§ABGEORDNETE
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§Kleine Tür zum Paradies
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Parlamentarier genießen, neben Freiflügen und Limousinen-Service, mancherlei Privilegien - einige hart an der Grenze des guten Geschmacks.
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§ Für viele war es der erste Besuch im
Zentrum der Macht. Ab Mitte März waren 299 Kandidaten der
SPD einer Einladung ihrer Spitzengenossen in die Hauptstadt
gefolgt. Im Halbstundentakt schleuste ein Parteifunktionär
die Hoffnungsträger aus der Provinz zum Fotoshooting durch
die Kampagnenzentrale in der Oranienburger Straße.
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Fraktionschef, die Bewerber auf den Kampf um die
Bundestagsmandate ein. Fraktionsmitarbeiter klärten die
Aspiranten vorsorglich über Rechte und Pflichten eines
Volksvertreters auf.
Auf besonderes Interesse stieß eine fünfseitige Liste mit
dem viel versprechenden Titel "Leistungen an die Mitglieder
des Deutschen Bundestages". Mit wachsender Begeisterung
studierten die Kandidaten jene Annehmlichkeiten, die sie im
Fall ihres Einzugs in das Parlament erwarten. Der
Abgeordnetenausweis, staunte mancher, öffnet offenbar
schlagartig eine kleine Tür zum Paradies.
Wer bislang allenfalls zweimal im Jahr ein Flugzeug
bestieg, um nach Mallorca und zurück zu fliegen, zählt nach
dem Wahltag plötzlich zum Jet-Set. Anstandslos zahlt der
Staat dienstliche Flugreisen vom und zum Wahlkreis, zu
internationalen Kongressen, zum Austausch mit ausländischen
Kollegen. Wo es keine Linienflugverbindung gibt, hilft die
Flugbereitschaft der Bundeswehr aus.
Auch am Boden befördert der Abgeordnetenausweis seinen
Inhaber von der Holz- in die Lederklasse. Für Fahrten im
Berliner Stadtgebiet stehen den Volksvertretern rund um die
Uhr die dunklen Limousinen der Fahrbereitschaft zur
Verfügung - Chauffeur inklusive. Eine Netzkarte erster
Klasse der Bahn gehört ebenso zur Grundausstattung wie
Tickets für Berliner Busse und Bahnen.
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Annehmlichkeiten zu schätzen. Mit Sonderaktionen buhlen
Geschäfte, Dienstleister und Kulturbetriebe um die Gunst
der Volksvertreter - manchmal hart an der Grenze des guten
Geschmacks.
So stattet die Lufthansa jeden Abgeordneten automatisch mit
der "Senator Card" aus. Die goldglänzende Plastikkarte,
sonst ein Privileg viel gereister Topmanager, ermöglicht
ihrem Besitzer den Besuch exklusiver Flughafen-Lounges und
erspart lästiges Anstehen am Check-in-Schalter.
Am Köln-Bonner Flughafen genießen Volksvertreter das Recht
auf einen kostenlosen Parkplatz - drei Jahre nach dem
Regierungsumzug. Allein im vergangenen Jahr spendierten die
Berliner Orchester und Theater Freikarten im Wert von 3,1
Millionen Euro - ein Teil davon ging an kulturbeflissene
Abgeordnete.
Mit gezielten Marketingaktionen umwirbt die örtliche
Wirtschaft die Volksvertreter. Ende 1999 schenkte die
Lichtspielhauskette Cinemaxx allen Mandatsträgern einen
VIP-Ausweis, der 100 Tage lang freien Eintritt garantierte.
McDonald's verschickte Gutscheine für Fast-Food-Menüs.
Mehrere Friseure im Regierungsviertel boten an, die Haare
von Parlamentariern probeweise zum Nulltarif zu schneiden.
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Bodenhaftung zu behalten. Er habe "begonnen, Privilegien
als Selbstverständlichkeit hinzunehmen", gestand PDS-Star
Gregor Gysi, nachdem er sich wegen des Missbrauchs
dienstlich erworbener Bonusmeilen vor zwei Wochen zum
Rücktritt vom Amt des Berliner Wirtschaftssenators
gezwungen sah. Er fürchte sich gar, so Gysi, vor seinen
"Persönlichkeitsveränderungen".
Tatsächlich scheint einigen Abgeordneten das
Urteilsvermögen über Recht und Unrecht im Verlauf ihrer
Mandatstätigkeit abhanden zu kommen. So findet der
SPD-Sportpolitiker Reinhold Hemker, 57, bis heute nichts
Verwerfliches daran, im vergangenen Herbst auf
Fraktionskosten nach Hawaii gereist zu sein. Dort hatte der
drahtige Ex-Pfarrer bei einem Triathlon seine Kondition
unter Beweis gestellt. Immerhin, so Hemker, habe er den
Trip für "Abstimmungsgespräche mit Sportfunktionären"
genutzt.
Für andere liegt die Versuchung näher. So registriert der
Berliner Schreibwarenhändler Bürofa, Hoflieferant des
Bundestags, kurz vor Jahresende regelmäßig eine sprunghaft
ansteigende Nachfrage nach Luxus-Füllfederhaltern,
Videokassetten und Taschencomputern. Die Ursache: Neben der
jährlichen Diät von 82 536 Euro und einer steuerfreien
Pauschale von 41 004 Euro stehen jedem Abgeordneten pro
Jahr weitere 6300 Euro für "Sachleistungen im Rahmen der
Amtsausstattung" seines Berliner Büros zur Verfügung.
Sparsamen Umgang mit Stift und Papier belohnt der Bundestag
nicht - im Gegenteil. Weil nicht ausgegebene Mittel zum
Jahresende verfallen, mühen sich viele Abgeordnete, ihren
Etat unter allen Umständen auszuschöpfen.
Wegen der Bundestagswahl findet die Einkaufsrallye in
diesem Jahr schon im Sommer statt. So wunderte sich ein
Bürofa-Mitarbeiter vorvergangene Woche über die Bestellung
von gleich 20 Füllern des Typs "Le Grand de Montblanc" zum
Stückpreis von 178,63 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer.
Viel Zeit, die edlen Schreibutensilien in Ausübung seines
Mandats zu benutzen, bleibt dem Besteller nicht. Er
scheidet nach dem 22. September aus dem Bundestag aus.
ALEXANDER NEUBACHER, CHRISTOPH SCHULT
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