01.01.2000 CLIENT SERVER COMPUTING Ausgabe 00/1 Interview mit Markus Hanisch, Vorstand der Easy Software AG,
und Joachim Bleckmann, Direktor Vertrieb Europa
"Überdurchschnittlich gut auf Wachstum vorbereitet"
Der Markt für Dokumentenmanagementsysteme (DMS) hat endgültig den Durchbruch geschafft. Wachstumsraten von 30% sprechen dafür, und das Tempo wird sich beschleunigen. Auch wenn der Wunsch nach dem papierlosen Büro in letzter Konsequenz ein Traum bleiben wird, bieten DMS wettbewerbsentscheidende Vorteile. Markus Hanisch, Vorstand der Easy Software AG, und Joachim Bleckmann, europäischer Vertriebschef von Easy, geben Auskunft zum turbulenten DMS-Markt und zur eigenen Stategieentwicklung.
Client Server Computing: Analysten sagen dem DMS-Markt eine stürmische Entwicklung voraus. Was ist von diesen Prognosen zu halten und treffen sie auch auf Ihr Unternehmen zu?
§Markus Hanisch: Ich vergleiche gerne die Entwicklung des Softwaremarktes und des Marktes für DMS. Während der Softwaremarkt aufgrund Euro- und Jahr 2000-Problematik geradezu explodierte, blieb entsprechend weniger für elektronische Archivierung und DMS übrig. Dennoch legte unser Markt jährlich um fast 30% zu. Doch während der allgemeine Softwaremarkt eher abflacht, steht der für DMS tatsächlich vor einer ganz rasanten Entwicklung.
Wir erfahren dies in Gesprächen mit unseren Marktpartnern, die von einer klaren Ausrichtung der Systemhäuser auf neue Geschäftsfelder berichten. Und hierzu gehört das gesamte Thema der Informationsorganisation, also DMS, Workflow und Groupware ebenso wie E-Commerce, Data Warehouse und Data Mining.
Was Easy anbetrifft, bin ich sicher, daß wir in den nächsten Jahren klar stärker wachsen werden als der Markt. Wir sind durch die zertifizierten Partner und deren sehr gut ausgebildete Spezialisten und nicht zuletzt durch unser eigenes Team überdurchschnittlich gut auf Wachstum vorbereitet.
CSC: Der DMS-Markt war in den letzten Jahren gekennzeichnet durch viele kleinere und mittlere Anbieter, aber auch von Börsengängen, Kooperationen, strategischen Allianzen oder Übernahmen. Geht diese unruhige Entwicklung so weiter oder ist Konsolidierung in Sicht?
Hanisch: Der DMS-Markt wird auch in absehbarer Zeit noch recht unruhig sein und einfache Überschaubarkeit weiterhin vermissen lassen. Allerdings stellen die Börsengänge beispielsweise von SER, Ixos, CE und uns durch die erlangte Publizität eine neue Orientierung für den Nachfrager dar. Anbieter, die nicht an der Börse notiert sind, werden sich immer schwerer tun. Hinzu kommt, daß der Neue Markt kaum noch einen fünften, sechsten oder gar siebten Wert in diesem Bereich gut verdaut. Dies alles spricht dafür, daß in einigen Jahren nur fünf bis zehn Global Player den Markt beherrschen werden. Zu diesem Kreis werden nur die gehören, die in einem bestimmten Marktsegment besonders gut und schnell sind und technologisch Maßstäbe setzen oder wer insgesamt besonders viele Kunden adressiert hat. Viele Kunden heißt aber nicht einige 5000 oder 10.000 - heute geradezu noch der Traum eines jeden DMS-Anbieters. Wenn man sich an unseren Börsengang erinnert, haben wir für die potentiellen Anleger die Statistik der deutschen Microsoft-Kunden mittels Pyramidengrafik dargestellt. Den besonders interessanten mittleren Pyramidenteil bildeten rund 500.000 Microsoft-Kunden, bei denen jeweils 20 bis 1.000 User vernetzt sind. Dies ist unser Markt. Gerade mit unserem "Easy-DMS" und dem ausgedehnten Partnernetz decken wir genau diesen Kundenbereich ab.
CSC: Adressieren Sie also eher den Mittelstand und stehen Großunternehmen weniger in Ihrem Blickfeld?
§Joachim Bleckmann: Großunternehmen gehören ganz klar zu unserem Marktfokus. Sie brauchen nur unsere Kundenliste anzuschauen und stellen fest, daß wir schon heute einen erheblichen Anteil großer und größter Unternehmen zu unseren Kunden zählen. Diese Kunden betreuen wir direkt mit unserem Key-Account-Team, natürlich in enger Abstimmung mit unseren Partnern. Den mittelständischen Markt beherrschen wir über unsere Partner.
CSC: Gibt es eine kritische Unternehmensgröße, die zum Überleben als DMS-Anbieter nötig ist und wird es bald weitere Übernahmen geben, um solche Größen zu erreichen?
Hanisch: Kritische Größen wird es geben, doch sind sie noch nicht zu quantifizieren, weder in Umsatz- noch Kundenzahlen. Heute hat gewiß noch kein einziger DMS-Anbieter eine solche Größe erreicht - dies gilt weltweit, also auch für alle vermeintlichen Weltmarktführer. Und ganz sicher wird es auch in der nächsten Zeit Übernahmen geben. Zusammenbrüche von Anbietern werden nicht ausbleiben. Eine weitere kritische Größe wird aus unserer Sicht die verfügbare Partnerzahl sein, mit der man den Markt abzudecken in der Lage ist. Es zeichnet sich ab, daß Easy speziell hier als erste eine solche Größe erreicht.
CSC: Steht Easy konkret vor neuen Allianzen oüer Übernahmen?
Hanisch: Allianzen teilen wir auf in die Bereiche Vertrieb, Technologie- und Know-how-Zuwachs, Human Ressources und Internationalität. Auch in nächster Zeit werden wir Allianzen und Übernahmen bekanntgeben, die unserer Unternehm.ensstrategie entsprechen. Andere Anbieter geben teilweise ein sehr hohes Ternpo vor. Vielleicht ein zu hohes, wem man bedenkt, welche Aufwendungen beispielsweise für gute Übernahmen nötig sind. Wir wissen genau, daß selbst der Börsengang nur endlich viele Mittel einspielt.
CSC: Wie sieht es mit der InternationaIisierung von Easy aus, ein schwieriges Geschäft?
Bleckmann: Es mag überheblich klingen; döch für uns ist dies kein schwieriges Geschäft. Wir haben in der Zusammenarbeit mit unseren Partnern so viel gelernt im erfolgreichen Ausnutzen gemeinsamer Marktchancen und genau dieses Prinzip hilft uns auch in anderen Ländern. Unsere Philosophie ist es, externe Niederlassungen mit wenigen eigenen Leuten zu betreiben, den Markt aber mit bestens eingeführten einheimischen Allianzpartnern aufzurollen. Nehmen Sie beispielsweise unseren Start in den USA. Erst seit einigen Monaten sind wir dort mit unserer Tochter Easy Software Inc., Philadelphia, vertreten - nur fünf Meilen entfernt vom SAP-Headquarter: Wir haben einige hochmotivierte Spitzenleute von uns dorthin geschickt, die fundiertes SAP-Wissen mitbringen zur Integration von "Easy-Archiv" in R/3. Als weltweit die Nummer 2 im Bereich SAP-Archivierung wollen wir uns auf den R/3-Markt konzentrieren. In den USA sind wir vom Start weg enge Vertriebsallianzen eingegangen mit sehr großen Consultingunternehmen wie Whittman-Hart oder Plant. Beide verfügen über eine ausgedehnte Kundenbasis. Dort wird man zusammen mit unseren Leuten Easy-Archiv und Easy-DMS implementieren. Wir schieben also kein Unternehmen mit 100 Mann vor uns her, mit eigenem Vertrieb, Consultingteam und Verwaltungsapparat. Vielmehr setzen wir auf starke Partner und bleiben selbst . schlank und flexibel. Und was uns häufig unterscheidet von anderen Unternehmen: wir verdienen von Anfang an Geld, auch in fremden. Märkten.
CSC: Im Workflow-Bereich hatten Sie auf eine enge Partnerschaft mit CSE gesetzt. Die SER AG gab im September auf der DMS'99, überraschend dieÜbernahme der CSE bekannt. Auch für Sie überraschend, und wird es weiterhin noch eine Zusammenarbeit mit CSE geben?
Hanisch: Ja, auch für uns überraschend. Die CSE Solution und wir hatten in guten Gesprächen eine Entscheidung zu Gunsten Easy vorbereitet, denn dies machte aufgrund der engen Zusamrnenarbeit der letzten beiden Jahre Sinn. An der CSE Systems waren wir dagegen nie interessiert. Es muß also innerhalb weniger Tage etwas bei CSE Solution vorgegangen sein, was wir nicht nachvollziehen können. Doch wie so oft im Leben, hat der Vorgang für uns einen außerordentlich positiven Effekt gehabt. Wir stellten schnell fest, daß sich andere Workflow-Anbieter erheblich weiterentwickelt hatten und uns ganz neue Zukunftstechnologien bieten konnten - und für solche Anbieter waren wir plötzIich wieder sehr interessant. Entsprechend schnell haben wir gehandelt. Es wird keine aktive Vermarktung von "CSE / Workflow" mehr geben, wobei wir unseren bisherigen Kunden selbstverständlich auch weiterhin unseren uneingeschränkten Service bieten. Insgesamt darf man nicht vergessen, daß der Umsatzanteil, den wir mit CSE / Workflow zuvor machten, nie über ein Prozent unseres Gesamtumsatzes hinaus kam - also ohnehin kein dramatisches Thema für uns.
CSC: Wenn Sie sagen, Easy hat schnell gehandelt, heißt dies, daß Sie eine Eigenentwicklung im Workflow-Bereich planen?
Hanisch: Nein, da bleilben wir unserer erfolgreichen Partner- und Allianzphilosophie treu. Wir führen intensive Gespräche und werden in Sachen Workflow noch in 1999 wichtige Partner an unserer Seite haben. Schon seit Wochen fixieren wir mit gemeinsamen Teams Schnittstellen zu unseren Produkten. Außerdem ist das Thema Workflow nicht immer so gelagert, daß wir mit unserer bisherigen Produktpalette keine Antwort darauf hätten. Viele Kunden reden zwar von Workflow, doch die meisten meinen DMS. Wir können viele der vom Kunden tatsächlich geforderten Lösungsfunktionalitäten bestens mit unserem Produkt Easy-DMS abdecken. Für die Kunden, die auch wirklich Workflow meinen, bieten wir mit den neuen Partnerschaften sogar eine lösungsorientierte Vielfalt, denn wir arbeiten nun mit mehreren Workflow-Partnern zusammen. So werden wir beispielsweise im Bereich Behörden und öffentliche Auftraggeber auf das Produkt von Fabasoft setzen.
CSC: Noch einmal bezugnehmend auf die vielfältigen Verflechtungen im DMS-Segment: Herr Plönzke ist Aufsichtsratvorsitzender von Easy. Er ist aber auch an Ihrem Konkurrenten A.LS. beteiligt. Gibt es da keine Interessenkonflikte?
Hanisch: Nein. Als wir Herrn Plönzke wählten, wußten wir schließlich von der A.LS.-Beteiligung, er hat uns ausführlieh informiert. Er ist dort in keiner Weise am operativen Geschäft beteiligt. Viel mehr profitieren wir von den weitreichenden Kontakten von Herrn Plönzke. So auch in den USA. Ferner hat er uns mit CSC Ploenzke in Deutschland zusammengebracht, der er früher vorstand. Inzwischen ist vereinbart, daß CSC von der bisherigen ausschließlichen Fokussierung auf Ixos abweicht und auch als Solution-Partner von Easy auftritt. Das ist ein großer Erfolg für uns. CSC: Sie haben schon auf Ihr überdurchschnittliches Wachstum hingewiesen. Worin begründet sich letztendlich dieser Erfolg, wie positioniert sich Easy gegenüber wichtigen Konkurrenten auf dem Markt? Bleckmann: Sieht man das historisch, das heißt als wir noch die Version 2 unseres Produktes hatten, waren wir eher der Archivspezialist. Unser Name war Programm in dem Sinne, daß es wirklich leicht war, unsere Archivsoftware einzusetzen. Seit der Version 3.0, mit neuer Technologie, hat sich auch unsere Marktperformance stark entwickelt. Selbstverständlich soll unser Name weiterhin Programm bleiben, doch in dem Sinne, daß es leicht ist, mit uns erfolgreiche Geschäfte abzuwickeln und daß es weiterhin kein Buch mit sieben Siegeln ist, praxisgerecht mit unseren Produkten zu arbeiten. Ferner setzen wir Maßstäbe auch in Softwareergonomie, ein Thema, welches keineswegs von allen Anbietern ernst genommen wird. Ein ganz wesentlicher Faktor unseres Erfolges ist aber auch unser Partnernetz. Hierdurch verfügen wir über eine Marktabdeckung, die andere so nicht bieten können.
CSC: Bleiben wir gleich bei diesem Thema. Sie favorisieren den indirekten Vertrieb. Können Sie Ihre Strategie etwas näher erläutern?
Bleckmann: Wir haben das größte Partnernetz, hoch motiviert und bestens geschult. Den Kern stellen dabei weit über 400 vertraglich an uns gebundene Partner, mit denen wir eine strategisch ausgerichtete Zusammenarbeit pflegen und die zu 99% nur auf Easy fokussiert sind. Wichtig ist, und von einer solchen Zahl träumt unsere Branche, daß wir inzwischen über 80% unseres Gesamturnsatzes mit unseren Partnern realisieren, geradezu ein Alleinstellungsmerkmal auf dem Markt.
Durch unser aufsergewöhnlich entwickeltes Partnerkonzept stellen wir nicht nur beste Personalressourcen, sondern wir haben einige Teilmärkte durch die Fachkompetenz der Partner und deren gewachsene Marktkontakte fest im Griff. Hier wird es für Konkurrenten schwer, Fuß zu fassen. Beispielsweise konnten wir mit der Infor AG einen engen Vertrag schließen. Infor wird exklusiv unsere Produkte an ihre NT-Kundenwelt anbinden. Hierfür werden Produktschnittstellen geschrieben und Infor-Mitarbeiter ausgebildet, ein Aufwand, der sich aus Infor Sicht nur für einen Anbieter wirtschaftlich darstellen kann.
CSC: Über allgemeine Markttrends haben wir gesprochen. Zeichnen sich auch technische oder andere ab, die es zu beachten gilt?
Bleckmann: Aus unserer Sicht werden sich die Anbieter unseres Marktes zukünftig vermehrt kümmern um Themen wie digitale Signatur, E-Commerce, Data Warehouse und Data Mining. Daraus werden sich gewiß neue Allianzen oder Kooperationen bilden. Wir beteiligen uns dagegen nicht an der noch recht diffusen Diskussion um den Begriff Knowledge-Management. Ein solches "Produkt" kann man noch nirgends kaufen. Allerdings unterstützen wir aktiv Trends wie intelligentes, sprachübergreifendes Finden von Informationen im Unternehmen. Wir sehen klar unser Ziel, Produkte zu schaffen, die den Schwerpunkt auf das leichte und sichere Finden und nicht auf das Suchen richten. Hier wird die nähere Zukunft noch interessante Lösungen bringen, und wir sind dabei.
(ap)