Von Karl Fickel, Partner Portfolio Management & Research bei Lupus alpha und Fondsmanager des Lupus alpha Neue Märkte Plus
1.327, 1.139, 1.286, 1.161... – mit diesen Indexständen glich der Trend am Neuen Markt in den vergangenen Wochen dem Auf und Ab einer Achterbahn. So nervenaufreibend die aktuelle Marktentwicklung ist, sie zeigt, dass der Neue Markt - im Gegensatz zu den Prophezeiungen vieler Marktteilnehmer - ganz und gar nicht tot ist.
Der Aufwärtstrend der letzten Monate war jedoch vorwiegend liquiditätsgetrieben und steht noch auf wackligen Beinen. Denn fundamental geändert hat sich (noch) nichts: Das Segment muss sich nach wie vor von den „Pleiten, Pech und Pannen“ der vergangenen 20 Monate erholen. Zur Verbesserung der Rahmenbedingungen trugen hier bereits die Deutsche Börse mit ihren verschärften Regelungen sowie auch der Gesetzgeber mit dem Entwurf des 4. Finanzmarktförderungsgesetzes bei. Der u.a. daraus resultierende Bereinigungsprozess - der für ein Wachstumssegment im übrigen völlig normal ist - dauert zur Zeit an.
Hier werden sich mittelfristig die Unternehmen durchsetzen, die sich durch nachvollziehbare Geschäftsmodelle, ein gutes Management sowie eine starke Marktstellung auszeichnen. Die konjunkturell bedingte Auftragszurückhaltung der letzten Monate für Unternehmen der „New Economy“ wurde durch die Terroranschläge in den USA noch verstärkt. Trotz der Gegenbewegung im 4. Quartal befinden sich die Kurse vieler Unternehmen am Neuen Markt auf einem attraktiven Bewertungsniveau.
Wie wird sich der Neue Markt im weiteren Jahresverlauf entwickeln? Das Konjunkturbild ist gegenwärtig weiterhin eingetrübt. In Deutschland ist der Konjunktureinbruch bislang noch nicht so stark ausgefallen wie in den USA. Zwar gibt es in Teilbereichen erste Stabilisierungstendenzen, mit einer grundlegenden Konjunkturwende ist jedoch erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 zu rechnen. Ob die USA nach zahlreichen Zinssenkungen zur Lokomotive der Weltwirtschaft avancieren können, dürfte sich bereits im 2. Quartal 2002 zeigen. Nach dem schwierigen Jahr 2001 sollte sich in 2002 wieder ein Aufwärtstrend in der krisengeschüttelten „New Economy“ durchsetzen. Neuentwicklungen und eine im Jahresverlauf wieder höhere Investitionsbereitschaft in zukunftsträchtige Techno-logien, wie z.B. Lasertechnologien, Smartcards oder Embedded Computer Technologie werden sich dabei positiv auswirken.
Unter Ertragsgesichtspunkten dürften die Unternehmen der „New Economy“ den schlimmsten Anpassungsdruck bereits hinter sich haben. Zwar sind weitere Insolvenzen in diesem Bereich wahrscheinlich, doch haben viele börsennotierte Unternehmen durch umfassende Bereinigungsmaßnahmen und eine stärkere Ertragsorientierung die Basis für eine mittelfristig erfolgreiche Unternehmenszukunft geschaffen. Viele Unternehmen haben im vergangenen Jahr ihre „Hausaufgaben“ gemacht: Fokussierung auf die Kernkompetenzen, Schaffung von sinnvollen Strukturen, straffes Kostenmanagement.
Der Ausleseprozess unter den Unternehmen wird sich im Jahr 2002 weiter fortsetzen. Die „guten“ Unternehmen werden gestärkt aus der Krise hervorgehen. Ein entscheidender Wettbewerbsfaktor wird die zügige Erlangung der „kritischen Unternehmensgröße“ werden. Vor diesem Hintergrund ist mit einem zunehmenden Konzentrationsprozess in vielen Bereichen zu rechnen.
Durch die hohen Kursverluste im Jahr 2001 besitzt der Neue Markt ein enormes Aufholpotenzial. Mit einem bereinigten durchschnittlichen KGV (2002) von rund 20 ist der Neue Markt für ein Wachstumssegment sehr attraktiv bewertet. Unter der Annahme, dass externe Störfaktoren - Eskalation im Nahen Osten bzw. im Kaschmir-Konflikt - ausbleiben, rechnen wir mit einem Indexstand Ende 2002 von rund 1.700 Punkten (NEMAX 50-Index). Im Jahresverlauf ist jedoch mit starken Kursschwankungen zu rechnen, die nichts für schwache Nerven sein werden. Beispielsweise könnten temporäre Kurskorrekturen im 1.Quartal 2002 von den anstehenden Jahresberichten der Unternehmen ausgehen.
Insgesamt ist der Neue Markt auch in Zukunft eine attraktive und chancenreiche Beimischung im Aktiendepot eines risikobewussten Investors.