Kommentar: zurück zur Realität
Von Peter Merk, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg
Von Jean-Paul Sartre stammt der berühmte 68er-Satz: „Seid Realisten, fordert das Unmögliche!“ Sartre war bekanntlich kein Börsianer. Wenn aber bekannte Börsianer noch vor einem Jahr gemeint haben, an der Börse komme es mehr auf Phantasie als auf Fakten an, dann wissen wir inzwischen, wohin das führt. Kursabwärts, zurück in die Realität.
Übertreibungen in beide Richtungen gibt es nicht nur am Neuen Markt. Auch Dollar und Dax sind nicht frei davon. Nach allen einschlägigen Wechselkurstheorien war (und ist) der Euro gegenüber dem Dollar unterbewertet. Bis jetzt galt der schwache Euro zu Recht als Belastung für den europäischen Aktienmarkt. Jetzt soll der stärkere Euro, der zudem weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank wahrscheinlicher macht, ebenfalls eine Belastung darstellen. Daraus lässt sich aus Erfahrung nur schließen: Wenn die Argumente absurd werden, ist die Wende zum Besseren nahe. Noch mehr aber gilt: Wenn die konjunkturellen Frühindikatoren steigen, ist es Zeit, am Aktienmarkt allmählich einzusteigen. Es ist jedes Mal das Gleiche. Viele glauben angesichts schlechter Ist-Daten und negativer Firmenmeldungen nicht, dass niedrigere Zinsen ihre Wirkung entfalten. Zusätzlich drückt bei vielen der Blick ins eigene Depot die Stimmung. Hier hilft nur eins: Raus mit den Titeln, die zu reinen Hoffnungswerten geworden sind, um den Blick wieder frei zu bekommen für die sich jetzt bietenden realistischen Chancen.
Die größte Wegstrecke zurück zur Realität musste der Aktienmarkt gehen. Gemessen an den großen europäischen Indizes wurde die Kursübertreibung seit 1999 inzwischen aber vollständig korrigiert. Bedenkt man überdies, dass der Dax allein durch die Hausse der Mannesmann-Aktie im Zuge der Übernahme durch Vodafone etwa 500 Punkte gewonnen hat, die ihm nach dem anschließenden Ausscheiden der Mannesmann AG aus dem Index mathematisch betrachtet keiner mehr nehmen kann, notiert er im „wahren“ Vergleich nicht bei 5 300, sondern unter 5 000 Punkten. Wir befinden uns bei den Blue Chips wieder auf dem Boden der Tatsachen. Für viele Titel am Neuen Markt und an der Nasdaq gilt allerdings: Wenn die Gewinne noch stärker fallen als die Kurse, verschärft sich eine bereits vorhandene Überbewertung. Dies gilt zumal dann, wenn eine substanzielle Bilanzauszehrung hinzu kommt.
Rückkehr zur Realität heißt daher auch, zurückzukommen zu Bewertungskennziffern wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Dividendenrendite, Buchwert je Aktie und zu realistischen Renditeerwartungen. Die im Schnitt erzielbare Aktienrendite liegt nun einmal nicht bei 100 % in zwei Monaten, sondern bei 11 % in einem Jahr. Das ist immerhin mehr als das Doppelte dessen, was der Rentenmarkt bietet.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 30. August 2001
Von Peter Merk, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg
Von Jean-Paul Sartre stammt der berühmte 68er-Satz: „Seid Realisten, fordert das Unmögliche!“ Sartre war bekanntlich kein Börsianer. Wenn aber bekannte Börsianer noch vor einem Jahr gemeint haben, an der Börse komme es mehr auf Phantasie als auf Fakten an, dann wissen wir inzwischen, wohin das führt. Kursabwärts, zurück in die Realität.
Übertreibungen in beide Richtungen gibt es nicht nur am Neuen Markt. Auch Dollar und Dax sind nicht frei davon. Nach allen einschlägigen Wechselkurstheorien war (und ist) der Euro gegenüber dem Dollar unterbewertet. Bis jetzt galt der schwache Euro zu Recht als Belastung für den europäischen Aktienmarkt. Jetzt soll der stärkere Euro, der zudem weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank wahrscheinlicher macht, ebenfalls eine Belastung darstellen. Daraus lässt sich aus Erfahrung nur schließen: Wenn die Argumente absurd werden, ist die Wende zum Besseren nahe. Noch mehr aber gilt: Wenn die konjunkturellen Frühindikatoren steigen, ist es Zeit, am Aktienmarkt allmählich einzusteigen. Es ist jedes Mal das Gleiche. Viele glauben angesichts schlechter Ist-Daten und negativer Firmenmeldungen nicht, dass niedrigere Zinsen ihre Wirkung entfalten. Zusätzlich drückt bei vielen der Blick ins eigene Depot die Stimmung. Hier hilft nur eins: Raus mit den Titeln, die zu reinen Hoffnungswerten geworden sind, um den Blick wieder frei zu bekommen für die sich jetzt bietenden realistischen Chancen.
Die größte Wegstrecke zurück zur Realität musste der Aktienmarkt gehen. Gemessen an den großen europäischen Indizes wurde die Kursübertreibung seit 1999 inzwischen aber vollständig korrigiert. Bedenkt man überdies, dass der Dax allein durch die Hausse der Mannesmann-Aktie im Zuge der Übernahme durch Vodafone etwa 500 Punkte gewonnen hat, die ihm nach dem anschließenden Ausscheiden der Mannesmann AG aus dem Index mathematisch betrachtet keiner mehr nehmen kann, notiert er im „wahren“ Vergleich nicht bei 5 300, sondern unter 5 000 Punkten. Wir befinden uns bei den Blue Chips wieder auf dem Boden der Tatsachen. Für viele Titel am Neuen Markt und an der Nasdaq gilt allerdings: Wenn die Gewinne noch stärker fallen als die Kurse, verschärft sich eine bereits vorhandene Überbewertung. Dies gilt zumal dann, wenn eine substanzielle Bilanzauszehrung hinzu kommt.
Rückkehr zur Realität heißt daher auch, zurückzukommen zu Bewertungskennziffern wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Dividendenrendite, Buchwert je Aktie und zu realistischen Renditeerwartungen. Die im Schnitt erzielbare Aktienrendite liegt nun einmal nicht bei 100 % in zwei Monaten, sondern bei 11 % in einem Jahr. Das ist immerhin mehr als das Doppelte dessen, was der Rentenmarkt bietet.
HANDELSBLATT, Donnerstag, 30. August 2001