Kanada bricht Bayer-Patent
Die kanadische Regierung hat eine Million Anti-Milzbrand-Pillen bei einem Konkurrenten des Bayer-Konzerns bestellt und sich so über Bayers Patent für Ciprobay hinweggesetzt. Der Konzern schließt eine Klage nicht aus. Politiker in den USA verlangen immer lauter, es den Kanadiern gleichzutun.
Ottawa/Washington - Obwohl das Antibiotikum Ciprobay wie in den USA bis 2003 als einziges Medikament gegen Milzbrand zugelassen ist, hat das Gesundheitsministerium in Ottawa seine Großbestellung an einen kanadischen Hersteller gerichtet. Dieser produziert ein Medikament mit identischem Wirkstoff.
Grund für die Entscheidung sei eine nationale Notlage nach den Anthrax-Anschlägen in den USA. "Dies sind ungewöhnliche, gefährliche Zeiten", sagte eine kanadische Regierungssprecherin der "New York Times". "Die Kanadier erwarten, dass ihre Regierung alles Notwendige tut, um ihre Gesundheit und Sicherheit zu schützen."
Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE sagte Michael Diehl, Sprecher des Bayer-Konzerns in Leverkusen: "Wir haben ernste Zweifel daran, dass der Gesundheitsminister hier in Übereinstimmung mit dem kanadischen Recht gehandelt hat". Vertreter des Unternehmens würden nun versuchen, sich schnellstmöglich mit kanadischen Regierungsvertretern zusammenzusetzen, um die Lage zu diskutieren. Erst dann werde Bayer seine Gegenstrategie festlegen. Diehl schloss aber nicht aus, dass der Konzern juristisch gegen die Regierungsentscheidung vorgehen wird.
US-Regierung vertraut Bayer-Zusagen
Das Weiße Haus in Washington teilte unterdessen mit, in Amerika solle der Patentschutz für das Bayer-Medikament nicht gebrochen werden. "Wir glauben nicht, dass es derzeit nötig ist, das Patent aufzuheben", betonte Anthony T. Jewell, Sprecher des Gesundheitsministeriums. Die Regierung vertraue den Lieferzusagen des Bayer-Konzerns.
Voraussichtlich aber wird es Bayer nicht schaffen. Mit der angekündigten Verdreifachung der Produktionskapazität bringt der Konzern rund 200 Millionen Cipro-Pillen auf den Markt, genug für 1,7 Millionen mögliche Patienten. Nach Ansicht der US-Regierung muss aber für zwölf Millionen Patienten in den USA vorgesorgt werden.
Anruf beim Gesundheitsminister
Auch in den USA werden daher seit Tagen zwei Auswege aus der Lieferkrise diskutiert: Zum einen könnte auch hier der Patentschutz unterlaufen werden, den Bayer in den Vereinigten Staaten bis Ende 2003 genießt.
Dies hat der New Yorker Senator Charles Schumer erstmals Anfang der Woche verlangt. Nach der kanadischen Entscheidung rief Schumer den US-Gesundheitsminister Tommy Thompson an, um seiner Forderung neuen Nachdruck zu verleihen. "Ich weiß, dass die Pharmaindustrie besorgt über diese Forderung ist", sagte Schumer. "Aber wir befinden uns in einer Notlage und da muss jeder zurückstecken."
Billige Pillen aus Indien
Schumers Vorschlag würde das Problem ziemlich schnell lösen. Indische und amerikanische Konkurrenten von Bayer haben bereits große Mengen nachgemachter Cipro-Pillen, so genannte Generika, in Aussicht gestellt - und das zu weitaus niedrigeren Preisen. Allerdings wäre dies ein klarer Verstoß gegen internationales Patentrecht.
Zum anderen könnte die Wirksamkeit anderer Medikamente für die Anthrax-Behandlung überprüft werden. Zurzeit arbeitet die US-Regierung mit Hochdruck an dieser zweiten Alternative. In wenigen Tagen wird die Food and Drugs Administration (FDA) auch die Antibiotika Penicilin und Doxizyklin als Anthrax-Medikamente zulassen. Von diesen Wirkstoffen existierten bereits Generika auf dem US-Markt und eine Ausweitung der Produktion wäre relativ einfach.
"Es gibt keine Hinweise, dass die anderen Medikamente weniger wirksam sind", sagte die FDA-Medizinerin Sandra Kweder der "New York Times". Bereits in den fünfziger Jahren wurden Penicillin und Doxizyklin auch für die Milzbrand-Behandlung zugelassen. Es gibt allerdings Anthrax-Sporen, gegen die nur Cipro etwas ausrichten kann, deshalb wurde die Zulassung für andere Mittel nicht mehr erneuert. Nach Angaben von Kweder töten Penicillin und Doxizyklin aber zuverlässig die Anthrax-Bakterien ab, die in Washington gefunden wurden.
URL: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,163211,00.html
Die kanadische Regierung hat eine Million Anti-Milzbrand-Pillen bei einem Konkurrenten des Bayer-Konzerns bestellt und sich so über Bayers Patent für Ciprobay hinweggesetzt. Der Konzern schließt eine Klage nicht aus. Politiker in den USA verlangen immer lauter, es den Kanadiern gleichzutun.
Ottawa/Washington - Obwohl das Antibiotikum Ciprobay wie in den USA bis 2003 als einziges Medikament gegen Milzbrand zugelassen ist, hat das Gesundheitsministerium in Ottawa seine Großbestellung an einen kanadischen Hersteller gerichtet. Dieser produziert ein Medikament mit identischem Wirkstoff.
Grund für die Entscheidung sei eine nationale Notlage nach den Anthrax-Anschlägen in den USA. "Dies sind ungewöhnliche, gefährliche Zeiten", sagte eine kanadische Regierungssprecherin der "New York Times". "Die Kanadier erwarten, dass ihre Regierung alles Notwendige tut, um ihre Gesundheit und Sicherheit zu schützen."
Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE sagte Michael Diehl, Sprecher des Bayer-Konzerns in Leverkusen: "Wir haben ernste Zweifel daran, dass der Gesundheitsminister hier in Übereinstimmung mit dem kanadischen Recht gehandelt hat". Vertreter des Unternehmens würden nun versuchen, sich schnellstmöglich mit kanadischen Regierungsvertretern zusammenzusetzen, um die Lage zu diskutieren. Erst dann werde Bayer seine Gegenstrategie festlegen. Diehl schloss aber nicht aus, dass der Konzern juristisch gegen die Regierungsentscheidung vorgehen wird.
US-Regierung vertraut Bayer-Zusagen
Das Weiße Haus in Washington teilte unterdessen mit, in Amerika solle der Patentschutz für das Bayer-Medikament nicht gebrochen werden. "Wir glauben nicht, dass es derzeit nötig ist, das Patent aufzuheben", betonte Anthony T. Jewell, Sprecher des Gesundheitsministeriums. Die Regierung vertraue den Lieferzusagen des Bayer-Konzerns.
Voraussichtlich aber wird es Bayer nicht schaffen. Mit der angekündigten Verdreifachung der Produktionskapazität bringt der Konzern rund 200 Millionen Cipro-Pillen auf den Markt, genug für 1,7 Millionen mögliche Patienten. Nach Ansicht der US-Regierung muss aber für zwölf Millionen Patienten in den USA vorgesorgt werden.
Anruf beim Gesundheitsminister
Auch in den USA werden daher seit Tagen zwei Auswege aus der Lieferkrise diskutiert: Zum einen könnte auch hier der Patentschutz unterlaufen werden, den Bayer in den Vereinigten Staaten bis Ende 2003 genießt.
Dies hat der New Yorker Senator Charles Schumer erstmals Anfang der Woche verlangt. Nach der kanadischen Entscheidung rief Schumer den US-Gesundheitsminister Tommy Thompson an, um seiner Forderung neuen Nachdruck zu verleihen. "Ich weiß, dass die Pharmaindustrie besorgt über diese Forderung ist", sagte Schumer. "Aber wir befinden uns in einer Notlage und da muss jeder zurückstecken."
Billige Pillen aus Indien
Schumers Vorschlag würde das Problem ziemlich schnell lösen. Indische und amerikanische Konkurrenten von Bayer haben bereits große Mengen nachgemachter Cipro-Pillen, so genannte Generika, in Aussicht gestellt - und das zu weitaus niedrigeren Preisen. Allerdings wäre dies ein klarer Verstoß gegen internationales Patentrecht.
Zum anderen könnte die Wirksamkeit anderer Medikamente für die Anthrax-Behandlung überprüft werden. Zurzeit arbeitet die US-Regierung mit Hochdruck an dieser zweiten Alternative. In wenigen Tagen wird die Food and Drugs Administration (FDA) auch die Antibiotika Penicilin und Doxizyklin als Anthrax-Medikamente zulassen. Von diesen Wirkstoffen existierten bereits Generika auf dem US-Markt und eine Ausweitung der Produktion wäre relativ einfach.
"Es gibt keine Hinweise, dass die anderen Medikamente weniger wirksam sind", sagte die FDA-Medizinerin Sandra Kweder der "New York Times". Bereits in den fünfziger Jahren wurden Penicillin und Doxizyklin auch für die Milzbrand-Behandlung zugelassen. Es gibt allerdings Anthrax-Sporen, gegen die nur Cipro etwas ausrichten kann, deshalb wurde die Zulassung für andere Mittel nicht mehr erneuert. Nach Angaben von Kweder töten Penicillin und Doxizyklin aber zuverlässig die Anthrax-Bakterien ab, die in Washington gefunden wurden.
URL: www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,163211,00.html