Deutsche IT-Branche schrumpft zum ersten Mal
28.000 Jobs fallen weg.
Verband Bitkom erwartet Wende erst 2003. Umsatz noch 136 Milliarden Euro
München - Nach jahrelangem Boom ist die deutsche Informations- und Telekommunikationsbranche 2002 erstmals auf Schrumpfkurs. Bis Jahresende werde sich der Markt um 1,3 Prozent auf 136 Mrd. Euro verkleinern, sagte der Präsident des Branchenverbands Bitkom, Volker Jung, in München. Rund 28.000 Jobs werden voraussichtlich abgebaut. Für 2003 erwartet Jung ein allmähliches Ende der Talfahrt und stabile Nachfrage. "Ich glaube und hoffe, dass wir im kommenden Jahr nicht mehr den Rückgang haben werden wie in diesem", sagte Jung, im Hauptberuf Vorstandsmitglied bei Siemens. Der Verband geht für 2003 derzeit noch von einen Anstieg der Umsätze in Deutschland von 0,4 Prozent aus.
Für das laufende Jahr hatte Bitkom allerdings seine Prognose bereits mehrmals nach unten revidieren müssen. Kein anderer europäischer Markt sei momentan so nachfrageschwach wie der deutsche, erläuterte Jung. Die einzelnen Segmente der IT-Branche entwickelten sich sehr unterschiedlich: 2002 könnten voraussichtlich nur Telekommunikations- und Internet-Dienste ihre Umsätze ausweiten. TK-Dienste wüchsen derzeit um fünf Prozent. Die Internet-Dienste werden laut Jung vermutlich ein Plus von 20 Prozent erzielen. Die Zahl der deutschen Internet-Nutzer solle bis zum Jahresende von 34 auf 36 Millionen klettern, bis Ende 2003 auf 40 Millionen.
Jung sagte weiter, die Wachstumsträger des vergangenen Jahrzehnts, Software und IT-Service, hätten ihre Zugkraft verloren. Die Umsätze mit Software verringerten sich im laufenden Jahr voraussichtlich um ein Prozent auf 15 Mrd. Euro. Die Servicesparte stagniere bei 29 Mrd. Euro. Eine stärkere Nachfrage sei nicht in Sicht.
Wie Jung weiter sagte, fallen im Hardware-Sektor die Umsätze seit 2000 ständig. Bis 2003 werde das Geschäft mit Geräten insgesamt um gut zehn Mrd. Euro zurückgehen. Dagegen legten Telekommunikations-Dienste zwischen 2000 und 2003 knapp zehn Mrd. Euro zu. Als einen Grund für die Verschiebung von der Fertigungs- zur Dienstleistungsbranche nannte Jung die Flaute im Handy-Markt. Zudem käme der Aufbau der neuen Handy-Generation UMTS nicht voran. Die Netzbetreiber seien mit Schuldenabbau beschäftigt und stellten Investitionen zurück.
Positive Signale kommen laut Jung aus dem Mobilfunkmarkt. Dieser werde 2002 ein Volumen von fast 20 Mrd. Euro erreichen, fast so viel wie das Festnetzgeschäft. "Schon heute sind mehr mobile als Festnetzanschlüsse geschaltet." Bei der Festnetztelefonie ist die Bitkom auch für das kommende Jahr pessimistisch. Es werde wohl einen weiteren Rückgang geben, aber 2004 sei dann eine Steigerung denkbar, sagte Jung.
Zur Beschäftigungssituation in der Branche sagte der Verbandschef: "Die Zahl der Arbeitsplätze ist erstmals seit Anfang der neunziger Jahre rückläufig." Seinen Angaben zufolge wird die Zahl der Beschäftigten bis zum Jahresende vermutlich um drei Prozent oder 28.000 auf dann 791.000 sinken. Ein Ende des Stellenabbaus sei nicht abzusehen. Allerdings sollten 2003 weniger Arbeitsplätze verloren gehen als im laufenden Jahr.
Um die Branchenkrise zu überwinden, forderte Jung von der Politik ein flexibleres Arbeitsrecht und niedrigere Steuern. AP/rtr/hc