Der Markt hat gesprochen - Mächtige SKS im S+P
Klarer und eindeutiger als vergangene Woche können sich Märkte nicht verhalten.
Nahezu jeder Aktienindex in Amerika und West-Europa hat in den vergangenen Tagen
Verkaufssignale gegeben.
Pit Bull ade
Unser Stop Loss für den Dax griff am letzten Mittwoch bei einem
Schlußkurs von 2.811 Punkten. Selbstredend ist damit unser „Pit Bull
Market“-Szenario nichtig. Die weltweiten Verkaufssignale sind so
unmißverständlich, daß wir uns über kurze Rallyes nach oben, die
jederzeit möglich sind, keine Gedanken mehr machen müssen. Der
Generaltrend für die nächsten Wochen zeigt nun nach unten. Im Dax ist
hier zunächst das Tief vom Oktober als erste nennenswerte Unterstützung
zu sehen. Bis dahin sind es vom jetzigen Kursniveau aus nur noch rund 5
%. Wäre dort das Tief der nun eingeleiteten Abwärtsbewegung zu
vermuten, könnten wir uns jetzt schon darüber Gedanken machen, welche
Aktien man demnächst kaufen sollte. Leider ist es aber nicht so. Bei 2.500
Punkten wird zwar vermutlich kurzzeitig Halt geboten, auf Sicht der
nächsten Wochen sollte man allerdings nicht allzu große Hoffnung haben,
daß dort ein nachhaltiges Tief ausgebildet wird.
Kleine SKS im S+P
Der Chart des S+P 500-Index verdeutlicht, warum der letzte Woche
angesprochene Dammbruch nun ohne Wenn und Aber seinen Weg
nehmen wird. Es ist eine nahezu lehrbuchmäßige SKS-Formation (SKS =
Schulter-Kopf-Schulter) zu sehen, welche am Freitag mit dem Bruch der
Nackenlinie vollendet wurde. Gemäß einem Minimum-Kursziel-Verfahren
fallen die Kurse nach dem Durchbrechen einer Nackenlinie so tief wie die
Höhe der SKS betragen hat. Im Falle des S+P liegt diese Marke bei etwa
800 Punkten. Dies entspräche einem Abwärtspotential von ebenfalls nur
ca.6 %. Und selbst bis zum Oktober-Low bei ca. 770 Punkten wären es
nur etwa 10 % Abwärtspotential. Also warum die Dramatik?
Große SKS im S+P
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir eine Zeitebene höher gehen.
Wir betrachten uns also den längerfristigen Chart des S+P (Wochenchart).
Ganz rechts außen ist sehr klein die SKS-Formation zu sehen, welche im
Tageschart in der obigen Abbildung, quasi in Vergrößerung, herausgestellt
wurde. Im Wochenchart läßt sich nun ebenfalls eine SKS-Formation
erkennen, allerdings eine mit historischen Ausmaßen. Sie erstreckt sich
über die letzten 5 Jahre! Bislang gingen wir davon aus, daß diese
Riesen-SKS nicht zum Tragen kommt. Mittlerweile sind wir anderer
Meinung, denn: Der Kopf der kleinen SKS lag fast genau auf der
Nackenlinie der großen SKS. Die kleine SKS ist damit aller
Wahrscheinlichkeit nach nur als Rücksetzer (Pull Back) an die Nackenlinie
der großen SKS zu sehen. Und damit nimmt die Wahrscheinlichkeit dafür,
daß die große SKS in den kommenden Wochen oder Monaten ihr
negatives Potential entfaltet, unter charttechnischen Gesichtspunkten
deutlich zu. Deren Zielzone aber kann mit der oben erläuterten
Berechnungsmethode auf ca. 570 S+P-Punkte taxiert werden (dann wäre
die Stecke 1 gleich der Strecke 2). Und das wäre dann immerhin schon ein
Abwärtspotential von 280 Punkten oder 33 %.
Den Dax zieht’s mit runter
Da sich der deutsche Markt, wie auch alle anderen, dem gewaltigen
Negativpotential des amerikanischen Marktes aber nicht entziehen kann,
werden die 2.500 Punkte im Dax also vermutlich nicht halten. Rechnen wir
analog zum S+P ebenfalls mit einem Abwärtspotential von 33 % im Dax,
so ergeben sich ungefähr 1.900 Punkte (!) als Zielzone. Nun, so schlimm
muß es nicht kommen, allerdings zeigt diese Rechnung, daß man jetzt
nicht unbedingt Aktien haben sollte, weder S+P-, Dax- noch
Nemax-Aktien. Zwischen den Marken von 2.500 Dax-Punkten, die unserer
Meinung nach auf jeden Fall unterboten werden, und 1900 Punkten, die wir
uns im Extremfall vorstellen können, wäre noch die Marke von 2.250
Punkten zu nennen, die ebenfalls eine mächtige Unterstützung darstellt.
Zeitliche Dimension
Wie schnell könnte ein solcher Kursverfall vonstatten gehen? Aus Sicht der
Zyklen-Analyse kann im Laufe des März mit einem markanten Tiefpunkt
gerechnet werden. Von heute ab gerechnet könnte sich dieses Tief also
schon innerhalb der nächsten neun Wochen ereignen. Daran könnte sich
eine phänomenale Aufwärtsbewegung anschließen. Das alles ist aber reine
Spekulation. Wir werden uns mit diese Thematik beschäftigen, wenn die
Zeit reif dafür ist, und das ist sie jetzt definitiv nicht.
Veränderter Jahresausblick für 2003
Vor dem Hintergrund des oben gesagten können wir natürlich den am 7.
Januar hier veröffentlichten Jahresausblick nicht mehr aufrecht erhalten.
Statt einem Jahresendstand 2003 von 3.000 Punkten prognostizieren wir
nun 2.600 Punkte. Statt einem positiven ersten Halbjahr und einem
negativen zweiten Halbjahr prognostizieren wir nun ein sehr schwaches 1.
Quartal, ein positives 2. und 3. Quartal und ein tendenziell wieder
schwächer verlaufendes 4. Quartal.
Zu unseren Empfehlungen
Bei Highlight wurden wir zu 1,56 Euro, bei Internationalmedia zu 0,77 Euro
und bei Aixtron zu 3,95 Euro ausgestoppt (jeweils zum Schlußkurs
gerechnet). Damit ergab sich jeweils ein Minus von ca. 13 %. Bei RWE,
Qiagen und Articon-Integralis wurden unsere Stops zwar noch nicht
berührt, allerdings machen die Chartbilder inzwischen keinen
vertrauenserweckenden Eindruck mehr, weshalb wir hier zum sofortigen
Verkauf raten. Die Verluste halten sich hier jeweils in Grenzen, nämlich -2
% bei RWE, -6 % bei Qiagen + 0,5 % bei Articon. Die verbleibende
Gericom weist als einzige noch ein positives Chartbild auf und liegt derzeit
mit ca. 10 % im Plus. Allerdings müßte die Aktie noch die Nackenlinie
ihrer fast acht Monate dauernden umgekehrten SKS-Formation nach oben
überwinden. Vor dem Hintergrund des von uns prognostizierten schwachen
Gesamtmarktes sehen wir dafür jedoch keine all zu großen Chancen und
raten daher auch hier zum Verkauf. Der Durchschnittsverlust für die sieben
glattgestellten Aktienpositionen beläuft sich damit vor Abzug der Spesen
auf knapp über 5 %. Der Durchschnittsgewinn der im Oktober empfohlenen
und Anfang Dezember verkauften Aktienpositionen belief sich auf fast 20
%. Dies wird nur erwähnt, um die Relationen zu verdeutlichen. Der
Goldpreis notiert zwar momentan auf einem Sechs-Jahres-Hoch, allerdings
vollzogen die Goldminen den letzten dramatischen Goldanstieg kaum
nach. Dies ist prinzipiell nicht als positives Zeichen zu sehen, weshalb wir
uns kurzfristig deutlich schwächere Kurse bei den Minen-Titel vorstellen
können. Von Käufen auf diesem Niveau raten wir daher ab. Bestehende
Positionen würden wir unter langfristigen Gesichtspunkten behalten.
Fazit:
Die für den S+P 500 und den Dax genannten Extrem-Kursziele müssen
nicht eintreten. Dennoch stufen wir die momentanen Gefahren an den
Aktienmärkten als viel zu hoch ein, als daß man aktuell sehr stark bzw.
überhaupt investiert sein sollte. Vor diesem Hintergrund ist auch unsere
komplette Depot-Räumung zu sehen. Unser dramatischer Marktausblick
hat natürlich auch politische Gründe, insbesondere den drohenden
Irak-Krieg. Im Folgenden finden Sie einen kleinen Exkurs zu diesem
Thema. Er gibt explizit die Meinung von Ralf Flierl und nicht zwangsläufig
die der gesamten GoingPublic-Redaktion wieder.
Exkurs: Showdown in Nahost - Über Tabubrüche, Blow Backs und
GCBC-Spiele
Sie kennen mich als sehr kritisch gegenüber der US-Regierung, vor allem
in Sachen der Nahost-Politik. Nun, da die UNO-Inspektoren ihren Bericht
vorgelegt haben und über eine Verlängerung ihrer Inspektionszeit
nachgedacht wird, ist es einmal an der Zeit, sich näher mit der ganzen
Thematik auseinanderzusetzen. Erstens kamen immer wieder Anfragen
von Lesern hierzu und zweitens dürfte eine Kenntnis der zukünftigen
politischen Alternativen für einen Anleger nicht ganz unwesentlich sein.
Wer also über Politik, und noch dazu in einer sehr kritischen Art und
Weise, hier nichts lesen will, der hört an dieser Stelle einfach auf zu lesen.
Gleich zu Anfang: Der Irak-Krieg wird kommen, daran kann es keinen
Zweifel geben, wenn man die Verhaltensweise der amerikanischen Politiker
genau analysiert. Die Frage ist, wann er beginnt, und auch hier gibt es fast
nur eine Möglichkeit: Vermutlich im Laufe des Februars.
Amerika wird von Imperialisten geführt. Imperien haben den Drang zu
expandieren. Nachdem die Amerikaner wirtschaftlich inzwischen den Wind
ins Gesicht geblasen bekommen, expandieren sie jetzt „folgerichtig“
militärisch. Damit zeigt die USA, daß sie ihren Zenit in ihrer
Entwicklungsgeschichte längst überschritten hat. Der nächste neue
wirtschaftliche Boom wird ganz sicher nicht mehr von Amerika ausgehen
(wie die letzten beiden), sondern von Asien.
Mittlerweile weiß jedes Kind, daß es im Irakkrieg um Öl geht. Sie als
CW-Leser konnten es hier ohnehin schon sehr früh lesen. Jetzt, wo es
jedermann kapiert hat (dank dem SPIEGEL-Artikel „Blut für Öl“), möchte
ich diese These etwas abwandeln. Öl ist nur eine, wenn auch ein wichtige
Ausprägung des Prinzips, welches diesen Krieg vorantreibt: Das
eigentliche Prinzip heißt Macht. Das ganze Verhalten der amerikanischen
Regierung ist für einen scharfsinnigen Beobachter leicht als bloßes
Machtgeplänkel zu identifizieren. Alleine schon das „Good Cop - Bad
Cop“-Spiel (= GCBC, zu deutsch: „Guter Polizist – Böser Polizist“),
welches das Duo Powell / Rumsfeld da veranstaltet und mit dem
offensichtlich auch die europäischen Abtrünnigen, allen voran die
Deutschen, eingeschüchtert werden sollen, spricht Bände. Ein solches
GCBC-Spiel kann aber nur jemand veranstalten, der sich in der mächtigen
Position sieht. Wir kennen das aus den Verhören in den amerikanischen
Kriminalfilmen. Ziel des Ganzen: Die Gegenseite weichzuklopfen bzw.
einzuschüchtern.
Zum Thema „Imperialismus“ möchte ich auf ein kürzlich veröffentlichtes
Interview mit dem (wohlgemerkt!) amerikanischen Politologen Chambers
Johnson verweisen, welches unter www.jungefreiheit.de (dort im Archiv
suchen) nachzulesen ist. Amerika hat demnach in den vergangenen Jahren
in vielen Ländern in der Welt interveniert oder besser: manipuliert. Saddam
Hussein, Bin Laden, die iranischen Machthaber und viele, viele andere, alle
wurden von den USA erst hochgepäppelt. Nach Chambers
verselbständigen sich aber diese Machtsysteme irgendwann und stellen für
die USA dann eine Bedrohung dar, er spricht hier von sogenannten „Blow
Backs“. D.h. die Saat, die die USA einst überall gesät hat, fliegt ihnen
heute um die Ohren. Mit der Folge, daß Amerika nun aktiv einschreiten
muß (und nicht wie früher nur passiv). Und dann ist eben der Irak-Krieg aus
einem ganz anderen Licht als bloß aus dem Öl-Aspekt zu sehen.
Noch eine Sache ist extrem wichtig. Der kommende Irak-Krieg wird der
erste Krieg der „zivilisierten“ Welt (gemeint ist die Staatengemeinschaft)
sein, in dem aktiv ohne zwingenden Grund angegriffen wird. Die Gründe,
die uns in der Presse genannt werden, sind lächerlich, weshalb hier auch
nicht näher darauf eingegangen wird. Das heißt, die Welt überschreitet in
den kommenden Tagen (sobald es losgeht im Irak) die Schwelle von der
„zivilisierten“ Welt hin zur „unzivilisierten“. Natürlich wird uns das Ganze in
den Medien anders verkauft, aber glauben Sie bitte nicht alles, was Sie
lesen. Es ist deshalb so dramatisch, weil mit dem Irak-Krieg das Tabu
„Angriffskrieg“ gebrochen wird. Jedem Tabu-Bruch folgt aber eine
Überflutung mit der Thematik, die ursprünglich tabuisiert wurde (denken Sie
nur an die „sexuelle Revolution“). Zu deutsch: Angriffskriege könnten in den
kommenden Jahren zum „Normalfall“ werden. Und jedesmal wird die
Begründung „Terrorbekämpfung“ lauten, was aber nichts daran ändert, daß
es Angriffskriege sein werden. Die Amerikaner kalkulieren sehr wohl mit
ein, daß sie mit einem Irak-Krieg, der vermutlich Hunderttausende Irakis
das Leben kosten wird, den gesamten Nahen Osten gegen sich aufbringen
werden. Demzufolge wird es auch weitere Terroranschläge geben, und
demzufolge wird es auch weitere Angriffskriege à la Irak geben. Ein
Teufelskreislauf, der nicht mehr zu stoppen ist, sobald das „Tabu“ erst
einmal gebrochen ist.
Wenngleich man den deutschen Politikern in gewisser Weise auch
taktisches Wahlkampfgeplänkel vorwerfen kann, so haben sie sich in der
Sache doch völlig richtig entschieden. Da Deutschland aber von der
ablehnenden Haltung gegenüber dem Irak-Krieg nicht mehr zurückweichen
kann, läßt sich auch über die zukünftigen deutsch-amerikanischen
Beziehungen eines relativ sicher sagen: Wenn das Klima jetzt schon als
kühl bezeichnet werden kann, so dürfte es bald eiskalt werden. Lesen Sie
hierzu auch den SPIEGEL-Artikel „Gewaltiger Sturm“ im aktuellen Heft.
Faßt man alles zusammen, so muß man letztendlich zu dem Schluß
kommen, daß der Irak-Krieg, bzw. eigentlich schon der Afghanistan-Krieg,
nur der Beginn eines großen, langandauernden Groß-Krieges „USA gegen
die arabische Welt“ bedeutet. John Chambers sieht übrigens den Iran als
nächstes Angriffsziel, sobald der Irak-Krieg vorüber ist. Wäre ja auch nur
effizient, schließlich bräuchte man die Truppen auf dem Welt-Schachbrett
nur um ein Feld weiter rücken zu lassen. Ich weiß, daß nun viele Leser
ganz vehement mit dem Kopf schütteln. Aber bedenken Sie, nur weil etwas
Ihre Vorstellung sprengt, heißt das noch lange nicht, daß es nicht
passieren kann (WTC war doch auch kaum vorstellbar, oder?). Und
glauben Sie mir, ich hoffe und bete, daß ich unrecht behalten werde.
Fazit:
Der Krieg wird kommen, vermutlich schon im Februar. Er dürfte dazu
führen, daß sich zumindest mittelfristig ein Großteil der arabischen Welt
gegen Amerika auflehnen wird. Auch viele andere Staaten, allen voran
Deutschland, wird Partei für den Irak (=gegen die USA) ergreifen. Das
Klima zwischen den USA und vielen anderen westlichen Staaten wird
deutlich frostiger. Nach dem Irak-Krieg werden vermutlich noch mehrere
Kriege folgen. Auch wird der Terror weltweit zunehmen. Wir gehen also
bewegten Zeiten entgegen.
Ralf Flierl
GoingPublic Media AG
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