Rechthaber, der niemals auf Argumente hört"
Internationale Presse kommentiert Scharping-Entlassung
dpa HAMBURG. Die internationale Presse kommentiert die Entlassung von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping wie folgt:
"La Repubblica" (Rom): "Scharping ist der Typ, den man auf Deutsch einen Rechthaber nennt, einer, der niemals auf die Argumente der anderen hört. Die deutsche Literatur ist voll von solchen Charakteren, die nicht in der Lage sind, auch nur einen Millimeter von ihrer Positionen abzuweichen."
>"Corriere della Sera" (Mailand): "Es ist das Kalkül Schröders, dass der Rauswurf Scharpings (...) in der Öffentlichkeit positiv bewertet wird und sogar einen günstigen Effekt für die Regierung mit sich bringt. Aber das muss erst noch bewiesen werden."
"Le Soir" (Brüssel): "Zweieinhalb Monate vor den deutschen Wahlen ist sein (Scharpings) Abgang ein sehr harter Schlag für die Kampagne der SPD, die in den Umfragen bereits hinter der konservativen Opposition (CDU/CSU) zurückliegt."
"De Standaard" (Brüssel): "Letztes Jahr lag "Randy Rudy" - sagen wir mal "Rudy Rokkenjager" (Schürzenjäger) - schwer unter Beschuss, als ein Magazin Fotos von Scharping druckte, der mit seiner Freundin im Schwimmbad auf Mallorca schäkerte."
"Iswestija" (Moskau): "Zwei Monate vor den Wahlen wollte Schröder kein Risiko eingehen und ließ Scharping fallen."
"The Times" (London): "Sein (Schröders) unbeholfenes Agieren in der Krise um die Deutsche Telekom hat ihm sehr geschadet. (...) Und nun, 65 Tage vor der Wahl und in einem kritischen Stadium der politischen Planung für einen Krieg gegen den Irak, hat er seinen Verteidigungsminister verloren."
"The Guardian" (London): "Gerhard Schröders Chancen, Deutschlands Kanzler zu bleiben, haben einen schweren Rückschlag erlitten, als er gezwungen war, einen seiner wichtigsten Minister zehn Wochen vor dem Wahltag wegen einer anrüchigen Affäre zu entlassen."
"El País" (Madrid): "Der Kanzler hat schnell gehandelt in einer harten Woche, in der er sich für die Entlassung des Telekom-Chefs Ron Sommer zu verantworten hatte."
"Algemeen Dagblad" (Rotterdam): "Ein Tollpatsch stolpert über seine eigenen Memoiren. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in letzter Zeit zähneknirschend das Gestümper seines Parteigenossen und Verteidigungsministers verfolgt."
"Die Presse" (Wien): "Basis für die Entscheidung war wohl weniger die definitive Klärung der Frage, ob Rudolf Scharping sich mit Honorarannahmen (...) versündigt hat, sondern vielmehr das Wissen: Dieser Minister ist nicht mehr zu halten, wenn die SPD auch nur den Funken einer Chance bei den Wahlen im Herbst haben will."
"Berner Zeitung" (Bern): "Die Entlassung Scharpings kaum zwei Monate vor der Bundestagswahl ist für die SPD ein Desaster, aber das Verbleiben des Ministers im Amt wäre noch ein größeres gewesen."