Heimliche Großverdiener

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Heimliche Großverdiener

 
22.06.03 21:14
Die Empörung über die Millionenbezüge von Bankvorständen ist gewaltig. Dabei streichen einige ihrer Angestellten noch viel mehr ein
Sebastian Wolff

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Johannes Rau hat ein feines Gespür dafür, zu erkennen, was sein Volk bewegt und erregt. Vergangene Woche entdeckte der Bundespräsident das Reizthema Manager-Gehälter: "Die Spanne zwischen dem Einkommen eines Facharbeiters und des Managers muss geringer werden", forderte Rau - und konnte sich einer breiten Zustimmung sicher sein. Denn Normalverdiener, die in Zeiten wie diesen das Gefühl haben, dass sie den Gürtel immer enger schnallen müssen, fühlen sich angesichts der Millionengehälter in den Chefetagen der großen deutschen Konzerne regelrecht verschaukelt.
Weil sich immer mehr Unternehmen neuerdings um größere Transparenz bei den Vorstandsgehältern bemühen, kann nun jedermann schwarz auf weiß im Geschäftsbericht nachlesen, wie viel die Bosse einstreichen: So verdiente beispielsweise der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, im vergangenen Jahr 6,95 Millionen Euro - und gilt nun Land auf, Land ab als die personifizierte Raffgier.

Zweistellige Millionensummen

Dabei ist Ackermann im eigenen Hause mit seinen knapp sieben Millionen Euro Jahresgehalt längst nicht der Top-Verdiener: Insidern zufolge beschäftigt das Geldhaus noch immer dutzende Mitarbeiter, die mehr oder sogar ein Vielfaches der Summe einstreichen, die der oberste Chef bezieht. Und das trotz drastischen Gewinnrückgangs und jahrelanger Talfahrt des Aktienkurses des deutschen Branchenprimus. Die Super-Verdiener der Bank sitzen nicht wie Ackermann in Frankfurt am Main, sondern in London oder in New York. Sie arbeiten im Bereich Investment-Banking, wo bis vor wenigen Jahren noch das ganz große Rad mit Firmen-Deals gedreht wurde. Damals warf der Geschäftsbereich Erlöse in Milliardenhöhe ab und war maßgeblich für den Konzerngewinn verantwortlich. Der größte Star unter den Investmentbankern des deutschen Branchenprimus, Frank Quattrone, ließ sich dafür fürstlich entlohnen. Er strich Schätzungen zufolge bis zu 100 Millionen Euro im Jahr ein. Als er 1998 von Crédit Suisse First Boston abgeworben wurde und gleich 70 Mitarbeiter mitnahm, wurde dieser personelle Aderlass bei der Deutschen Bank als Riesenverlust angesehen.

Nach dem Ende des Börsenbooms vor gut drei Jahren brach allerdings auch das Geschäft mit Fusionen und Firmenübernahmen - die Kernaktivitäten des Investment-Bankings - ein. Doch noch immer kassieren die bestbezahlten Mitarbeiter des Bereichs zweistellige Millionensummen im Jahr - dank Arbeitsverträgen, die sie noch zu Boomzeiten geschickt ausgehandelt hatten. "Auf Ackermann", so ein Beobachter, "blicken die nur mitleidig herab." Schließlich bleiben dem Konzernchef nach Abzug aller Steuern nur gut drei Millionen Euro netto übrig. Die Londoner und New Yorker Großverdiener dagegen profitieren auch noch von den wesentlich niedrigeren Steuersätzen in Großbritannien und den USA - und lassen die Einkommensschere so faktisch noch wachsen.

Noch gewaltiger sind die Einkommensrelationen beim Konkurrenten Commerzbank: Während sich Konzernchef Klaus-Peter Müller im vergangenen Jahr mit vergleichsweise bescheidenen 1,23 Millionen Euro brutto begnügen musste, verdienen bei der Nummer drei unter Deutschlands unabhängigen Großbanken einige Geld-Manager locker das Fünf- oder Sechsfache. Der Aufsichtsratschef und frühere Vorstandssprecher des Instituts, Martin Kohlhaussen, hält das durchaus für gerechtfertigt. "Wenn diese Leute hervorragende Arbeit leisten", so Kohlhaussen, "dann dürfen die auch mehr verdienen, als wir damals oder als die Vorstände heute." Den Einwand, das Investment-Banking liege doch ziemlich darnieder, lässt er nicht gelten. "Man darf dieses Geschäftsfeld nicht als Einheit sehen, sondern nur immer in Verbindung mit dem Firmenkundengeschäft." Und in dieser Kombination sei das Investment-Banking durchaus wettbewerbsfähig. Ohnehin, so Kohlhaussen, betrachte die Commerzbank das Investment-Banking nur als Teil des Geschäfts: "Wir sind nicht so abhängig davon, wie einige große Konkurrenten", so der Commerzbank-Aufsichtsratschef.

Aktionärsschützer beurteilen das Missverhältnis zwischen den Ertragsproblemen und den üppigen Gehältern im Investment-Banking kritischer: "Solange die Leute das für die Banken wieder hereinholen, was sie verdienen, sind solch hohe Gehälter ja noch nachvollziehbar", sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Es dränge sich aber der Verdacht auf, dass die hoch dotierten Verträge aus den Boomzeiten die Folge von groben Fehleinschätzungen seitens der Banken waren. "Wenn dies zutrifft, dann wirkt sich das heute natürlich zu Lasten der Aktionäre aus."

Nachteil für Standort Frankfurt

Doch die wahren Probleme liegen noch tiefer. Denn die Geldhäuser müssen ihren Investment-Stars im Ausland auch deshalb so hohe Gehälter bezahlen, weil das international üblich ist und die besten Leute sonst zur Konkurrenz abwandern würden. "Solange die Bezüge in den USA nicht auf ein normales Maß sinken, müssen wir uns danach richten", räumt Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Rolf Breuer ein. Und Vorstandschef Ackermann ergänzt: "Im Investment-Banking sind wir immer noch auf angelsächsische Fachleute angewiesen, die weltweit umworben werden."

Der Finanzstandort Frankfurt gerät dadurch immer stärker ins Hintertreffen. Denn zu dem niedrigeren Gehaltsniveau und der höheren Steuerbelastung kommt nun noch die - auch wegen der Wortmeldung des Bundespräsidenten - sich verstärkende Neid-Debatte um die hohen Manager-Gehälter: "Von den Top-Leuten will doch kaum jemand mehr hierher", sagt der Insider schon fast resignierend. Und das werde sich erst dann wirklich negativ bemerkbar machen, wenn das Geschäft wieder anzieht.
 

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