Die wichtigste Emission des Jahres kann nur am eigenen Erfolg scheitern
Fluch des Siegers bedroht Google-Börsengang
Von Tobias Moerschen, Handelsblatt
König Pyrrhos von Epirus beherrschte im dritten Jahrhundert vor Christus den griechisch besetzten Teil der italienischen Halbinsel. Mehrfach schlug er die Römer in verlustreichen Schlachten. Doch alle Siege halfen nichts – am Ende verdrängte die aufstrebende Macht Roms die Griechen von der italienischen Halbinsel.
NEW YORK. Auch der Internet-Suchdienst Google feierte im Wettstreit mit seinen Emissionsbanken zuletzt einen Sieg nach dem anderen. So zwang der Börsenkandidat seinen Beratern ein Auktionsverfahren auf, in dem die Anleger durch ihre Kaufgebote den Ausgabekurs beeinflussen. Die gestern veröffentlichte Preisspanne von 108 bis 135 Dollar je Aktie bewertet Google weitaus höher, als manchem Banker lieb ist. Auch die für Wall-Street-Verhältnisse mickrige Emissionsgebühr, die Google seinen Bankern zahlt, treibt manchen Wall-Street-Profi zur Weißglut.
Doch Google droht das Schicksal des Pyrrhos. Zum Erfolg wird der Börsengang nur, wenn die Aktie am Ausgabetag weder zu hoch, noch zu niedrig bewertet ist. Wenn Google einen zu hohen Preis durchdrückt, droht nach der Emission ein Kurssturz. Das würde nicht nur den Aktionären schaden, sondern auch dem Ansehen des Vorzeigekonzerns.
Das Unternehmen und seine bisherigen Anteilseigner wollen ihre Aktien möglichst teuer verkaufen. Dagegen sind die Käufer an einem möglichst niedrigen Preis interessiert. Die Investmentbanken, die den Börsengang einfädeln, agieren als Interessenvertreter der Käufer. Ihr Job besteht schließlich darin, die Papiere am Markt abzusetzen.
Ökonomen wie der US-Finanzprofessor Richard Thaler haben solche Verhandlungssituationen genauer analysiert. Dabei fand Thaler heraus, dass die Sieger – wie einst König Pyrrhos – am Ende häufig schlechter da stehen. Thaler nannte dieses Phänomen den „Fluch des Siegers“. Siehe Google: Der Internet-Börsenkandidat verfolgt bislang offenbar erfolgreich das Ziel, seine Aktien zum Höchstpreis zu verkaufen. Die Investmentbanken haben bereits Googles Spielregeln akzeptiert. Und die Anleger werden im Auktionsverfahren womöglich noch höhere Preise bieten, um ein paar Aktien abzubekommen.
Stellt sich Google zu clever an, dann erzielt der Internet-Suchdienst zwar den maximalen Ausgabekurs. Aber sowohl Google als auch die „erfolgreichen“ Bieter könnten am Ende als Verlierer da stehen, wenn die Emission im freien Handel floppt, weil niemand zum Ausgabekurs weitere Aktien ordert. Es wäre nicht das erste Mal. Deutsche Privatanleger erinnern sich nur allzu gut an die Emission der Siemens-Halbleitersparte Infineon. Wie panisch rannten sie zu ihrer Hausbank und orderten Infineon-Aktien – oft ohne zu wissen, was dieses Unternehmen eigentlich genau macht. Inzwischen sind einige der Börsenmilliarden, die Infineon am ersten Handelstag wert war, jedoch verschwunden.
Sicher, Siemens hat von dem überhöhten Infineon-Ausgabekurs profitiert. Die Kleinanleger hingegen mussten herbe Verluste einstecken. Und so mag auch König Pyrrhos ein schönes Leben gehabt haben. Das galt jedoch nicht für seine Soldaten, die auf dem Schlachtfeld starben und den Aufstieg Roms nicht stoppen konnten. In der Google-Emissionsschlacht sollten Anleger nur gut gerüstet mitkämpfen – und sie sollten keinesfalls blind auf die Befehle des Internet-Königs vertrauen.
HANDELSBLATT, Dienstag, 27. Juli 2004, 07:07 Uhr