Hat jemand ein gutes Deo für den armen Kerl?
News - 15.02.08 08:14
Infineon-Chef im Schwitzkasten
Auf seiner dritten Hauptversammlung muss sich Infineon-Chef Wolfgang Ziebart abermals für Verluste rechtfertigen. Dass es bei dem deutschen Chiphersteller irgendwann einmal wieder besser läuft, mag allmählich kaum mehr einer der Aktionäre glauben.
Es gibt Orte, an denen sich Wolfgang Ziebart wohler fühlt als auf dem Podium der Infineon-Hauptversammlung. Angespannt, aber konzentriert, referiert der Chef des kriselnden Halbleiterherstellers - und verhaspelt sich trotzdem mehrfach. Seine Gesten wirken einstudiert. Der Infineon-Chef steckt im Schwitzkasten. Nicht nur die Aktionäre, deren Kapital dahinschmilzt, setzen ihm zu, sondern auch seine Kollegen.
Zu seiner Linken kritisiert Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley, Infineon müsse sich mehr anstrengen, um endlich profitabel zu werden. Zu seiner Rechten fällt dem Ingenieur Ziebart Finanzvorstand Peter Fischl ins Wort, den viele im Konzern als den heimlichen Infineon-Herrscher bezeichnen. Die Reihenfolge, in der die drei Manager die Aktionärsfragen beantworten, gerät bald durcheinander. "Die haben kein Konzept", raunt ein Beobachter. In Vorstandssitzungen geht es laut Insidern ähnlich zu.
Kollektiver Unglaube
Es ist Ziebarts dritte Hauptversammlung, und zum dritten Mal muss er sich für hohe Verluste rechtfertigen. Man habe Sparprogramme gestartet, sich beim Produktangebot fokussiert und aussichtsreiche neue Chips entwickelt, sagt er: "Ich bin sicher, wir sind auf dem richtigen Weg, aber der Weg ist weiter, als wir dachten."
Doch so richtig nimmt ihm das kaum mehr jemand ab im Kongresszentrum der Münchner Messe. 368 Mio. Euro Verlust hat Infineon im bis September laufenden Geschäftsjahr 2006/07 verbucht. "Das macht jeden Tag eine Million", wettert Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger (VIP). "Warum stehen Sie denn morgens auf?" Viele der 2500 im Saal applaudieren.
Für das Problemfeld Kommunikationschips (Com) hat Ziebart erst vor gut einer Woche das Gewinnziel um ein Jahr auf 2009 verschieben müssen. Im laufenden zweiten Geschäftsquartal werde Com gar ein Umsatzminus von 15 Prozent und 30 Mio. Euro Betriebsverlust verkraften müssen, präzisiert er vor den Aktionären. Schulnote "vier minus" attestiert Christoph Öfele von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) dem Chef und dessen Kollegen. "Damit wird man gerade noch versetzt."
Andere Aktionäre schwanken zwischen Sarkasmus und Resignation. Seit Mitte 2007 ist der Kurs der 2000 für 35 Euro emittierten Infineon-Aktie um fast 60 Prozent gefallen. Am Donnerstag notiert er mit 5,67 Euro nicht mehr weit vom Rekordtief aus dem Oktober 2002 von 5,03 Euro entfernt. "Das Einzige, was diese Aktie auszeichnet, ist, dass es keine störenden Steigerungen gibt", klagt Buhlmann. Eine Dividende haben er und die anderen Aktionäre seit Anfang 2001 nicht mehr gesehen. "Infineon ist kein kommerzielles Unternehmen", urteilt Buhlmann.
Für Infineons oberste Führungsetage gelte dieser Mangel an Gewinnorientierung jedoch nicht, kritisieren die Aktionäre. Dem nach nur vier Monaten geschassten Finanzvorstand Rüdiger Günther zahlte Infineon zu seinem Gehalt von 800.000 Euro eine Abfindung von 1,2 Mio. Euro. Die anderen Vorstände verfügen über komfortable Kontrollwechselklauseln: Sobald ein Investor mehr als 30 Prozent kauft und ein Übernahmeangebot vorlegt, können sie bei voller Auszahlung ihrer Verträge abtreten. Ein solcher "Freibrief" sei "nicht akzeptabel", schimpft Öfele. Langer Applaus.
Zumindest ist die Gefahr nicht sehr groß, obwohl der Dax-Konzern an der Börse nur noch 4,3 Mrd. Euro kostet. Von potenziellen Interessenten, muss Kley gestehen, "ist uns, Aufsichtsrat und Vorstand, nichts bekannt". Denn die größte Giftpille - die Speicherchip-Tochter Qimonda - ist Infineon auch drei Jahre nach dem Trennungsbeschluss nicht losgeworden. Im ersten Quartal lieferte die seit 2006 in New York notierte Tochter mit minus 598 Mio. Euro fast doppelt so viel Verlust wie Umsatz. "Qimonda muss weg!", ruft Öfele, notfalls per Insolvenz. Sein viertes Aktionärstreffen dürfte für Ziebart kaum angenehmer werden - wenn er dann überhaupt noch dabei ist.
Von Angela Maier (München)
Quelle: Financial Times Deutschland
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