Kapitulation der Fondsmanager noch nicht in Sicht
Merrill Lynch: Zu wenig Cash, zu hohe Gewinnprognosen / Doch der Pessimismus nimmt zu
chs. LONDON, 13. August. Die internationalen Fondsmanager sind von einer klassischen Kapitulation, die den Beginn einer durchgreifenden Erholung an den Aktienmärkten markieren könnte, noch ein Stück weit entfernt. Diesen Schluß zieht der globale Chefstratege von Merrill Lynch, David Bowers, aus der in der ersten Augustwoche vorgenommenen Umfrage unter knapp 300 Fondsmanagern. Diese verwalten gut 700 Milliarden Dollar. Auf Basis einer Saldorechnung, die den Anteil der Pessimisten von den Optimisten abzieht, glauben 62 Prozent (Vormonat: 74 Prozent) der Befragten, daß die Aktienmärkte in den kommenden zwölf Monaten höher notieren werden als heute. Ein Drittel erwartet sogar zweistellige Steigerungsraten.
Gleichzeitig sind die Cash-Bestände, die eine Flucht aus den Aktien und das Warten auf bessere Zeiten signalisieren würden, noch vergleichsweise niedrig. Zwischen Juli und August haben sie weltweit von 4,8 auf 4,7 Prozent der durchschnittlichen Portfolios noch einmal abgenommen. "Wenn es sich um Kapitulation handelt, dann ist es keine der Art, wie wir sie kennen", sagte Bowers vor der Presse. Vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen müßten die Erwartungen auf Kurssteigerungen deutlich niedriger sein und die Cash-Bestände bei mindestens 6 bis 7 Prozent liegen. In Europa lagen sie im Oktober 2001 bei 7,8 Prozent und sind seither gefallen. Von Juli auf August 2002 gingen sie in Europa trotz der Kurseinbrüche weiter von 4,6 auf 4,4 Prozent zurück.
Dennoch zeigen verschiedene Indikatoren, daß die Fondsmanager im August deutlich pessimistischer geworden sind. Der Saldo aus Managern, die an eine globale Erholung der Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten glauben, ist seit Juli von 76 auf 43 Prozent scharf eingebrochen. Der Anstieg des durchschnittlichen Gewinns je Aktie wird jetzt bei 7, nicht mehr bei 10 Prozent gesehen. "Nun halten die Fondsmanager Kosteneinsparungen für die wichtigsten Gewinnbringer", sagte Bowers - nicht mehr die Zunahme der Nachfrage. Zudem wollten inzwischen 50 Prozent (Vormonat: 47 Prozent) der Fondsmanager, daß die Unternehmen Schulden zurückzahlen und damit weniger investieren. Diesen hohen Anteil bezeichnete Bowers für die Frage eines bevorstehenden "double dip", eines nochmaligen Abgleitens in die Rezession, als entscheidend. Wenn sich nämlich die Konsumenten weiter zurückzögen und die Unternehmen nicht gleichzeitig mit höheren Investitionen in die Bresche sprängen, dann könnte es beim kommenden Wachstum "düster" aussehen.
Diese Erwartungen nehmen die Fondsmanager zum Anlaß, ihre Anlagemittel auf konjunkturresistente Aktien umzuschichten. Der Anteil all jener Fondsmanager, die defensive gegenüber zyklischen Papieren bevorzugen, sprang zwischen Juli und August im Saldo von 16 auf 59 Prozent. Besonders gefragt seien Hersteller und Verkäufer von Grundnahrungsmitteln sowie Pharmatitel gewesen.
In der regionalen Betrachtung gibt es bei der negativen Einstellung gegenüber den Vereinigten Staaten indes Zeichen einer Stabilisierung. 31 Prozent der Befragten glauben, amerikanische Unternehmen hätten die schlechtesten Gewinnaussichten, gegenüber 34 Prozent im Vormonat. Unterdessen steige aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung die Skepsis gegenüber den Unternehmenserträgen im Euroraum, berichtete Europa-Analystin Sarah Franks. Im Saldo erwarten nur noch 39 Prozent in den nächsten zwölf Monaten ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes, nachdem es im Vormonat noch 86 Prozent waren. Gleichzeitig sehen die Fondsmanager auch Aktien aus Japan und aus Schwellenländern derzeit als weniger attraktiv an. In den kommenden Wochen werde sich zeigen, ob die Aktienmärkte in den Vereinigten Staaten so wie in der Vergangenheit ihre Qualitäten als defensiver Zufluchtsort der Anleger unter Beweis stellen, sagte Bowers.
Mit der Zinspolitik der großen Notenbanken sind die Fondsmanager weitgehend zufrieden. 76 Prozent (Vormonat: 82 Prozent) halten das globale Zinsniveau für "ungefähr richtig". 17 Prozent (Vormonat: 4 Prozent) bezeichneten es als "zu restriktiv". Laut der Europa-Umfrage stieg auch der Anteil der Fondsmanager, die das Niveau im Euroraum für zu hoch halten, von 20 auf 42 Prozent.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.08.2002, Nr. 187 / Seite 23
Merrill Lynch: Zu wenig Cash, zu hohe Gewinnprognosen / Doch der Pessimismus nimmt zu
chs. LONDON, 13. August. Die internationalen Fondsmanager sind von einer klassischen Kapitulation, die den Beginn einer durchgreifenden Erholung an den Aktienmärkten markieren könnte, noch ein Stück weit entfernt. Diesen Schluß zieht der globale Chefstratege von Merrill Lynch, David Bowers, aus der in der ersten Augustwoche vorgenommenen Umfrage unter knapp 300 Fondsmanagern. Diese verwalten gut 700 Milliarden Dollar. Auf Basis einer Saldorechnung, die den Anteil der Pessimisten von den Optimisten abzieht, glauben 62 Prozent (Vormonat: 74 Prozent) der Befragten, daß die Aktienmärkte in den kommenden zwölf Monaten höher notieren werden als heute. Ein Drittel erwartet sogar zweistellige Steigerungsraten.
Gleichzeitig sind die Cash-Bestände, die eine Flucht aus den Aktien und das Warten auf bessere Zeiten signalisieren würden, noch vergleichsweise niedrig. Zwischen Juli und August haben sie weltweit von 4,8 auf 4,7 Prozent der durchschnittlichen Portfolios noch einmal abgenommen. "Wenn es sich um Kapitulation handelt, dann ist es keine der Art, wie wir sie kennen", sagte Bowers vor der Presse. Vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen müßten die Erwartungen auf Kurssteigerungen deutlich niedriger sein und die Cash-Bestände bei mindestens 6 bis 7 Prozent liegen. In Europa lagen sie im Oktober 2001 bei 7,8 Prozent und sind seither gefallen. Von Juli auf August 2002 gingen sie in Europa trotz der Kurseinbrüche weiter von 4,6 auf 4,4 Prozent zurück.
Dennoch zeigen verschiedene Indikatoren, daß die Fondsmanager im August deutlich pessimistischer geworden sind. Der Saldo aus Managern, die an eine globale Erholung der Wirtschaft in den kommenden zwölf Monaten glauben, ist seit Juli von 76 auf 43 Prozent scharf eingebrochen. Der Anstieg des durchschnittlichen Gewinns je Aktie wird jetzt bei 7, nicht mehr bei 10 Prozent gesehen. "Nun halten die Fondsmanager Kosteneinsparungen für die wichtigsten Gewinnbringer", sagte Bowers - nicht mehr die Zunahme der Nachfrage. Zudem wollten inzwischen 50 Prozent (Vormonat: 47 Prozent) der Fondsmanager, daß die Unternehmen Schulden zurückzahlen und damit weniger investieren. Diesen hohen Anteil bezeichnete Bowers für die Frage eines bevorstehenden "double dip", eines nochmaligen Abgleitens in die Rezession, als entscheidend. Wenn sich nämlich die Konsumenten weiter zurückzögen und die Unternehmen nicht gleichzeitig mit höheren Investitionen in die Bresche sprängen, dann könnte es beim kommenden Wachstum "düster" aussehen.
Diese Erwartungen nehmen die Fondsmanager zum Anlaß, ihre Anlagemittel auf konjunkturresistente Aktien umzuschichten. Der Anteil all jener Fondsmanager, die defensive gegenüber zyklischen Papieren bevorzugen, sprang zwischen Juli und August im Saldo von 16 auf 59 Prozent. Besonders gefragt seien Hersteller und Verkäufer von Grundnahrungsmitteln sowie Pharmatitel gewesen.
In der regionalen Betrachtung gibt es bei der negativen Einstellung gegenüber den Vereinigten Staaten indes Zeichen einer Stabilisierung. 31 Prozent der Befragten glauben, amerikanische Unternehmen hätten die schlechtesten Gewinnaussichten, gegenüber 34 Prozent im Vormonat. Unterdessen steige aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung die Skepsis gegenüber den Unternehmenserträgen im Euroraum, berichtete Europa-Analystin Sarah Franks. Im Saldo erwarten nur noch 39 Prozent in den nächsten zwölf Monaten ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes, nachdem es im Vormonat noch 86 Prozent waren. Gleichzeitig sehen die Fondsmanager auch Aktien aus Japan und aus Schwellenländern derzeit als weniger attraktiv an. In den kommenden Wochen werde sich zeigen, ob die Aktienmärkte in den Vereinigten Staaten so wie in der Vergangenheit ihre Qualitäten als defensiver Zufluchtsort der Anleger unter Beweis stellen, sagte Bowers.
Mit der Zinspolitik der großen Notenbanken sind die Fondsmanager weitgehend zufrieden. 76 Prozent (Vormonat: 82 Prozent) halten das globale Zinsniveau für "ungefähr richtig". 17 Prozent (Vormonat: 4 Prozent) bezeichneten es als "zu restriktiv". Laut der Europa-Umfrage stieg auch der Anteil der Fondsmanager, die das Niveau im Euroraum für zu hoch halten, von 20 auf 42 Prozent.
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.08.2002, Nr. 187 / Seite 23