Am kommenden Montag beginnt in München der Prozess gegen Thomas und Florian Haffa, die mit ihrem Unternehmen einst als die Medien-Mogule des Neuen Marktes galten. Wie ihr Aufstieg, so ist nun auch ihr Fall vor Gericht ohne Beispiel. Viele haben ihr Urteil schon gefällt.
DER SPIEGEL
Der Fall Haffa
Es riecht etwas muffig im Saal B 175 des Münchner Justizgebäudes, wahrscheinlich ist es der graue Teppichboden. Er scheint noch ein Relikt aus den siebziger Jahren zu sein, als der triste Betonklotz an der Nymphenburger Straße entstand. Ausgerechnet hier, in dem nüchtern-kalten Kabuff, soll am kommenden Montag der Prozess gegen zwei Ex-Manager beginnen, die seit ihrem jähen Fall vor zwei Jahren als Symbolfiguren für Aufstieg und Niedergang des Neuen Marktes gelten. Das Geschäft laufe "gut, sehr gut, super", das waren die Vokabeln, mit denen Gründer und Vize des Münchner Medienkonzerns EM.TV Massen begeisterter Kleinaktionäre bis zuletzt animierten, im großen Stil ihre Aktien zu kaufen. Warnungen von Wirtschaftsprüfern und hauseigenen Controllern schlugen die schillernden EM.TV-Bosse selbst dann noch in den Wind, als sich vor zwei Jahren in der Bilanz erstmals tiefe Löcher abzeichneten. Scharen von Kleinaktionären, die mit dem Sturz der Bosse und des Börsenkurses ihren Traum vom Reichtum ohne Arbeit und oft auch ihre Ersparnisse dahinschwinden sahen, fordern nun Rache und Sühne - stellvertretend für viele andere enttäuschte Anleger am Neuen Markt. Nun müssen die Haffa-Brüder vor dem Landgericht München Vorwürfe entkräften, die Geschäftsergebnisse viel zu lange geschönt und den Aktienkurs künstlich in die Höhe getrieben zu haben. Gelingt ihnen das nicht, drohen den einstigen Mega-Stars der Medienbranche bis zu drei Jahre Haft.
Die Richterin
Gerade hat Huberta Knöringer, 54, Boris Becker zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Von der kommenden Woche an werden zwei andere gefallene Superstars der Bussi-Bussi-Gesellschaft vor ihr auf der Anklagebank sitzen, die Brüder Haffa.
Ein Abglanz vom Glamour, der einst ihre Delinquenten umgab, fällt nun auch auf die resolute Dame mit der akkuraten Föhnfrisur, und das verdankt sie einem Zufall. Die Vorsitzende Richterin für Wirtschaftsstrafsachen am Landgericht München I, vierte Kammer, muss in diesem Jahr Angeklagte mit Nachnamen von A bis J betreuen, so hat es das Präsidium beschlossen. Seither türmen sich die Interview-Anfragen, ihr Telefon steht nicht still.
"Ich kann eigentlich nur noch zu Hause in Ruhe arbeiten", sagt die Richterin. Dort hat sie auch die Stapel mit dem Aktenzeichen 4KLs 305 Js 52373/00 studiert - und musste feststellen, wie schnell selbst eine Fachfrau für Wirtschaftsstrafrecht nach fast 30 Jahren Justizkarriere an Grenzen stößt. Der Fall, gesteht sie, sei für sie "Neuland" und "ein ungewohntes Rechtsgebiet".
Es geht um die Frage, was die Brüder Haffa wann wussten, es geht um hoch komplizierte Bilanzkniffe in der internationalen Rechnungslegung von Unternehmen. Und es gibt keine Präzedenzfälle, auf die sie sich berufen könnte. Zum 1. Juli hat sich zudem ein wichtiger Strafrechtsparagraf geändert, der Teile der Anklageschrift schon jetzt aushöhlt: "Ich musste mich hier und da schon kundig machen", sagt die Richterin.
Die Glitzerwelt der Haffa-Brüder ist Huberta Knöringer sowieso eher fremd. Mit deren Produkten wie der Biene Maja oder Kermit dem Frosch verbindet die verheiratete und kinderlose Juristin wenig. Auch die Kommunikationsrevolution, von der Thomas Haffa in Hoch-Zeiten so mitreißend schwärmte, ist weitgehend an ihr vorübergegangen. Im Büro der Richterin steht eine Olympia-Schreibmaschine, die gesamte Kammer teilt sich den Computer im Nebenraum, und privat nutzt sie weder Fax noch Anrufbeantworter.
Huberta Knöringer gibt zu, dass es vor dem Prozess Versuche gab, das Strafverfahren zu vermeiden und zu einem Vergleich zu kommen. Erst kürzlich haben die Verteidiger sie noch einmal besucht, ohne Erfolg: "Das Verfahren ist eröffnet, terminiert, und es wird stattfinden", so die Richterin - wegen der Schwere des Falls sogar "in großer Besetzung", also mit zwei Beisitzern und zwei Schöffen. Das leistet sich der Staat nur noch in Ausnahmefällen.
Schon fürchtet sie, auf Grund des großen Andrangs von ihrem Lieblingssaal in einen fensterlosen Bunker umziehen zu müssen, wo sie mit Mikrofon sprechen muss und wo auch das Becker-Tribunal stattfand. "Mein B 175 wäre mir viel sympathischer", sagt sie, "da kann man im Ernstfall wenigstens mal das Fenster öffnen."
DER SPIEGEL
Der Fall Haffa
Es riecht etwas muffig im Saal B 175 des Münchner Justizgebäudes, wahrscheinlich ist es der graue Teppichboden. Er scheint noch ein Relikt aus den siebziger Jahren zu sein, als der triste Betonklotz an der Nymphenburger Straße entstand. Ausgerechnet hier, in dem nüchtern-kalten Kabuff, soll am kommenden Montag der Prozess gegen zwei Ex-Manager beginnen, die seit ihrem jähen Fall vor zwei Jahren als Symbolfiguren für Aufstieg und Niedergang des Neuen Marktes gelten. Das Geschäft laufe "gut, sehr gut, super", das waren die Vokabeln, mit denen Gründer und Vize des Münchner Medienkonzerns EM.TV Massen begeisterter Kleinaktionäre bis zuletzt animierten, im großen Stil ihre Aktien zu kaufen. Warnungen von Wirtschaftsprüfern und hauseigenen Controllern schlugen die schillernden EM.TV-Bosse selbst dann noch in den Wind, als sich vor zwei Jahren in der Bilanz erstmals tiefe Löcher abzeichneten. Scharen von Kleinaktionären, die mit dem Sturz der Bosse und des Börsenkurses ihren Traum vom Reichtum ohne Arbeit und oft auch ihre Ersparnisse dahinschwinden sahen, fordern nun Rache und Sühne - stellvertretend für viele andere enttäuschte Anleger am Neuen Markt. Nun müssen die Haffa-Brüder vor dem Landgericht München Vorwürfe entkräften, die Geschäftsergebnisse viel zu lange geschönt und den Aktienkurs künstlich in die Höhe getrieben zu haben. Gelingt ihnen das nicht, drohen den einstigen Mega-Stars der Medienbranche bis zu drei Jahre Haft.
Die Richterin
Gerade hat Huberta Knöringer, 54, Boris Becker zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Von der kommenden Woche an werden zwei andere gefallene Superstars der Bussi-Bussi-Gesellschaft vor ihr auf der Anklagebank sitzen, die Brüder Haffa.
Ein Abglanz vom Glamour, der einst ihre Delinquenten umgab, fällt nun auch auf die resolute Dame mit der akkuraten Föhnfrisur, und das verdankt sie einem Zufall. Die Vorsitzende Richterin für Wirtschaftsstrafsachen am Landgericht München I, vierte Kammer, muss in diesem Jahr Angeklagte mit Nachnamen von A bis J betreuen, so hat es das Präsidium beschlossen. Seither türmen sich die Interview-Anfragen, ihr Telefon steht nicht still.
"Ich kann eigentlich nur noch zu Hause in Ruhe arbeiten", sagt die Richterin. Dort hat sie auch die Stapel mit dem Aktenzeichen 4KLs 305 Js 52373/00 studiert - und musste feststellen, wie schnell selbst eine Fachfrau für Wirtschaftsstrafrecht nach fast 30 Jahren Justizkarriere an Grenzen stößt. Der Fall, gesteht sie, sei für sie "Neuland" und "ein ungewohntes Rechtsgebiet".
Es geht um die Frage, was die Brüder Haffa wann wussten, es geht um hoch komplizierte Bilanzkniffe in der internationalen Rechnungslegung von Unternehmen. Und es gibt keine Präzedenzfälle, auf die sie sich berufen könnte. Zum 1. Juli hat sich zudem ein wichtiger Strafrechtsparagraf geändert, der Teile der Anklageschrift schon jetzt aushöhlt: "Ich musste mich hier und da schon kundig machen", sagt die Richterin.
Die Glitzerwelt der Haffa-Brüder ist Huberta Knöringer sowieso eher fremd. Mit deren Produkten wie der Biene Maja oder Kermit dem Frosch verbindet die verheiratete und kinderlose Juristin wenig. Auch die Kommunikationsrevolution, von der Thomas Haffa in Hoch-Zeiten so mitreißend schwärmte, ist weitgehend an ihr vorübergegangen. Im Büro der Richterin steht eine Olympia-Schreibmaschine, die gesamte Kammer teilt sich den Computer im Nebenraum, und privat nutzt sie weder Fax noch Anrufbeantworter.
Huberta Knöringer gibt zu, dass es vor dem Prozess Versuche gab, das Strafverfahren zu vermeiden und zu einem Vergleich zu kommen. Erst kürzlich haben die Verteidiger sie noch einmal besucht, ohne Erfolg: "Das Verfahren ist eröffnet, terminiert, und es wird stattfinden", so die Richterin - wegen der Schwere des Falls sogar "in großer Besetzung", also mit zwei Beisitzern und zwei Schöffen. Das leistet sich der Staat nur noch in Ausnahmefällen.
Schon fürchtet sie, auf Grund des großen Andrangs von ihrem Lieblingssaal in einen fensterlosen Bunker umziehen zu müssen, wo sie mit Mikrofon sprechen muss und wo auch das Becker-Tribunal stattfand. "Mein B 175 wäre mir viel sympathischer", sagt sie, "da kann man im Ernstfall wenigstens mal das Fenster öffnen."