Gelungene Überraschungen
Zur Halbzeit der US-Berichtssaison steht fest: Die Gewinne steigen kräftig. Werden die ausstehenden Zahlen auch die Hoffnung auf wachsende Umsätze bestätigen?
von Frank Stocker
Wie Kamellen zu Karneval prasseln die Quartalsergebnisse der amerikanischen Unternehmen derzeit auf die Finanzmärkte ein. Und den meisten Anlegern schmecken sie auch genauso süß. Yahoo, Bank of America, Intel - gleich reihenweise übertreffen sie die Prognosen der Analysten. Diese hatten immerhin schon eine Gewinnsteigerung um durchschnittlich 16 Prozent erwartet.
Doch wenn man die bunte Verpackung löst, dann scheint das Bonbon nur noch halb so gut. "Was derzeit wirklich interessiert, sind weniger die aktuellen Gewinne als vielmehr der Ausblick auf das vierte Quartal und die Frage, wie sich die Umsätze entwickeln", sagt Gérard Piasko, Chief Investment Officer bei Julius Bär in Zürich.
Die Unternehmen haben durch drastische Einsparungen die Kosten deutlich gesenkt und damit ihre Gewinne wieder gesteigert. Doch für die zukünftige Entwicklung ist entscheidend, ob auch die Umätze wieder anziehen. "Hier gibt es noch keine Entwarnung, trotz positiver Ausblicke in einzelnen Bereichen", sagt Olaf Conrad, Portfoliomanager bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. Beispielhaft ist die Bilanz von IBM. Zwar war der Gewinn deutlich gestiegen, Konzernchef Samuel Palmisano äußerte sich zu den weiteren Aussichten jedoch sehr zurückhaltend.
In den nächsten Tagen werden weitere 150 Unternehmen aus dem marktbreiten amerikanischen S&P500-Index ihre Zahlen präsentieren. Darunter sind viele Giganten, wie Microsoft, TimeWarner, Cisco oder McDonald's. "Der Markt wird in der kommenden Woche sehr genau beobachten, ob sich bei den Ausblicken für das vierte Quartal etwas verbessert", so Piasko. Sollten die Unternehmen dann deutlich optimistischer in die Zukunft blicken als IBM, rechnet Piasko mit weiteren Kurssteigerungen. Andernfalls könne sich jedoch die Überzeugung durchsetzen, dass die Ergebnissteigerungen schon in den Kursen enthalten seien. Gewinnmitnahmen wären die Folge.
Während die Berichtssaison in den USA damit schon ihren Höhepunkt überschreitet, fängt sie in Europa erst an. Zwar hat SAP bereits eine überraschend gute Vorlage geliefert. Und die Analysten gehen sogar von einem Gewinnwachstum der europäischen Unternehmen um durchschnittlich 20 bis 25 Prozent aus. Davon sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. "SAP ist eines der deutschen Vorzeigeunternehmen und damit eine Ausnahmeerscheinung", sagt Fondsmanager Conrad. Und die Gewinne der übrigen Dax-Unternehmen steigen von einem viel niedrigeren Niveau als in den USA.
Eine weitere Belastung für die Europäer ist der schwache Dollar. "Dieses Thema wird uns durch die ganze Berichtssaison in Deutschland und Europa begleiten", glaubt Conrad. Während die Währungsturbulenzen bei den US-Unternehmen die Gewinne um rund zwei bis drei Prozent erhöht haben dürften, werden die Ergebnisse der europäischen Konkurrenten dadurch um rund das Doppelte geschmälert.
Doch selbst wenn in den kommenden Wochen noch einige Unternehmen die Börsen mit praller Zuversicht beglücken, ist das noch kein Grund, nun alles auf Aktien zu setzen. "Für weitere Kurssteigerungen bedarf es zum einen einer Unterstützung durch gute Konjunkturdaten und zum anderen neuer Jobs", sagt Olaf Conrad. "Denn ohne neue Arbeitsplätze fehlt die Endnachfrage, und dann könnte die gegenwärtige Hausse nur ein Zwischenhoch gewesen sein", glaubt er.
Auch Piasko warnt vor überbordendem Optimismus. Denn die Finanzmärkte nehmen die wirtschaftlichen Entwicklungen stets rund sechs Monate vorweg. "Genau in sechs Monaten, im Frühjahr 2004, wird jedoch die Konjunkturstimulierung in den USA durch die Steuersenkungen ihren Höhepunkt erreicht haben", erklärt Julius-Bär-Stratege Piasko. Was danach kommt, ist noch völlig unklar. Ein Szenario geht von einem weiterhin schwachen Dollar aus. Er könnte zu langfristig steigenden Zinsen führen, die wiederum der Konjunktur einen Dämpfer verpassen würden.
Trotz der verführerischen Zahlen, die die Unternehmen derzeit unters Volk streuen, sollten Anleger daher ihren Heißhunger auf Aktiengewinne bändigen. Denn so mancher hat sich schon an allzu süßen Bonbons verschluckt.
Welt.de
Zur Halbzeit der US-Berichtssaison steht fest: Die Gewinne steigen kräftig. Werden die ausstehenden Zahlen auch die Hoffnung auf wachsende Umsätze bestätigen?
von Frank Stocker
Wie Kamellen zu Karneval prasseln die Quartalsergebnisse der amerikanischen Unternehmen derzeit auf die Finanzmärkte ein. Und den meisten Anlegern schmecken sie auch genauso süß. Yahoo, Bank of America, Intel - gleich reihenweise übertreffen sie die Prognosen der Analysten. Diese hatten immerhin schon eine Gewinnsteigerung um durchschnittlich 16 Prozent erwartet.
Doch wenn man die bunte Verpackung löst, dann scheint das Bonbon nur noch halb so gut. "Was derzeit wirklich interessiert, sind weniger die aktuellen Gewinne als vielmehr der Ausblick auf das vierte Quartal und die Frage, wie sich die Umsätze entwickeln", sagt Gérard Piasko, Chief Investment Officer bei Julius Bär in Zürich.
Die Unternehmen haben durch drastische Einsparungen die Kosten deutlich gesenkt und damit ihre Gewinne wieder gesteigert. Doch für die zukünftige Entwicklung ist entscheidend, ob auch die Umätze wieder anziehen. "Hier gibt es noch keine Entwarnung, trotz positiver Ausblicke in einzelnen Bereichen", sagt Olaf Conrad, Portfoliomanager bei HSBC Trinkaus & Burkhardt. Beispielhaft ist die Bilanz von IBM. Zwar war der Gewinn deutlich gestiegen, Konzernchef Samuel Palmisano äußerte sich zu den weiteren Aussichten jedoch sehr zurückhaltend.
In den nächsten Tagen werden weitere 150 Unternehmen aus dem marktbreiten amerikanischen S&P500-Index ihre Zahlen präsentieren. Darunter sind viele Giganten, wie Microsoft, TimeWarner, Cisco oder McDonald's. "Der Markt wird in der kommenden Woche sehr genau beobachten, ob sich bei den Ausblicken für das vierte Quartal etwas verbessert", so Piasko. Sollten die Unternehmen dann deutlich optimistischer in die Zukunft blicken als IBM, rechnet Piasko mit weiteren Kurssteigerungen. Andernfalls könne sich jedoch die Überzeugung durchsetzen, dass die Ergebnissteigerungen schon in den Kursen enthalten seien. Gewinnmitnahmen wären die Folge.
Während die Berichtssaison in den USA damit schon ihren Höhepunkt überschreitet, fängt sie in Europa erst an. Zwar hat SAP bereits eine überraschend gute Vorlage geliefert. Und die Analysten gehen sogar von einem Gewinnwachstum der europäischen Unternehmen um durchschnittlich 20 bis 25 Prozent aus. Davon sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. "SAP ist eines der deutschen Vorzeigeunternehmen und damit eine Ausnahmeerscheinung", sagt Fondsmanager Conrad. Und die Gewinne der übrigen Dax-Unternehmen steigen von einem viel niedrigeren Niveau als in den USA.
Eine weitere Belastung für die Europäer ist der schwache Dollar. "Dieses Thema wird uns durch die ganze Berichtssaison in Deutschland und Europa begleiten", glaubt Conrad. Während die Währungsturbulenzen bei den US-Unternehmen die Gewinne um rund zwei bis drei Prozent erhöht haben dürften, werden die Ergebnisse der europäischen Konkurrenten dadurch um rund das Doppelte geschmälert.
Doch selbst wenn in den kommenden Wochen noch einige Unternehmen die Börsen mit praller Zuversicht beglücken, ist das noch kein Grund, nun alles auf Aktien zu setzen. "Für weitere Kurssteigerungen bedarf es zum einen einer Unterstützung durch gute Konjunkturdaten und zum anderen neuer Jobs", sagt Olaf Conrad. "Denn ohne neue Arbeitsplätze fehlt die Endnachfrage, und dann könnte die gegenwärtige Hausse nur ein Zwischenhoch gewesen sein", glaubt er.
Auch Piasko warnt vor überbordendem Optimismus. Denn die Finanzmärkte nehmen die wirtschaftlichen Entwicklungen stets rund sechs Monate vorweg. "Genau in sechs Monaten, im Frühjahr 2004, wird jedoch die Konjunkturstimulierung in den USA durch die Steuersenkungen ihren Höhepunkt erreicht haben", erklärt Julius-Bär-Stratege Piasko. Was danach kommt, ist noch völlig unklar. Ein Szenario geht von einem weiterhin schwachen Dollar aus. Er könnte zu langfristig steigenden Zinsen führen, die wiederum der Konjunktur einen Dämpfer verpassen würden.
Trotz der verführerischen Zahlen, die die Unternehmen derzeit unters Volk streuen, sollten Anleger daher ihren Heißhunger auf Aktiengewinne bändigen. Denn so mancher hat sich schon an allzu süßen Bonbons verschluckt.
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