Jede Blase muss mal platzen
Die Bullen treiben den Kurs der Internetaktie Google an – doch die Luft wird dünn.
Damit hätte im vergangenen August wohl kaum jemand gerechnet: Zum ersten Mal überstieg die Google-Aktie in dieser Woche die 300-Dollar-Marke. Seit dem Börsengang vor nicht einmal einem Jahr hat sich der Kurs damit mehr als verdreifacht. Und das, obwohl gerade institutionelle Investoren mit ihren Bedenken beim IPO den Preis sogar noch drückten.
Viele Anleger scheinen diese Einwände jedoch längst vergessen zu haben. Sie sollten jedoch auf der Hut sein: Denn je mehr Investoren und Analysten auf die Rally aufspringen, desto größer ist die Gefahr eines harten Crashs. Das haben die Zeiten der Internetblase gezeigt.
Und die Warnzeichen sind kaum mehr zu übersehen. So ist die Internet-Suchmaschine mit einer Marktkapitalisierung von deutlich über 80 Mrd. Dollar inzwischen der größte Medienkonzern der Welt. Sogar der Traditionskonzern Time Warner oder die Deutsche Telekom, immerhin der größte Telekommunikationskonzern in Europa, können da nicht mehr mithalten. Laut Berechnungen der Agentur Bloomberg sind ohnehin nur noch 39 Unternehmen weltweit an der Börse mehr wert als das erst 1998 gegründete Internetunternehmen.
Auf den ersten Blick scheint dies vielleicht noch gerechtfertigt. Immerhin machte Google zuletzt mit positiven Schlagzeilen auf sich aufmerksam: Ein Rekordgewinn jagt den nächsten, die Werbekunden waren kaum noch zu bremsen, und der Umsatz stieg stetig an.
Fundamental werden die Kursgewinne allerdings nicht getragen. Wenn es nach Gewinn oder Umsatz geht, findet sich Google laut Bloomberg weltweit nicht einmal unter den Top-500-Konzernen. Im Vergleich zur Marktkapitalisierung fällt auch der jüngste Quartalsgewinn von fast 370 Mill. Dollar gering aus. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist mit rund 70 alles andere als günstig.
Anleger sollten aller Phantasie zum Trotz eines daher nicht vergessen: Google verkauft bislang nur Online-Werbung. Und genau daran wäre schon der Börsengang fast gescheitert. Mangels Nachfrage musste Google im vergangenen August nicht nur den Ausgabepreis auf 85 Dollar je Anteilsschein senken, sondern auch die Zahl der angebotenen Aktien reduzieren. Schon damals verwiesen die Kritiker auf die äußerst spärlichen Informationen, die Google über seine Zukunftspläne veröffentlicht, und die Risiken des schwankungsanfälligen Werbegeschäfts. Und trotz zahlreicher Überlegungen über neue Geschäftsfelder hat sich daran bislang nichts Grundsätzliches geändert.
Viele Aktienstrategen scheinen dies jedoch zu ignorieren. Von 32 Analysten empfehlen trotz der bereits kräftigen Kursgewinne alleine 25 die Aktie immer noch zum Kauf. Kein einziger Experte rät gänzlich von dem Papier ab. Das höchste Kursziel liegt bei 360 Dollar. Sogar die 400-Dollar-Marke sei durchaus realistisch, heißt es bei vielen Strategen. Einige Investoren sprechen vom Google-Papier bereits als einer Aktie, die man sich ins Portfolio legen könne und nur noch abwarten müsse.
Soviel Euphorie ist zwar schön für die Aktienkultur, sollte Anleger aber nachdenklich stimmen. Natürlich stimmt es, dass die Investoren in den vergangenen Monaten mit der Google-Aktie ordentliche Gewinne einfuhren. Auf einem derart hohen Niveau braucht es jedoch nicht viel, damit der Kurs einbricht. Dies munkeln Skeptiker, die zahlenmäßig noch weit in der Minderheit sind. Gewinnmitnahmen sind daher durchaus eine Überlegung wert.
Quelle: HANDELSBLATT, Mittwoch, 29. Juni 2005, 07:00 Uhr
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Der Einsame Samariter