das Geschäftspartner berichten. Er hat es sich bei der Abwicklung großer Insolvenzen erworben, von Möbel Franz bis zum Werftenverbund um den Bremer Vulkan. Persönliche Konflikte, wie sie mit dem versagenden Management von Pleitefirmen häufig sind, bereinigt van Betteray gekonnt. "Er hat das Management in kürzester Zeit im Griff", heißt es aus einer von ihm betreuten Firma. "Denn der redet wenn nötig auch mal Tacheles und wiegt niemanden in falscher Sicherheit." Das alles ruhig, kompetent und seriös, loben Beteiligte.

Diese Eigenschaften nutzt der leidenschaftliche Düsseldorfer, Jahrgang 47, geboren, aufgewachsen und ausgebildet in der Stadt am Rhein, auch nach Feierabend. Dann kümmert sich der Vater zweier Söhne als Vorsitzender des Fördervereins Düsseldorf-Hamm um die Geschicke des ländlichsten Stadtteils der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt.


© 2002 Financial Times Deutschland
Brummer:

Kommentar: Willkommen, Mr. Murdoch!

 
26.02.02 07:23
Von Wolfgang Münchau

Sollte sich der Medienunternehmer Rupert Murdoch hier zu Lande engagieren, wäre das für Deutschland eine Bereicherung.

In einem sind sich fast alle deutschen Politiker und Journalisten einig: Wir müssen Kirch retten, um zu verhindern, dass Rupert Murdoch nach Deutschland kommt. Die Politiker fürchten den aggressiven Journalismus von Murdochs Zeitungen. So wie die Journalisten: Fritz Pleitgen etwa, ARD-Chef und Inbegriff der deutschen Konsensgesellschaft, hat Murdoch "radikal-kommerzieller Vorstellungen" bezichtigt. So zeigt sich, dass das deutsche Establishment in Aufruhr ist.

Kirch selbst hat am Wochenende die Angst der Deutschen vor Murdoch noch weiter geschürt: In einem Interview hat er angedeutet, dass er bereit sei, sich Murdoch auszuliefern. Sollte Murdoch im Oktober seine Put-Option auf einen Anteil bei Premiere tatsächlich geltend machen, hätte er nicht nur die direkte Kontrolle über Kirch, sondern möglicherweise auch die indirekte Kontrolle über den Springer Verlag.

Kaum redaktionelle Einflussnahme

An dieser Stelle muss ich zwar keinen Interessenkonflikt deklarieren. Ich möchte aber klarstellen, dass ich von den späten 80er Jahren bis einschließlich der ersten Hälfte der 90er Jahre für Murdoch gearbeitet habe - als Korrespondent der Londoner "Times". Nun ist Murdoch sicher kein liberaler Medienunternehmer. Aber vieles, das in Deutschland über ihn kolportiert wird, ist einfach falsch.

Murdoch denkt nicht nur anders als deutsche Verleger, er operiert auch ganz anders als sie. So mischt sich der Medienunternehmer zum Beispiel überraschend wenig in redaktionelle Angelegenheiten ein. Sein Einfluss auf die Themenauswahl beschränkt sich fast ausschließlich auf die Wahl der Chefredakteure. Ganz anders geht es Journalisten, die für den Springer Verlag tätig sind: Mit ihrem Arbeitsvertrag unterschreiben sie auch das Versprechen, dass sie für die freiheitliche Grundordnung und für die deutsch-israelische Versöhnung eintreten. Murdoch würde es nicht wagen, seine Journalisten derart zu gängeln.

Zudem sind auch die politischen Interessen des Medienunternehmers extrem begrenzt. Murdoch ist kein Konservativer. Was ihn interessiert, sind allein seine "radikal-kommerziellen" Belange. Solange die Politik denen nicht im Wege steht, ist er für alle Parteien offen - und selbst wenn es die Linken sind.

Einer seiner engsten Mitarbeiter sagte einmal: "Murdoch investiert ungern in Länder, deren Sprache er nicht spricht und deren Kultur er nicht kennt. Deswegen hält er sich von Deutschland fern." Für Murdoch wäre ein großes Engagement in Deutschland aber mindestens ebenso schockierend wie er selbst für das deutsche Establishment ist. In dem Verbot vergleichender Werbung beispielsweise würde er eine Einschränkung der Meinungsfreiheit sehen, eines der fundamentalsten Menschenrechte überhaupt. Er würde auch laut protestieren, weil sich der öffentlich-rechtlich Rundfunk zum Teil aus Werbeeinnahmen finanziert. Murdoch würde nicht mit Gewerkschaften über Löhne verhandeln wollen - und es wohl auch als unappetitlich erachten, Gewerkschaftler in seinem Aufsichtsrat zu sehen oder Betriebsräte über irgendwelche Entscheidungen zu informieren. Was das angeht, ist Deutschland für Murdoch kein anderes Land, sondern ein anderer Planet - wie für viele andere Angelsachsen auch.

Erfolgreiche Digitalstrategie

Und doch ist Murdoch ein erfolgreicher Medienunternehmer. Und das vor allem, weil er seinen Markt ausgesprochen gut versteht, insbesondere den Fernsehmarkt. So hat er allen Unkenrufen zum Trotz in Großbritannien in den 80er Jahren ein beeindruckendes Satellitenfernsehen aufgebaut. Während Murdoch dort in den vergangenen Jahren auch mit seiner Digital-Strategie erfolgreich war, hat sich Kirch mit Premiere verrechnet. Sky Digital hat mittlerweile fast sechs Millionen Abonnenten, wobei das Premiere-Digitalfernsehen in 2001 nur auf 2,3 Millionen Abos kam - und das bei einem größeren Einzugsgebiet. Zudem ist das britische System technisch besser, einfacher zu bedienen und an Inhalten und Wahlmöglichkeiten kaum zu überbieten.

Wovor hat man in Deutschland nun Angst? Es mag sein, dass Murdoch das Oligopol aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk und den von Kirch und Bertelsmann kontrollierten Privatsendern ein wenig aufwühlen würde. Aber auch in dem Murdoch-infizierten Großbritannien gibt es noch ein starkes öffentlich-rechtliches Fernsehen - und eine starke private Konkurrenz, sodass Murdoch keineswegs Monopolist ist.

Das Gleiche gilt für den Zeitungsbereich. Will jemand ernsthaft behaupten, dass Murdochs "Sun" schlechter als die "Bild"-Zeitung des Springer Verlags ist? Oder das die "Welt" die "Times" an Qualität übertrifft? Im Gegensatz zur verlustträchtigen "Welt" ist die "Times" zumindest mittlerweile profitabel geworden - durch eine mutige Änderung der Preisstrategie. Zudem produzieren Murdochs Zeitungen nicht mehr Kampagnen-Journalismus als deutsche Zeitungen. Sie machen bloß andere Kampagnen. Davor aber fürchtet sich die deutsche Politik. Es ist die Angst vor Menschen, die den Konsens nicht teilen.

Eine Sache ist, Murdoch nicht besonders zu mögen. Ihn aus Furcht vor seinen Ansichten und Kampagnen zurückzuhalten aber ist ein Zeichen von Panik. Dabei ist ohnehin ungewiss, ob Murdoch nach Deutschland kommt. Ich glaube, er wird versuchen, ein stärkeres Engagement zu vermeiden. Das Land hätte aber Murdoch nötig.


© 2002 Financial Times Deutschland
hjw2:

Kritischer Journalismus..eine Bereicherung,,?

 
26.02.02 07:39
Wer fürchtet um seine Macht....doch nicht etwa unsere gleichgeschaltete
Parteien -und Medienwelt...??

Angst um die Leitkultur...??  *g*
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