Internetagenturen (aus dem Spiegel)

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Internetagenturen (aus dem Spiegel)

 
19.04.01 17:17
Die ehemals strahlenden Chefs der Multimedia-Agenturen haben ihre hochtrabenden Visionen in die Schublade gepackt. Die Börsenkurse sind
im Keller, die Geschäfte laufen schlecht. Nur wenige werden die Durststrecke überstehen.

Berlin - Ein "Tal der Tränen" durchschreite die Branche derzeit, sagt Pixelpark-Manager Thomas Mörsdorf. Vor einem Jahr hatte sein Chef Paulus Neef noch ganz anders geklungen: "Wir werden zum Marktführer der europäischen Internet-Industrie", tönte der deutsche Internet-König. Nach Europa sollte der amerikanische Markt dran sein. Heute ist klar: Die Pixels haben sich verhoben.

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr musste Neef die Planzahlen nach unten korrigieren, Mehrheitsaktionär Bertelsmann drohte mit dem Ausstieg. Die
Allianz-Versicherung stornierte genervt einen Großauftrag; die Agentur war ihr zu langsam. Jetzt geht der ehemals schillernde Star der deutschen
Gründerszene wieder Klinkenputzen bei institutionellen Anlegern, um dem Kurs der Pixelpark-Aktie auf die Beine zu helfen. Immerhin:
Bei Roadshows in London und Frankfurt gelang es Neef, zwei große Investoren
ins Boot zu holen.

Kunden aus Old Economy bleiben

Bei der Konkurrenz laufen die Geschäfte verhältnismäßig gut: Die größeren
deutschen Internetberater wie Kabel New Media, GFT Technologies oder I-D
Media konnten sich dem allgemeinen Niedergang der New Economy bislang
halbwegs entziehen. Umsatz und Gewinn sind nicht abrupt eingebrochen. Der
Grund: Ihre Kunden stammen mehrheitlich aus der Old Economy. Doch die
Aktienkurse der allesamt am Neuen Markt notierten Dienstleister sackten ins
Bodenlose.

"Es gab einen kurzen, absurden Augenblick, da waren unsere Aktien weniger

wert als unser Cash-Bestand", sagt Bernd Kolb, Vorstandsvorsitzender der
Berliner Agentur I-D Media, deren Papiere bei fünf Euro dümpeln. Oliver Sinner, Chef von SinnerSchrader in Hamburg, hat so gut wie resigniert: "Im Augenblick hat man gegen den Trend am Neuen Markt keine Chance."

Konkurrenz von klassischen Beratern

Hinzu kommt, dass den jungen, dynamischen Internet-Experten inzwischen
auch die klassischen Berater Konkurrenz machen. PricewaterhouseCoopers,
KPMG und Accenture bieten jetzt ebenfalls Internet-Service aus einem Guss:
von der Beratung über die Umsetzung bis hin zur weiteren Betreuung. Ein
Glück, dass zumindest in Deutschland der Markt noch wächst.

"Wir rechnen mit einem Wachstum für die Branche von 70 bis 80 Prozent", sagt
Ulrich Dietz, Chef von GFT Technologies. Aber: "Die Unternehmen verlangen
heute nicht nur Internetauftritte, sie wollen auch deren Verknüpfung mit dem
eigentlichen Geschäft." Da ist ein so genannter Frontend-Experte wie Pixelpark derzeit im Nachteil: Schließlich hat sich Paulus Neefs Agentur mit der Gestaltung von Websites profiliert, nicht mit der mühsamen Integration des Internet-Auftritts in Geschäftsprozesse.

"Die Branche ist noch nicht erwachsen"

Die deutschen Multimedia-Berater haben nur eine Chance: Auch sie müssen
der Kundschaft Komplettlösungen anbieten. Dabei werden nach Meinung von
Experten viele Agenturen auf der Strecke bleiben. "Mir graut es immer, wenn vom Marktführer Pixelpark gesprochen wird", sagt Sinner. "Pixelpark hat zwei oder drei Prozent vom Gesamtmarkt. Die Branche ist noch nicht erwachsen." Er tippt, dass die fünf Großen überleben werden, wie in der klassischen Beratung.

Sarah Paulke von WestLB Panmure ist da weniger zuversichtlich. "Ich könnte mir bei allen Agenturen Fusionen oder Übernahmen vorstellen", sagt die Analystin. "Pixelpark habe ich auf 'Sell' stehen." Zwar habe das Unternehmen einen starken Markennamen und gute Kunden, doch das Geschäftsmodell überzeuge sie nicht. GFT und I-D Media hätten jedoch gute Chancen, sich durch größere Zukäufe noch zu verstärken. Nischenanbieter wie Antwerpes seien so klein, dass sie aufgekauft werden könnten.

"200-Mann-Buden werden nicht überleben"

"Die meisten 200-Mann-Buden sind so klein, dass sie nicht überleben können", schätzt auch Markus Golinski von Oppenheim Research. "In den letzten zwei, drei Jahren konnten die Unternehmen doch nur deshalb so enorm wachsen, weil bei Projekten nicht aufs Geld geguckt wurde." Kabel New Media oder Pixelpark hätten einfach sehr wenig Konkurrenz gehabt.

Die Euphorie der Gründer ist verpufft, an die Stelle der Kreativen sind die Erbsenzähler getreten. "Heutzutage ist es nicht schwer, eine Website zu entwickeln", sagt Golinski. Kunden legten jetzt Wert darauf, pünktlich Lösungen präsentiert zu bekommen, die auch funktionieren. Um zwei Unternehmen der Branche macht er sich keine Sorgen - aus unterschiedlichen Gründen: "Bei GFT sehe ich überhaupt keine Probleme, die werden sich eher noch verstärken. Und bei Pixelpark wird Bertelsmann so lange Geld nachschießen, bis der Laden wieder läuft."  
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