Branche für Multimediaanwendungen konsolidiert sich
Das Handydisplay wird zur Plattform für Werbung
Von RALF SPILLER
55 000 Küsse verschickte das kleine Internetunternehmen 12snap innerhalb von fünf Tagen an ausgewählte Handybesitzer. Gesponsert waren die fast 20 Sekunden langen Schmatzer in Form einer Voice-Mail vom Haar-Kosmetikhersteller Wella, der damit eine neue Produktlinie bewarb.
HB DÜSSELDORF. Die Kampagne, die noch weitere Elemente wie ein Quiz und ein Handylogo enthielt, erreichte 750 000 Handynutzer. Stefan Maasen, Produktmanager bei Wella, will in Zukunft derartige Marketing-Aktionen wiederholen. Der Kosmetikhersteller folgt damit einem Trend: Unternehmen nutzen das Handy, um Kunden direkt anzusprechen. Da inzwischen über 60 % der Deutschen ein Mobiltelefon besitzen und sie täglich Millionen von Kurznachrichten austauschen, wird das kleine Handydisplay immer häufiger zur Werbeplattform.
Werbung auf dem Handy hat Potenzial
„Mobile Marketing gewinnt zunehmend Aufmerksamkeit bei Unternehmen, Werbeagenturen, Netzwerkbetreibern und Konsumenten", sagt Allison Webb von der Unternehmensberatung Frost & Sullivan. Sie hat eine Studie zu Mobile Marketing in West-Europa durchgeführt und prognostiziert ein hohes Wachstum für Werbung auf dem Handy. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Berlecon Research wird das Marktvolumen für Mobile Marketing im Jahr 2003 rund 456 Mill. Euro betragen. Diese Größenordnung entspreche etwa 2 % der gegenwärtigen Unternehmensausgaben für Direkt-Marketing und immerhin 38 % der Ausgaben für E-Mail-Marketing.
Markt in Deutschland hat sich konsolidiert
In Deutschland hat sich der Markt der Anbieter von Mobile Marketing konsolidiert. Waren Anfang 2001 noch zahlreiche Start-ups mit dem Thema beschäftigt, so dominieren mittlerweile vier Anbieter die Szene: Mindmatics, 12snap und Apollis Interactive aus München sowie Yoc aus Berlin. „Von dieser Entwicklung profitieren in erster Linie die klassischen Werbeagenturen. Zahlungsunfähige Dienstleister werden von großen Agenturen aufgekauft und integriert", sagt Rainer Wiedmann, Präsident vom Deutschen Multimedia Verband.
Ausreichend Kundenprofile müssen vorliegen
Das Geschäft mit der Werbung auf dem Handy stellt besondere Anforderungen: „Man muss ausreichend Kundenprofile besitzen. Sonst ist man für die werbetreibende Wirtschaft nicht interessant. Viele Start-ups konnten diese Hürde nicht nehmen", erklärt Ingo Lippert, Geschäftsführer von Mindmatics. Alle vier genannten Unternehmen können mittlerweile auf über eine Million Kundenprofile zurückgreifen. Wichtig dabei: Alle Handybenutzer haben vorher zugestimmt, Werbung per SMS zu erhalten. Entweder sie haben sich auf einer Homepage mit ihren Kundendaten angemeldet oder sie riefen eine bestimmte Nummer an und erklärten sich so bereit, Werbung zu empfangen. Als Gegenzug können sie an Gewinnspielen teilnehmen oder erhalten Gutscheine, Rabatte oder bestimmte Informationen.
Bei einer Kampagne werden meist mehrere Werbeformen mit einander verbunden. Oft verweisen TV-Spots oder Printanzeigen auf eine Telefonnummer, bei deren Anruf man Teil einer Kampagne wird. Auf diese Weise verschickte die Firma Mindmatics Tausende von Gedichten zum Valentinstag. Bei Anruf konnte man zwischen fünf Gedichten auswählen und eines einer befreundeten Person schicken. Gesponsert war die Aktion vom Kosmetikhersteller L’Oréal.
Geringe Streuverluste und große Resonanz beim Kunden
Dirk Kraus, Vorstand bei Yoc, sieht den Vorteil von Mobile Marketing in den geringen Streuverlusten und der starken Resonanz beim Kunden. Zwar seien die Kampagnen ein wenig teurer als klassische Formen der Werbung, aber deutlich preiswerter als andere Direktmarketingformen. Außerdem sei die Kundenresonanz um ein Vielfaches höher. Die Preissteigerungen für den Versand von SMS von bis zu 200 % im letzten Jahr seien zwar schwer zu verdauen gewesen, aber sie hätten auch dazu geführt, dass unseriöse Anbieter mit lästigen Massen-Kurznachrichten verschwunden sind.
Ältere Menschen werden kaum erreicht
Kaum möglich ist es für die Werber, ältere Menschen mit ihren Werbebotschaften zu erreichen. Denn der spielerische Umgang mit dem Handy wird vor allem von den 16 bis 35jährigen gepflegt. „Ein weiteres Manko ist, dass SMS-Kampagnen nicht über einen langen Zeitraum laufen können, sondern immer zeitlich begrenzte Aktionen sind", sagt Roberto Blickhan, Chef von Apollis Interactive. Doch er ist sich sicher, dass sich das Marketing übers Handy langfristig neben anderen Werbeformen etablieren wird.
HANDELSBLATT, Dienstag, 21. Mai 2002,