Investieren in Biotech-Aktien:
von Michael Heimrich
Vor drei Jahren war die Euphorie groß. „Kaufen“, hieß an der Börse die Devise bei Biotechnologieaktien. Wer sich damals frühzeitig von der Welle mitreißen ließ und achtzehn Monate lang im Strom mitschwamm, konnte mit US-Biotech-Aktien im Schnitt Kursgewinne von 500 Prozent erzielen. Genau so viel legte in diesem Zeitraum der Nasdaq NMS Biotechnology Index zu. Anleger, die sich dagegen nicht rechtzeitig wieder von ihren Papieren verabschiedeten, standen vor einem Abstieg, der einer wilden Achterbahnfahrt glich. Inzwischen haben sich die Wogen wieder etwas geglättet.
Doch die Aktienanalysten sind sich einig: Die Erfolgsstory Biotechnologie ist noch längst nicht zu Ende. Allerdings ist der Weg, den Anleger gehen müssen, um attraktive Titel zu finden, steinig. Denn keine andere Branche ist so schwierig zu durchschauen. Investoren sollten deshalb genau wissen, welche Faktoren sie vor einem Investment in Biotech-Aktien berücksichtigen müssen.
Im Gegensatz zu Softwareaktien sind die Gründe für einen Kursrückgang bei Biotechnologiewerten häufig nicht auf Fehleinschätzungen der Unternehmen oder falsche Marktprognosen zurückzuführen. „Der Höhenflug basierte hauptsächlich auf Emotionen und weniger auf fundamentalen Daten“, sagt Erica Whittaker, Analystin bei Merrill Lynch. Bei moderat bewerteten Unternehmen, die mit wenigstens dreistelligen Millionenumsätzen schon eine kritische Masse erreicht haben und möglichst sogar profitabel sind, könnte sich ein Einstieg aber bald wieder lohnen. Doch Vorsicht: Biotech ist nicht gleich Biotech. Grundsätzlich können die zur Branche zählenden Unternehmen in drei Business-Modelle eingeordnet werden: In Produkt-, Technologie- und Informationsanbieter. Die einzelnen Gruppen weisen dabei unterschiedliche Risikoszenarien auf.
Medikamentenentwickler:
Von der Idee zum Produkt
Die Medikamentenentwickler zählen zu den Lieblingen der Analysten. Unter Chance-Risiko-Gesichtspunkten sind hier vor allem Unternehmen interessant, die bereits Präparate in die späten klinischen Prüfphasen gebracht haben. Peter Heinrich, Vorstand des am Neuen Markt gehandelten Unternehmens Medigene, warnt allerdings: „Viele Entwicklungen dauern länger als die meisten Unternehmer planen.“ Tatsächlich ist der Weg bis zur Produktreife beschwerlicher geworden. So dauert die Entwicklung neuer Medikamente heutzutage zwischen fünf und zehn Jahren. Da die Musik für alle Unternehmen auf dem US-Markt spielt, müssen Anleger ständig ein Auge auf die U.S. Food and Drug Administration (FDA) haben. Gibt die amtliche Zulassungsbehörde für ein neues Produkt grünes Licht, ist das Unternehmen an einem wichtigen Etappenziel angelangt und kann weiter mit Tempo an der Marktreife arbeiten. Ein Investor kann auf diese Weise über Jahre hinweg die Entwicklungschancen eines Produktes verfolgen.
Generell lässt sich sagen: Die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs steigt bei jedem Sprung über eine der klinischen Phasen. „Reifere Unternehmen, die ein oder zwei Präparate durch die Phase III gebracht haben, bieten eine gute Möglichkeit zum Einstieg“, meint denn auch Bruno Wagner, Autor und ehemaliger Berater bei Fidelity Investments. Auf der anderen Seite gilt: Je weiter neue Medikamente von der Markteinführung entfernt sind, desto größer ist das Risiko, dass die Entwicklungskosten abgeschrieben werden müssen. Derzeit befinden sich schätzungsweise 400 Wirkstoffe in der letzten Phase der klinischen Entwicklung. Dahinter befinden sich ein- bis zweitausend weitere Kandidaten in Wartestellung.
Lange Entwicklungszeiten berge zahlreiche Hindernisse
Selbst wenn ein Wirkstoff oder Medikament eine Hürde überwunden hat, drohen immer noch Änderungen rechtlicher Rahmenbedingungen. So entschied das Bundessozialgericht Kassel im Frühjahr vergangenen Jahres, dass sich Krebspatienten nicht auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung mit einer aktiv-spezifischen Immuntherapie behandeln lassen dürfen. Solche Entscheidungen haben fast immer einen negativen Einfluss auf die Umsatzentwicklung der Anbieter. Neben solchen staatlichen Einflüssen besteht obendrein permanent die Gefahr, dass die Konkurrenz schneller am Markt ist oder bessere Produkte anbietet.
Ein weiteres Risiko: Die finanziellen Aufwendungen für die Markteinführung der Präparate werden sich nach einer gemeinsamen Studie der Investmentbank Lehman Brothers und der Unternehmensberatung McKinsey von $ 800 Mio. im Jahr 2000 auf $ 1,6 Mrd. in 2005 verdoppeln. Wesentlicher Grund für die Kostenexplosion: Unternehmen müssen im Wettlauf um die besten Arzneimittel immer häufiger Neuland betreten und deshalb ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich erhöhen. Gleichzeitig wächst damit auch die Gefahr, Fehlschläge zu erleiden. So scheitern rund 90% der Medikamente bereits in der vorklinischen Phase. In der klinischen Phase I bleiben rund 80% und in den Phasen II und III zwischen 60% und 30% der Arzneimittelkandidaten hängen. „Selbst in der Phase der Registrierung besteht noch ein Risiko von rund 10%, dass das Produkt nicht am Markt zugelassen wird“, warnt Christian Garbe, Manager des „Biotech Stars“-Zertifikat der GZ-Bank. Dies erklärt auch, warum die FDA im Jahr 2000 nur für 21 biologische Wirkstoffe die Genehmigung erteilte. Unterm Strich kommen nur knapp sieben Prozent der Hoffnungsträger durch - eine bittere Erkenntnis nicht nur für Ärzte und Patienten, sondern auch für Anleger.
Dienstleister für die Biotech-Branche:
Alternative mit geringerem Risiko
Schaffen Arzneimittelkandidaten die klinischen Prüfungen nicht, sind herbe Kursverluste die Folge. Anleger, die dieses Risiko meiden wollen, sollten eher einen vorsichtigeren Kurs einschlagen und auf Forschungsdienstleister setzen, die den Medikamentenentwicklern ihre Technik verkaufen. Diese Firmen versetzen Biotech- und Pharmakonzerne in die Lage, die Forschung und Entwicklung von Medikamenten zu optimieren. Doch auch in dieser Sparte lauern Gefahren. So sind die Eintrittsbarrieren in dieses Marktsegment sehr niedrig, was zwangsläufig zu einem starken Konkurrenzkampf unter den Anbietern führt. Zum anderen gelten die Produkte als sehr kurzlebig. Kaum entwickelt, ist auch schon der bessere Nachfolger auf dem Markt. Denn bereits nach durchschnittlich drei Jahren ist eine Entwicklung überholt. Ein weiterer Nachteil: Technologieplattformen verdienen ihr Geld mit Lizenzgebühren. Und das ist nicht so profitabel wie der Verkauf von Medikamenten.
Eine dritte Gruppe der Biotech-Branche bilden die Informationsanbieter. Im Bereich der Genomforschung stellen sie anderen Unternehmen als so genannte Content Provider Informationen und Datenbanken zur Verfügung. Mit einem solchen Service tragen sie zu einer schnellen Identifizierung und Validierung von Genen und zur Beschleunigung der Medikamentenentwicklung bei. Das Risiko eines Investments besteht hier unter anderem in der Nutzungsdauer des Patents. Dennoch gilt: Die Dienstleister profitieren in jedem Fall vom Boom der Branche. Zu diesen Unternehmen zählt neben der deutsch-niederländischen Qiagen entrium.teledata.de/entrium/chart/...ym=QIA.ETR&hist=&bFunds=0 target="_new" rel="nofollow">QIA.ETR auch die Heidelberger Lion Bioscience entrium.teledata.de/entrium/chart/...ym=LIO.ETR&hist=&bFunds=0 target="_new" rel="nofollow">LIO.ETR, die Software zur Bewältigung der enormen Datenmengen programmiert. Vor allem Qiagen gilt als aussichtsreiche Investition, denn der Geschäftserfolg ist nicht von der Marktzulassung eines oder weniger Medikamente abhängig. Allerdings verfügt die Aktie damit nicht über das Kurspotential eines Wirkstoffentwicklers, der nach der Zulassung eines Präparates fette Geschäfte machen kann. Auch Hersteller von Biochips wie die Freiburger Genescan entrium.teledata.de/entrium/chart/...ym=GEP.ETR&hist=&bFunds=0 target="_new" rel="nofollow">GEP.ETR ziehen Nutzen aus den veröffentlichten Daten, denn schließlich können Analysechips nun viel gezielter entworfen werden.
Hohes Marktpotential – hoher „Return On Investment“
Für die einzelnen Biotech-Segmente gelten jedoch nicht nur unterschiedliche Risikofaktoren. Auch die Kurschancen der diesen Gruppen zuzuordnenden Aktien sind differenziert zu betrachten. So können Anleger bei den Medikamentenentwicklern angesichts des hohen Marktpotentials auch den höchsten „Return On Investment“ erwarten. Zwar verfügen auch die Produkte und Dienstleistungen der Technologieanbieter über ein hohes Marktpotential.
Allerdings sind hier eher schnelle - und nicht unbedingt langfristig anhaltende - Kursgewinne zu erwarten. Die Content Provider bieten Anlegern kurzfristig zwar hohe Renditen, können aber nur ein begrenztes Marktpotential ausschöpfen. Natürlich verfügt der Kurszettel auch über Unternehmen, die zwei Segmente bearbeiten oder sogar alle drei abdecken. Diese werden dann als voll integrierte Biotechnologieunternehmen bezeichnet. Ein Investment in solche Unternehmen ist weniger riskant.
Pharma und Biotech wachsen zusammen
Angesichts der Anlagerisiken in der Biotechnologiebranche muss der Investor dennoch nicht stillhalten und regungslos auf ein gutes Ende hoffen. Zahlreiche neuralgische Punkte geben Hinweise, ob sich ein Unternehmen vom Hoffnungsträger zum profitablen Spieler entwickeln kann oder ob es wieder in der Versenkung verschwinden wird. Erster Punkt auf einer Liste der Gewinnerfaktoren ist die Qualität des Managements. „Diese kann zwar nicht direkt beurteilt werden, aber die Dauer der Berufserfahrung im Fachgebiet oder nachweisbare Erfolge geben Aufschluss“, sagt der Biotech-Analyst Alexander Burger von der Landesbank Baden-Württemberg.
Angesichts hoher Ausgaben für die Entwicklung neuer Medikamente und häufig fehlender Vertriebskenntnisse wird allerdings kaum ein Unternehmen allein in der Lage sein, die Markteinführung zu stemmen. Deshalb sind die zumeist kleineren Firmen auf die Zusammenarbeit mit finanzstarken Pharmafirmen angewiesen. Die Zahl der Kooperationen eines Biotechnikunternehmens und die Höhe der vereinbarten Lizenzzahlungen sind ein Indiz dafür, wie erfolgreich es ist. Auf der anderen Seite kann auch nur ein Pharmakonzern überleben, wenn er über ein Netz von Verträgen mit kleinen und wendigen Newcomern verfügt. „Die Biotechs sind einfach innovativer als die großen Konzerne, weil sie dichter an den Hochschulen und Forschungsinstituten dran sind“, erläutert Katharina Uhlenbrock, Biotechnologieanalystin bei der Deutschen Bank.
Das Zusammenwachsen beider Branchen macht die Trennung zwischen Pharma und Biotech ohnehin zunehmend schwieriger: So mutieren die Biotechnikunternehmen immer mehr zu Pharmafirmen mit biotechnologischen Produkten. Dritter Punkt: Hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Erich Staudt, Professor am Institut für angewandte Innovationsforschung an der Ruhr-Universität Bochum, räumt hier generell den etablierten und großen Unternehmen bessere Chancen ein, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Ein Anleger sollte bei der Beurteilung von Biotechs zudem ein Auge auf die Restlaufzeiten der Patente werfen. Sind diese nicht im Geschäftsbericht zu finden, sollte er sich nicht scheuen, beim Investor-Relation-Manager nachzufragen.