Google filtert
Burkhard Schröder 22.07.2002
Zensur bei Suchmaschinen und jugendschutz.net
Da Amerikaner eher durch Sex als durch politische Inhalte sittlich gefährdet werden, filtert Google die Ausländer ganz speziell: Wer als deutscher Kosmopolit gleich google.com benutzt, um sich etwa über Antisemitismus im World Wide Web zu informieren, wird anhand seiner IP-Adresse identifiziert und auf google.de umgeleitet. Und dort gibt es für Deutsche (google.de), Schweizer (google.ch) und Franzosen (google.fr) Seiten mit vielen Hakenkreuzen wie stormfront.org nicht mehr zu sehen. Die Österreicher (google.at) haben zumindest hier noch Zugriff.
Unfair ist nur, dass Google von diesen diskreten Eingriffen nichts verrät. Auch wer die Spracheinstellung des Browsers auf "englisch" umstellt und keine Cookies zulässt, gerät in den zweifelhaften Genuss, zwangsweise das deutsche Interface mit gefilterten Ergebnissen nutzen zu müssen. Warum den Deutschen bestimmte Inhalte vorenthalten werden bzw. so getan wird, als gebe es sie nicht, liegt bestimmt nicht daran, dass die Kunden es so wollen. Nathan Tyler, Sprecher des Unternehmens, behauptet über die Zensurmaßname:
"This is something our users have requested."
Doch welche User? Websites, die oft verlinkt werden, stehen bei Google ganz oben. Das "Page Rank" ist das Erfolgsrezept der Suchmaschine. Zu stormfont.org, das Deutschen als nicht existent vorgegaukelt wird, sagt Tyler:
"Google does not manipulate its search results. We do however remove pages from our index if a webmaster requests it. I've looked at the page you mentioned and it appears to have no links to it which may also describe why it is not in the Google index."
Auch das ist falsch, denn eine Anfrage bei Altavista beweist, dass rund 1914 Links auf die Seite des Neonazis Don Black verweisen. Google streiche, so Tyler, Seiten aus dem Index, "if a webmaster requests it". Man kann sich kaum vorstellen, dass der Webmaster des amerikanischen Nazi-Providers diespinne.org erfolgreich beantragt, dass Antifa- Websites aus dem Google-Index verschwinden.
Zensur liegt im Trend, auch und gerade bei Suchmaschinen. Der Heise-Artikel über eine geplante gemeinsame Filterliste hat bei den Betreibern für Aufregung gesorgt. Friedemann Schindler von jugendschutz.net hatte bei verschiedenen Treffen versucht, die Suchmaschinenbetreiber eine "ein deklamatorische" Verpflichtungserklärung unterschreiben zu lassen, um die "prinzipielle Bereitschaft zu (abgestuften) Sperrmaßnahmen" zu dokumentieren. Es sei ein "Austausch von Keyword- und Adressenlisten" vereinbart worden, "die Abwehr unzulässiger Fundstellen in Suchmaschinen zu effektivieren". Allesklar, altavista, web.de und webseek/ infoseek stellten laut Schindler Listen zur Verfügung, die über einen zugangsgeschützten Bereich auf einem Server von jugendschutz.net verteilt wurden.
"Auch jugendschutz.net würde zu diesem Austausch gerne beitragen, muss die Weitergabe von Daten aber auch an Bedingungen knüpfen (z.B. keine Weitergabe an Dritte)."
Es sollte also geheim bleiben, dass Worte wie "abgespritzt" und "Wolfsrudel" laut jugendschutz.net sittlich gefährden. Wer qualifiziert ist, jenseits von eindeutig strafrechtlich relevanten Inhalten politisch in "gut" und "böse" einzuordnen, darüber ist nichts zu erfahren. Die Methode trial and error herrscht vor. Stefan Karzaunikat von suchfibel.de:
"Da die Bewertung, ob ein Site jugendgefährdend oder vielleicht strafrechtlich relevant ist, als Laie oft nicht vorgenommen werden kann, fragt ein Suchmaschinenbetreiber eben andere. Das können Kollegen sein oder die Mitarbeiter des Jugendschutz.net."
Man orientiert sich an einem nicht näher definierten Mainstream, der "Radikales" ausschließt:
"Und es sollte eigentlich einleuchten, dass Suchmaschinen, die auch von Bildungseinrichtungen benutzt werden, solche Ergebnisse ausspucken wollen, die allgemein anerkannte Informationen liefern und nicht radikale Propaganda, jedenfalls nicht an oberster Stelle."
Subtile antisemitische Hetze bleibt von redaktionellen Eingriffen weiterhin verschont. Nur die doofen Nazis werden zensiert. Zum Glück nimmt kaum einer der deutschen Suchmaschinen-Betreiber die Mainzer Jugendschützer ernst. Christoph Berndt von metaspinner.de sagt eindeutig, dass die auch juristisch sinnfreie "Verpflichtungerklärung" nicht unterzeichnet werde und das auch nicht geplant sei.
Sandra Goetz, Pressesprecherin von Lycos Deutschland, die auch für Fireball und Hotbot aus dem Hause Bertelsmann Auskunft gibt: eine Liste von Wörtern, die bei einer Anfrage nicht berücksichtigt werde, existiere nicht. Die "Verpflichtungserklärung" von jugendschutz.net liege aber "zur Prüfung in der Rechtsabteilung." Man sei "dabei, einen Bereich zu schaffen, im dem Keywordlisten hinterlegt werden können." Interessant ist die Antwort auf die Frage, ob Lycos bei "bedenklichen" politischen Websites redaktionell eingreife:
Gruß Jan v. Nelle
"Ich denke, dass Ihnen diese von allen Suchmaschinen bekannte Vorgehensweise bekannt ist, insofern verstehe ich Ihre Frage als rhetorische bzw. Suggestivfrage."
jugenschutz.net scheint sich gegen journalistische Anfragen gut verbarrikadiert zu haben. Die Telefonnummer auf der Website existiert nicht, die laut whois angegebene Domain- Inhaberin ist schon im wohlverdienten Ruhestand, auch diese Telefonnummer ist falsch, von einem korrektem Impressum keine Spur. Sogar das örtliche Telefonbuch weiß keinen Rat.
Eine Anfrage in den einschlägigen Mainzer Ministerien ähnelt der Homerischen Odyssee, weil niemand etwas weiß, und in einer informellen Sackgasse. Und eine Email an jugendschutz.net wird in strengem realsozialistischem Tonfall beantwortet:
"Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir zur Beantwortung von Presseanfragen nur autorisiert sind, wenn diese seriös sind und sich auf die konkrete Arbeit von jugendschutz.net beziehen. Um dies prüfen zu können, bitten wir uns Ihre Anfrage einmal im einzelnen schriftlich darzulegen."
Martin Döring warnt sogar kurz darauf in der Mailingliste der Suchmaschinen-Betreiber:
"Die negativen Erfahrungen mit Herrn Schröder lassen uns seither ablehnend auf etwaige Anfragen von ihm reagieren. Ähnliches würden wir Ihnen im vorliegenden Fall empfehlen."
Das motiviert, in Zukunft genauer hinzuschauen, wer warum etwas nicht mehr anzeigt, zumal auch Yahoo mit Google zusammenarbeitet. Die enge Kooperation von jugenschutz.net mit Bertelsmann und der Dominanz des Gütersloher Konzerns bei deutschen Suchmaschinen legen den Schluss nahe, dass die eindeutig erklärte Absicht Filtersysteme zu schaffen, auch dann verwirklicht wird, wenn es technisch absurd wäre.
Dr. Marcel Machill, der Projektleiter Medienpolitik der Bertelsmann Stiftung, hat soeben zusammen mit Friedemann Schindler von jugendschutz.net ein Buch über die Transparenz von Suchmaschinen verfasst. Man darf hoffen, dass das Internet am Mainzer und Gütersloher Wesen nicht genesen wird. Zum Glück für uns Deutsche gibt es ja das Ausland: die englische Google-Version beantwortet weiterhin brav jede Anfrage, auch wenn der Surfer sich einen Spaß macht und sittlich fragwürdige Begriffe wie "Zoosex" und "pre-teen" eingibt.
Burkhard Schröder 22.07.2002
Zensur bei Suchmaschinen und jugendschutz.net
Da Amerikaner eher durch Sex als durch politische Inhalte sittlich gefährdet werden, filtert Google die Ausländer ganz speziell: Wer als deutscher Kosmopolit gleich google.com benutzt, um sich etwa über Antisemitismus im World Wide Web zu informieren, wird anhand seiner IP-Adresse identifiziert und auf google.de umgeleitet. Und dort gibt es für Deutsche (google.de), Schweizer (google.ch) und Franzosen (google.fr) Seiten mit vielen Hakenkreuzen wie stormfront.org nicht mehr zu sehen. Die Österreicher (google.at) haben zumindest hier noch Zugriff.
Unfair ist nur, dass Google von diesen diskreten Eingriffen nichts verrät. Auch wer die Spracheinstellung des Browsers auf "englisch" umstellt und keine Cookies zulässt, gerät in den zweifelhaften Genuss, zwangsweise das deutsche Interface mit gefilterten Ergebnissen nutzen zu müssen. Warum den Deutschen bestimmte Inhalte vorenthalten werden bzw. so getan wird, als gebe es sie nicht, liegt bestimmt nicht daran, dass die Kunden es so wollen. Nathan Tyler, Sprecher des Unternehmens, behauptet über die Zensurmaßname:
"This is something our users have requested."
Doch welche User? Websites, die oft verlinkt werden, stehen bei Google ganz oben. Das "Page Rank" ist das Erfolgsrezept der Suchmaschine. Zu stormfont.org, das Deutschen als nicht existent vorgegaukelt wird, sagt Tyler:
"Google does not manipulate its search results. We do however remove pages from our index if a webmaster requests it. I've looked at the page you mentioned and it appears to have no links to it which may also describe why it is not in the Google index."
Auch das ist falsch, denn eine Anfrage bei Altavista beweist, dass rund 1914 Links auf die Seite des Neonazis Don Black verweisen. Google streiche, so Tyler, Seiten aus dem Index, "if a webmaster requests it". Man kann sich kaum vorstellen, dass der Webmaster des amerikanischen Nazi-Providers diespinne.org erfolgreich beantragt, dass Antifa- Websites aus dem Google-Index verschwinden.
Zensur liegt im Trend, auch und gerade bei Suchmaschinen. Der Heise-Artikel über eine geplante gemeinsame Filterliste hat bei den Betreibern für Aufregung gesorgt. Friedemann Schindler von jugendschutz.net hatte bei verschiedenen Treffen versucht, die Suchmaschinenbetreiber eine "ein deklamatorische" Verpflichtungserklärung unterschreiben zu lassen, um die "prinzipielle Bereitschaft zu (abgestuften) Sperrmaßnahmen" zu dokumentieren. Es sei ein "Austausch von Keyword- und Adressenlisten" vereinbart worden, "die Abwehr unzulässiger Fundstellen in Suchmaschinen zu effektivieren". Allesklar, altavista, web.de und webseek/ infoseek stellten laut Schindler Listen zur Verfügung, die über einen zugangsgeschützten Bereich auf einem Server von jugendschutz.net verteilt wurden.
"Auch jugendschutz.net würde zu diesem Austausch gerne beitragen, muss die Weitergabe von Daten aber auch an Bedingungen knüpfen (z.B. keine Weitergabe an Dritte)."
Es sollte also geheim bleiben, dass Worte wie "abgespritzt" und "Wolfsrudel" laut jugendschutz.net sittlich gefährden. Wer qualifiziert ist, jenseits von eindeutig strafrechtlich relevanten Inhalten politisch in "gut" und "böse" einzuordnen, darüber ist nichts zu erfahren. Die Methode trial and error herrscht vor. Stefan Karzaunikat von suchfibel.de:
"Da die Bewertung, ob ein Site jugendgefährdend oder vielleicht strafrechtlich relevant ist, als Laie oft nicht vorgenommen werden kann, fragt ein Suchmaschinenbetreiber eben andere. Das können Kollegen sein oder die Mitarbeiter des Jugendschutz.net."
Man orientiert sich an einem nicht näher definierten Mainstream, der "Radikales" ausschließt:
"Und es sollte eigentlich einleuchten, dass Suchmaschinen, die auch von Bildungseinrichtungen benutzt werden, solche Ergebnisse ausspucken wollen, die allgemein anerkannte Informationen liefern und nicht radikale Propaganda, jedenfalls nicht an oberster Stelle."
Subtile antisemitische Hetze bleibt von redaktionellen Eingriffen weiterhin verschont. Nur die doofen Nazis werden zensiert. Zum Glück nimmt kaum einer der deutschen Suchmaschinen-Betreiber die Mainzer Jugendschützer ernst. Christoph Berndt von metaspinner.de sagt eindeutig, dass die auch juristisch sinnfreie "Verpflichtungerklärung" nicht unterzeichnet werde und das auch nicht geplant sei.
Sandra Goetz, Pressesprecherin von Lycos Deutschland, die auch für Fireball und Hotbot aus dem Hause Bertelsmann Auskunft gibt: eine Liste von Wörtern, die bei einer Anfrage nicht berücksichtigt werde, existiere nicht. Die "Verpflichtungserklärung" von jugendschutz.net liege aber "zur Prüfung in der Rechtsabteilung." Man sei "dabei, einen Bereich zu schaffen, im dem Keywordlisten hinterlegt werden können." Interessant ist die Antwort auf die Frage, ob Lycos bei "bedenklichen" politischen Websites redaktionell eingreife:
Gruß Jan v. Nelle
"Ich denke, dass Ihnen diese von allen Suchmaschinen bekannte Vorgehensweise bekannt ist, insofern verstehe ich Ihre Frage als rhetorische bzw. Suggestivfrage."
jugenschutz.net scheint sich gegen journalistische Anfragen gut verbarrikadiert zu haben. Die Telefonnummer auf der Website existiert nicht, die laut whois angegebene Domain- Inhaberin ist schon im wohlverdienten Ruhestand, auch diese Telefonnummer ist falsch, von einem korrektem Impressum keine Spur. Sogar das örtliche Telefonbuch weiß keinen Rat.
Eine Anfrage in den einschlägigen Mainzer Ministerien ähnelt der Homerischen Odyssee, weil niemand etwas weiß, und in einer informellen Sackgasse. Und eine Email an jugendschutz.net wird in strengem realsozialistischem Tonfall beantwortet:
"Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir zur Beantwortung von Presseanfragen nur autorisiert sind, wenn diese seriös sind und sich auf die konkrete Arbeit von jugendschutz.net beziehen. Um dies prüfen zu können, bitten wir uns Ihre Anfrage einmal im einzelnen schriftlich darzulegen."
Martin Döring warnt sogar kurz darauf in der Mailingliste der Suchmaschinen-Betreiber:
"Die negativen Erfahrungen mit Herrn Schröder lassen uns seither ablehnend auf etwaige Anfragen von ihm reagieren. Ähnliches würden wir Ihnen im vorliegenden Fall empfehlen."
Das motiviert, in Zukunft genauer hinzuschauen, wer warum etwas nicht mehr anzeigt, zumal auch Yahoo mit Google zusammenarbeitet. Die enge Kooperation von jugenschutz.net mit Bertelsmann und der Dominanz des Gütersloher Konzerns bei deutschen Suchmaschinen legen den Schluss nahe, dass die eindeutig erklärte Absicht Filtersysteme zu schaffen, auch dann verwirklicht wird, wenn es technisch absurd wäre.
Dr. Marcel Machill, der Projektleiter Medienpolitik der Bertelsmann Stiftung, hat soeben zusammen mit Friedemann Schindler von jugendschutz.net ein Buch über die Transparenz von Suchmaschinen verfasst. Man darf hoffen, dass das Internet am Mainzer und Gütersloher Wesen nicht genesen wird. Zum Glück für uns Deutsche gibt es ja das Ausland: die englische Google-Version beantwortet weiterhin brav jede Anfrage, auch wenn der Surfer sich einen Spaß macht und sittlich fragwürdige Begriffe wie "Zoosex" und "pre-teen" eingibt.