Jörg Haiders Politspielchen: Rückzug vom Rückzug

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Brummer:

Jörg Haiders Politspielchen: Rückzug vom Rückzug

 
17.02.02 13:36
Erst ein Besuch bei dem irakischen Diktator Hussein, dann der spektakuläre Rückzug aus der Bundespolitik. Der österreichische FPÖ-Politiker Jörg Haider weiß, wie man Schlagzeilen macht. So recht glauben tut jedoch niemand an Haiders Rücktritt in die Provinz Kärnten und tatsächlich scheint Haider lediglich seine Macht ausbauen zu wollen.

Wien - Er konnte einem fast ein bisschen leid tun. Richtig angeschlagen und in Trachtenkleidung saß er da und machte ein trauriges Gesicht. Doch der FPÖ-Politiker und Kärntner Regierungschef Jörg Haider hatte am Freitag Wichtiges zu mitteilen: Wenige Tage nach seinem Besuch bei irakischen Saddam Hussein wolle er sich aus der Bundespolitik zurück ziehen, sagte er in den Hauptnachrichten. Und das sei endgültig, untermauerte er mit einem heimischen Sprichwort: "Was man wegwirft, hebt man nicht wieder auf."

Doch Jörg Haider wäre nicht Jörg Haider, wenn nicht auch bei diesem Manöver eher die Taktik und sein eigener Vorteil im Vordergrund gestanden hätten. Und so passierte dass, womit auch Haider rechnen konnte. In der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ist ein Kampf um die Zukunft des schneidigen Kärntners ausgebrochen und die Truppen sammeln sich. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die Haider endlich aus der Bundespolitik der FPÖ in der Regierungskoalition raus haben wollen, auf der anderen Seite Haiders Freunde und FPÖler, die ohne Haider nicht an gute Wahlergebnisse der Freiheitlichen glauben. Selbst die Parteichefin Susanne Riess-Passer, von Haider nach der Wahl installiert, kehrte von einer Dienstreise in den USA zurück, um die Causa Haider zu flicken.

Es geht nur um Haider selbst

Vor allem aber hat der Rechtspopulist mal wieder Eines erreicht: Er ist in aller Munde. Egal, wie der Streit ausgeht, hat Haider wieder einmal seine Qualitäten als einer bewahrt, der polarisieren kann und am Ende doch nur sein eigenes Schicksal im Auge hat. Und so glaubte schon am Freitag kaum jemand an einen wirklichen Rückzug des Politschauspielers Haider.

Hintergrund für die Streitigkeiten war der Alleingang Haiders in Sachen Irak-Besuch, wo er dem Diktator völlig überraschend die "Solidarität des österreichischen Volks" andiente. Nicht nur die USA-Regierung begriff die Geste als pure Provokation und schnaubte vor Wut. Auch in der FPÖ regte sich Kritik an Haider, von dem immer wieder vermutet wird, dass er von Kärnten aus die Geschicke der FPÖ-Minister in der Wiener Koalition fernsteuere. Besonders profilierte sich der FPÖ-Fraktionschef Peter Westenthaler in der Kritik, obwohl der bisher immer als politischer Ziehsohn von Jörg Haider galt. Westenthaler forderte jetzt offen ein Ende der Einmischung Haiders in die Bundesgeschicke der Partei, offenbar völlig frustriert von den Strategiespielchen des Kärntners Haider.

Am Sonntag nun sollen die Brüche gekittet werden. Die Parteispitze inklusive Haider trifft sich in Wien, um die Lage zu erörtern. In der österreichischen Presse hatten am Wochenende schon wilde Gerüchte Hochkonjunktur. So wolle Haider eine Kärnten-FPÖ nach CSU-Vorbild, die dann unabhängig von der Bundespartei Politik machen könne, im Wiener Parlament aber eine Koalition mit der Bundes-FPÖ eingehe. Haider würde diese Gruppe leiten und so wieder ganz formal in Wien mitregieren. Er selbst forderte am Samstagabend, es müsse "Schluss sein mit dem Kasperltheater" und kündigte an, an der sonntäglichen Krisensitzung in Wien teilzunehmen.

Zuvor hatte es einen harten Schlagabtausch zwischen der Parteichefin Riess-Passer und Fraktionschef Westenthaler gegeben. Riess-Passer warf dem Fraktionschef in mehreren Interviews vor, sich auf Kosten Haiders in den Medien profiliert zu haben. "Es ist zutiefst verachtenswert, wenn jemand Haider kritisiert in dem Wissen, dass er damit in die Medien kommt", sagte sie. Angesichts der scharfen Worte der Parteichefin sagte Westenthaler, er rechne damit, nach der Vorstandssitzung am Sonntag seinen Hut nehmen zu müssen. Parteichefin Riess-Passer kündigte an, auf der Sitzung "Ordnung in der Partei" schaffen zu wollen. Wo in dieser Ordnung letztlich Jörg Haider steht, bleibt spannend.

URL: www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,182866,00.html
ruhrpottzocker:

Man sagt: Qualität setzt sich durch.

 
17.02.02 13:58
Umgedreht:

Jede unseriöse Schaumschlägerei wird irgendwann als solche erkannt.

Jahrelang hat dieser Mensch die österreichische Politik in Atem gehalten. Es naht das Ende.

Hier zeigt sich: in der Verantwortung lassen sich nur schwer grandiose Wahlsiege erringen.
Brummer:

Jörg Haider: Der Regengott

 
18.02.02 13:12
Von Norbert Mappes-Niediek, Wien

Auch zwei Jahre nach seinem Rückzug von der Parteispitze ist Jörg Haider der starke Mann der Freiheitlichen Partei in Österreich. Noch klingt der Krach um seinen Besuch bei Iraks Machthaber Saddam Hussein nach, da wirbelt Haider die FPÖ schon wieder auf, verkündet seinen Abschied aus der Bundespolitik - und nimmt ihn gleich wieder zurück.

Seit er sich vor zwei Jahren von den Parteivorsitz zurückgezogen hat, spielt Jörg Haider für seine Freiheitliche Partei die Rolle eines Regengottes. Direktem Zugriff entrückt, sitzt er hinter den Bergen und spielt im Politalltag kaum eine Rolle. Trotzdem ist er die wichtigste Figur in der Partei, denn er allein hat es in der Hand, regelmäßig einen warmen Guss von Wählerstimmen über die "Blauen" niedergehen zu lassen. Damit er es wirklich regnen lässt, sollte man ihn nicht reizen. Wagt es doch einer, kann die Gottheit nur mit einem Menschenopfer wieder besänftigt werden.

Am Sonntag traf es Peter Westenthaler, den Fraktionschef der FPÖ. Die Stammesältesten, die alle ihre Dolche auf das Opfer niederfahren ließen, haben bei dem Ritual wieder Ehrfurcht gelernt - vor Jörg Haider.

Nur mit solchen Machtdemonstrationen kann sich der 51-Jährige immer wieder in Erinnerung rufen. Politisch hat der ewige Herausforderer der österreichischen Politik schon mit dem Eintritt seiner Partei in die Regierung vor zwei Jahren weitgehend ausgespielt. Haider hatte die FPÖ von einer Splitterpartei zur zweitstärksten Kraft des Landes gemacht. Dass er danach nicht in die Regierung eintrat, war kein Zurückweichen vor Sanktionen der EU-Partner, die Haiders rechtspopulistischen Ausfällen und NS-Anspielungen galten. Es gab für ihn einfach nichts mehr zu tun. Obwohl selbst promovierter Jurist, reines Parteigewächs und zudem Großgrundbesitzer in Kärnten, war Haider als Volkstribun in einer autoritätsgläubigen Gesellschaft groß geworden, die "denen da oben" alles Böse zutraut. Seit seine eigenen Leute oben sind, kann Haider diese Karte nicht mehr spielen.

Konzeptionell hat "der Jörg", wie er sich auf Plakaten gern nennt, stets wenig geboten. Schon in seiner Kampfzeit von der handstreichartigen Übernahme des FPÖ-Vorsitzes 1986 bis zum Regierungswechsel 2000 fiel der stets braun gebrannte Marathonläufer, Bungee-Springer und Bergsteiger mehr durch Sprüche und gezielte Beleidigungen auf. Er lobte die "Beschäftigungspolitik des Dritten Reiches", schmeichelte SS-Veteranen als "die Anständigen unter uns", schmähte den sozialdemokratischen Kanzler Franz Vranitzky als "armen Oberbankdirektor mit dem Bauchansatz" und den französischen Präsidenten Jacques Chirac als "Westentaschen-Napoleon".

Ein durchgehend rechtsextremes Weltbild aber ließ sich der Sohn aus braunem Hause nie nachweisen. Sein Programm einer Dritten Republik blieb vage. Seit er in Kärnten wieder regiert, ist er nur durch Machtspiele und ein exorbitant hohes Kindergeld aufgefallen.

"Ich helfe, wo ich kann", versicherte er seinen Parteifreunden in der Krise am Wochenende zu seinen Plänen für die politische Zukunft. Es muss nur jemand kommen und ihn um Regen bitten.

Quelle: FTD.de
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