Was ist von den gestrigen Zahlen zu halten?
Hans Bernecker: Was ist von den gestrigen Zahlen zu halten?
Mails/Nachrichten vom 01.08.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
jetzt wissen wir, warum die Märkte gefallen waren. Die US Konjunkturzahl für das 2. Quartal hat auch mich überrascht, und macht vieles deutlicher. 1,1 % Wachstum ist niedriger als das, was generell diskutiert wurde. Gehandelt wurden 2,5 bis 3 %. Die erneute Revision der Zahlen für das erste Quartal auf 5 % halte ich für weniger gravierend. Es bleibt also bei der Erkenntnis, daß die US-Konjunktur in den ersten 6 Monaten im Durchschnitt um 3 % wuchs. Soweit so gut.
Ich halte die Zahl von gestern nicht für besorgniserregend aber für interessant. An meiner Einschätzung der Tendenz der US-Konjunktur und dem Verlauf der Zinsen ändert sie nichts. Sie ist aber die erste griffige Zahl, die zum Verfall der Märkte in den letzten 4 Monaten paßt. Zwar nicht im Ausmaß, aber im Trend. Der Markt hat, wenn auch aus meiner Sicht stark übertrieben, eine deutlichere Abkühlung des Wachstums im 2. Quartal vorweggenommen als es den Schätzungen entsprach. Damit hatte er recht. Insofern wird das Bild von Märkten und wirtschaftlicher Entwicklung etwas stimmiger. Damit bin ich nicht unzufrieden. Denn:
Das Wachstum im ersten Quartal in Höhe von nun nach unten revidierten 5 % muß wie ein konjunktureller Frühstart gewertet werden. Deswegen aber kein Fehlstart, mit anschließendem Abrutschen in eine erneute Rezession. Klar war, daß in dieser Zahl hohe Einmaleffekte wegen der Lageraufstockung enthalten waren. Offen war, wie das 2. Quartal ohne Sondereffekte daran anschließen würde. Die Märkte waren skeptischer als die Analysten und hatten damit recht. Das erklärt auch, warum die Märkte bislang nicht, wie sonst in einer US-Rezession, die Erholung der Konjunktur etwa 6 Monate im voraus vorwegnahmen. Dort befinden wir uns nun:
Ich bezweifele, daß die US-Märkte sich von diesem Niveau aus große Gedanken über ein weiteres schwächeres Wachstum machen werden. Diese 1,1 % sind zwar nicht toll, aber ehrlicher als die 6,1 bzw. nun 5,0 % für das erste Quartal. Der Markt kann auf diese Zahl bauen. Deswegen kam er mit dieser Zahl verhältnismäßig gut klar. Von seinem jetzigem Niveau aus kann er wirklich eine konjunkturelle Erholung vorwegnehmen, und genau das wird er tun. Hinzu kommt:
Zunächst einmal wird die Fed die Zinsen bis auf weiteres unten lassen. Den Spielraum, sie weiter zu senken, hat sie und wird ihn sicherlich auch nutzen, falls sie Bedarf sieht. Das ist aber nicht das große Thema.
All dies ändert nichts an den gravierenden Unterbewertungen der Unternehmen. Ziehen Sie nicht fälschlicherweise den Schluß aus den Konjunkturzahlen, daß die Gewinndynamik der amerikanischen Unternehmen sich deswegen deutlich verschlechtern wird. Der Markt startet von einem niedrigen Bewertungsniveau und kann sich nun im Einklang der Konjunkturzahlen entwickeln. Dies ist ein sehr stimmiges Bild.
Die Europäer hängen natürlich an den Vorgaben aus den USA. Die Deutschen wurden gestern schon mal wieder schwächer, kommen aber nicht wirklich unter Druck. Mit einem Schmunzeln habe ich die Zahlen der Allianz zur Kenntnis genommen. Deren Vorstand wie auch der Vorstand der übernommenen Dresdner Bank rannte in den letzten Monaten von Zeitung zu Zeitung, um in Interviews zu bekräftigen, wie richtig die Übernahme der Dresdner Bank war. Die Zahlen von gestern für das II. Quartal sprechen eine deutlichere Sprache. 350 Mio E. Verlust im II. Quartal kann die Allianz natürlich locker verkraften, es ist aber dennoch eine Ohrfeige. Wie schon die nun herabgesetzte Gewinnschätzung für 2002 auf unter 3 Mrd E. bei der Allianz zeigt, hat sich die Gewinnqualität der Versicherung durch die Übernahme deutlich verschlechtert. Der Deal war nun einmal ein Fehler. Das sehen innerhalb der Allianz viele so, und es ist nicht einzusehen, wie die Belastung der Dresdner Bank in den kommenden Quartalen abnehmen wird. Insofern stimmt mit Vorlage der Zahlen auch hier die Kursentwicklung der Aktie mit den genannten Fakten zumindest in der Tendenz überein. Es ist richtig, daß die Allianz einen Bewertungsabschlag nach der Übernahme der Dresdner Bank erhält. Über die Höhe kann man streiten. Ich meine, 137 E. oder im Tief sogar 130 E. für 2 Wochen sind schlichtweg zu viel. Mithin bleibt die Allianz, wie übrigens auch die Münch. Rück, ein Kauf. Aber das Bewertungspotential nach oben ist eingeschränkt. Kurse von über 400 E. wird es hier auf Jahre hin nicht geben. 280/300 E. ist bei der Allianz der „Gipfel des Möglichen“. Es sei denn, die Gewinnqualität der Dresdner Bank verbessert sich dramatisch, was nicht abzusehen ist. Die Münch. Rück sieht wesentlich besser aus. Sie muß die Beteiligung an der Hypovereinsbank nicht voll konsolidieren, hat sich entsprechend geringer in das Risiko eingekauft. Für das zweite Quartal wird man etwas weniger als 700 Mio E. Gewinn melden. Hier ist die Unterbewertung noch gravierender als bei der Allianz. Mithin ist das Bewertungspotential nach oben höher.
Fazit für heute: Die Märkte haben doch immer recht. Jedenfalls in der Tendenz ihrer Entwicklung. Leider neigen sie dazu, immer wieder zu überreagieren. Gemäß der nun genannten Zahlen hätten 10/15 % Kursabschlag gegenüber den Kursen vom März gereicht. Daß daraus 30 % wurden, verdeutlicht die Neigung der Märkte, zu übertreiben. Mit der Ausgangslage kann man aber sehr gut leben. Die Erwartungen sind unten und die Kurse liegen noch niedrig. Es bleibt bei dem skizzierten Erholungspotential. Bis Anfang Oktober müssen wir an die Bandbreite der März/April-Kurse wieder heran. Zögern Sie nicht. Partizipieren Sie an der Rally.
Mit freundlichen Grüßen
Hans A. Bernecker
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Hans Bernecker: Was ist von den gestrigen Zahlen zu halten?
Mails/Nachrichten vom 01.08.2002, Bernecker & Cie.
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Guten Morgen, meine Damen und Herren,
jetzt wissen wir, warum die Märkte gefallen waren. Die US Konjunkturzahl für das 2. Quartal hat auch mich überrascht, und macht vieles deutlicher. 1,1 % Wachstum ist niedriger als das, was generell diskutiert wurde. Gehandelt wurden 2,5 bis 3 %. Die erneute Revision der Zahlen für das erste Quartal auf 5 % halte ich für weniger gravierend. Es bleibt also bei der Erkenntnis, daß die US-Konjunktur in den ersten 6 Monaten im Durchschnitt um 3 % wuchs. Soweit so gut.
Ich halte die Zahl von gestern nicht für besorgniserregend aber für interessant. An meiner Einschätzung der Tendenz der US-Konjunktur und dem Verlauf der Zinsen ändert sie nichts. Sie ist aber die erste griffige Zahl, die zum Verfall der Märkte in den letzten 4 Monaten paßt. Zwar nicht im Ausmaß, aber im Trend. Der Markt hat, wenn auch aus meiner Sicht stark übertrieben, eine deutlichere Abkühlung des Wachstums im 2. Quartal vorweggenommen als es den Schätzungen entsprach. Damit hatte er recht. Insofern wird das Bild von Märkten und wirtschaftlicher Entwicklung etwas stimmiger. Damit bin ich nicht unzufrieden. Denn:
Das Wachstum im ersten Quartal in Höhe von nun nach unten revidierten 5 % muß wie ein konjunktureller Frühstart gewertet werden. Deswegen aber kein Fehlstart, mit anschließendem Abrutschen in eine erneute Rezession. Klar war, daß in dieser Zahl hohe Einmaleffekte wegen der Lageraufstockung enthalten waren. Offen war, wie das 2. Quartal ohne Sondereffekte daran anschließen würde. Die Märkte waren skeptischer als die Analysten und hatten damit recht. Das erklärt auch, warum die Märkte bislang nicht, wie sonst in einer US-Rezession, die Erholung der Konjunktur etwa 6 Monate im voraus vorwegnahmen. Dort befinden wir uns nun:
Ich bezweifele, daß die US-Märkte sich von diesem Niveau aus große Gedanken über ein weiteres schwächeres Wachstum machen werden. Diese 1,1 % sind zwar nicht toll, aber ehrlicher als die 6,1 bzw. nun 5,0 % für das erste Quartal. Der Markt kann auf diese Zahl bauen. Deswegen kam er mit dieser Zahl verhältnismäßig gut klar. Von seinem jetzigem Niveau aus kann er wirklich eine konjunkturelle Erholung vorwegnehmen, und genau das wird er tun. Hinzu kommt:
Zunächst einmal wird die Fed die Zinsen bis auf weiteres unten lassen. Den Spielraum, sie weiter zu senken, hat sie und wird ihn sicherlich auch nutzen, falls sie Bedarf sieht. Das ist aber nicht das große Thema.
All dies ändert nichts an den gravierenden Unterbewertungen der Unternehmen. Ziehen Sie nicht fälschlicherweise den Schluß aus den Konjunkturzahlen, daß die Gewinndynamik der amerikanischen Unternehmen sich deswegen deutlich verschlechtern wird. Der Markt startet von einem niedrigen Bewertungsniveau und kann sich nun im Einklang der Konjunkturzahlen entwickeln. Dies ist ein sehr stimmiges Bild.
Die Europäer hängen natürlich an den Vorgaben aus den USA. Die Deutschen wurden gestern schon mal wieder schwächer, kommen aber nicht wirklich unter Druck. Mit einem Schmunzeln habe ich die Zahlen der Allianz zur Kenntnis genommen. Deren Vorstand wie auch der Vorstand der übernommenen Dresdner Bank rannte in den letzten Monaten von Zeitung zu Zeitung, um in Interviews zu bekräftigen, wie richtig die Übernahme der Dresdner Bank war. Die Zahlen von gestern für das II. Quartal sprechen eine deutlichere Sprache. 350 Mio E. Verlust im II. Quartal kann die Allianz natürlich locker verkraften, es ist aber dennoch eine Ohrfeige. Wie schon die nun herabgesetzte Gewinnschätzung für 2002 auf unter 3 Mrd E. bei der Allianz zeigt, hat sich die Gewinnqualität der Versicherung durch die Übernahme deutlich verschlechtert. Der Deal war nun einmal ein Fehler. Das sehen innerhalb der Allianz viele so, und es ist nicht einzusehen, wie die Belastung der Dresdner Bank in den kommenden Quartalen abnehmen wird. Insofern stimmt mit Vorlage der Zahlen auch hier die Kursentwicklung der Aktie mit den genannten Fakten zumindest in der Tendenz überein. Es ist richtig, daß die Allianz einen Bewertungsabschlag nach der Übernahme der Dresdner Bank erhält. Über die Höhe kann man streiten. Ich meine, 137 E. oder im Tief sogar 130 E. für 2 Wochen sind schlichtweg zu viel. Mithin bleibt die Allianz, wie übrigens auch die Münch. Rück, ein Kauf. Aber das Bewertungspotential nach oben ist eingeschränkt. Kurse von über 400 E. wird es hier auf Jahre hin nicht geben. 280/300 E. ist bei der Allianz der „Gipfel des Möglichen“. Es sei denn, die Gewinnqualität der Dresdner Bank verbessert sich dramatisch, was nicht abzusehen ist. Die Münch. Rück sieht wesentlich besser aus. Sie muß die Beteiligung an der Hypovereinsbank nicht voll konsolidieren, hat sich entsprechend geringer in das Risiko eingekauft. Für das zweite Quartal wird man etwas weniger als 700 Mio E. Gewinn melden. Hier ist die Unterbewertung noch gravierender als bei der Allianz. Mithin ist das Bewertungspotential nach oben höher.
Fazit für heute: Die Märkte haben doch immer recht. Jedenfalls in der Tendenz ihrer Entwicklung. Leider neigen sie dazu, immer wieder zu überreagieren. Gemäß der nun genannten Zahlen hätten 10/15 % Kursabschlag gegenüber den Kursen vom März gereicht. Daß daraus 30 % wurden, verdeutlicht die Neigung der Märkte, zu übertreiben. Mit der Ausgangslage kann man aber sehr gut leben. Die Erwartungen sind unten und die Kurse liegen noch niedrig. Es bleibt bei dem skizzierten Erholungspotential. Bis Anfang Oktober müssen wir an die Bandbreite der März/April-Kurse wieder heran. Zögern Sie nicht. Partizipieren Sie an der Rally.
Mit freundlichen Grüßen
Hans A. Bernecker
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