Protektionismus light
Obama hat die protektionistischen Ansätze der US-Demokraten aus dem Konjunkturpaket gestrichen, nachdem offensichtlich wurde, dass sich die USA mit solchen Ansätzen selbst ein Bein gestellt hätten (siehe Text von vorheriger Woche). Im Zusammenhang mit diesen Vorfällen stieß ich in der letzten Woche auf eine Form des Protektionismus der ganz eigenen Art:
Volkswagen hat jetzt eine ganz besondere Form des Protektionismus gestartet: Laut verschiedenen Zeitungsberichten haben Partner von Volkswagen nun Probleme mit Autos, die nicht von Volkswagen stammen, auf das Werksgelände zu kommen. Ein VW-Sprecher meint dazu, dass es doch ganz normal sei, dass man nur mit denen Geschäfte machen will, die auch mit Volkswagen Geschäfte machen.
Mal konsequent weiter gedacht
(Achtung Satire)
Mitarbeiter und Partner von Volkswagen dürfen also mit Fremdmarken-PKW und LKW (das wäre doch ein schöner Vorschlag für das „Unwort des Jahres“) nicht mehr auf das Firmengelände bei Volkswagen. Das hört sich ja auch vernünftig an, auf den ersten Blick zumindest. Wie der Volkswagensprecher bestätigt, scheinen das sogar auch andere Firmen ähnlich zu handhaben – Grund genug ein wenig weiter zu denken:
Wir spinnen das einmal weiter: Mercedes, Porsche und BMW machen da jetzt auch mit. Überall in den Werken werden Schilder aufgestellt, die Fremdmarken-PKW die Durchfahrt verbieten. Mitarbeiterparkplätze sind ebenfalls für andere Marken gesperrt. Die Autozulieferer müssten natürlich ihre Fahrzeugflotte breit diversifizieren, damit sie bei den verschiedenen Unternehmen Waren anliefern können. Das würde vielleicht sogar kurzzeitig den Absatz etwas erhöhen. Gut, in der Folge könnte das aber auch dazu führen, dass das Ausliefern von Waren länger dauert, da der Unternehmer nicht mehr zu jeder Zeit auf seine ganze Flotte zurückgreifen kann. Diese kleinen Produktionsausfälle und deren Kosten wären für VW sicherlich noch zu verkraften.
Die Seuche breitet sich aus
Treiben wir das Thema aber noch weiter. Es schaukelt sich hoch und die Automobilhersteller beginnen einen kleinen protektionistischen Wirtschaftskrieg. Fortan werden alle Mitarbeiter dazu gezwungen keine Fremdmarken-PKW mehr zu kaufen. Auch nicht für deren Frauen und Kinder, Neffen und alle anderen Verwandten. Ansonsten droht die Kündigung. Im weiteren Verlauf werden alle Subunternehmen, Rohstoffhersteller sowie auch Anwälte, Berater, Banken, Marketingfirmen, Werbepartner und die Frauen und Kinder der dortigen Mitarbeiter dazu angehalten, nur noch die Automarken des jeweilig betreuten Herstellers zu fahren.
Der Gewinner ist
Das Unternehmen, welches die meisten Angestellten in Deutschland hat. Genauer gesagt: Das Unternehmen, welches das beste Verhältnis von Angestellten, Ehegatten und Subunternehmen zum Preis des jeweiligen Autos hat, würde in Deutschland den meisten Gewinn erwirtschaften. Man sagt, dass jeder vierte bis siebte Arbeitsplatz in Deutschland von der Automobilindustrie abhängig sei. Der deutsche Markt wäre somit schnell aufgeteilt. Und keine Frage, das deutsche Beispiel würde natürlich auch weltweit schnell Schule machen.
Gute Planung möglich
Hört sich doch perfekt an: Die Unternehmen wüssten ganz genau, was sie einnehmen würden. Sie wüssten, wie schnell ein Produktzyklus wäre. Sie müssten sich zudem keine Gedanken über ausländische, aber auch inländische Konkurrenz mehr machen. Der Himmel auf Erden für das Unternehmen, scheinbar. Es wäre sogar gut, mehr Menschen einzustellen, da man schließlich nur so mehr Autos absetzen kann. Auch wäre es gut mehr Subunternehmen zu beauftragen. Ist das vielleicht die Lösung für den Arbeitsmarkt?
Horrender Preisanstieg
Gut..., durch die Beschäftigung von mehr Arbeitnehmern würden die Autos natürlich teurer werden. Dabei ist es kein Problem, die Preise deutlich zu erhöhen, man hat ja nicht mehr das leidige Problem mit der Konkurrenz. Ein Preisanstieg von 10-30 % im Jahr ist doch kein Problem, also mal ehrlich...
Hm..., das führt natürlich dazu, dass die Automobilbesitzer immer länger warten müssen, bis sie sich ein neues Auto kaufen können. Aber wäre das nicht auch in gewisser Weise ressourcenschonend? Okay, wenn sich der Produktionslebenszyklus durch die immer länger andauernde Haltedauer von Autos verlangsamt, würden natürlich auch Innovationen (niedriger Spritverbrauch, Katalysatoren, etc.) immer länger brauchen, bis sie zur Marktreife kommen. Wahrscheinlich würde das auf Dauer der Umwelt mehr Schaden zuführen, als die höhere Produktion früherer Zeiten verursacht hat. Teure Innovationen, wie das „Ein-Liter-Auto“, Hybrid-Technik, etc. würden gar nicht erst entwickelt werden, wozu auch. Die Menschen können ja nicht anders, sie müssen das kaufen, was angeboten wird. Und wenn die Benzinkosten bei steigendem Ölpreis zu teuer werden, sollen sie halt weniger fahren. Schont schli eßlich auch das Auto, das ja sowieso länger halten muss.
Komfort, Sicherheit, Design? Wozu!
Denken wir unsere heile protektionistische Welt einfach noch weiter. Nicht nur für die teuren Innovationen wären solche Maßnahmen das Aus. Warum sollte man die Autos überhaupt noch verbessern, wenn die Abnehmer sicher sind und keine neuen hinzugewonnen werden könnten? Viel sinnvoller wäre es dann, doch an den Dingen wie Design, Komfort, Fahreigenschaften und natürlich Sicherheit zu sparen. Schließlich muss man ja immer mehr Arbeitnehmer einstellen, um die Produktion zu halten. Irgendwie muss man ja sinkende Nachfrage durch den immer längeren Produktionszyklus kompensieren.
Die negative Evolution
Okay..., die Autos würden weltweit einen umgekehrten Evolutionsprozess durchlaufen, sprich sie würden sich bis zu den Anfängen zurückentwickeln und das, wie gesagt, bei gleichzeitig starkem Anstieg der Preise und einem sich immer weiter verlängernden Produktlebenszyklus.
Nun..., irgendwann müsste man natürlich die Löhne der Arbeiter senken, weil die Ausweitung des des Produktlebenszyklus die nur leicht zulegende Nachfrage durch die Anstellung eigener Arbeitnehmer überkompensiert. Wenn man weniger verkauft, kann man auch nur weniger zahlen.
Tja..., wenn die Autos immer teurer würden und die Arbeiter immer weniger Geld verdienen, dann könnten sich immer weniger ein Auto leisten. Der Kreislauf beschleunigt sich. Eltern würden ihren Kindern ein „Autosparbuch“ anlegen, damit diese sich mit dem 40. Lebensjahr ein Auto kaufen können, das sie dann bis 82 Jahre fahren müssen.
Am Ende des Kreislaufs würde das System ganz zusammenbrechen. Aber okay, so ein Pferdewagen ist doch auch was Feines in einem Agrarland...
Protektionismus funktioniert immer nur so lange, bis alle anderen mitmachen
Das Dumme am Protektionismus ist immer, dass die anderen (Unternehmen / Länder) gemeinerweise immer anfangen, auf solche Maßnahmen ebenfalls mit Protektionismus zu reagieren. Ansonsten wäre es, keine Frage, eine prima Idee.
Egal wie man es hält, wenn man Entwicklungen weiterdenkt, führen protektionistische Maßnahmen schnell zu höheren Kosten für die Verbraucher, Unternehmenspleiten und damit schlussendlich zu einem starken Anstieg von Arbeitslosigkeit.
Nicht immer alles so negativ sehen...
Doch ein Gutes hätte es: Diejenigen, die sich in 20-40 Jahren dann noch Autos leisten könnten hätten keine Probleme mehr mit Staus auf den Autobahnen. Aber wahrscheinlich wäre die Qualität der Straßen dann nicht mehr mit der heutigen vergleichbar und ein Fahrt von Köln nach München würde dann immer so lange dauern, wie heute zum Ferienbegin...
Viele Grüße
Jochen Steffens