Stimmungswandel macht sich breitIn den vergangenen Wochen hatten die Börsenanalysten immer wieder gerätselt, warum die Kurse so heftige Einbrüche hinnehmen mussten, obwohl die Konjunkturdaten doch eigentlich positiv waren. Jetzt hat sich gezeigt, dass diese Kursabstürze zumindest ein Gutes hatten: Die jüngsten Wirtschaftszahlen aus den USA enttäuschten zwar die Konjunkturforscher und ließen erneut die Angst vor einer zweiten Rezession ("double dip") laut werden, die Börsianer reagierten allerdings - vergleichsweise - gelassen. So, als hätten sie schon lange geahnt, dass der Aufschwung höchstens ein schwacher werden könnte, ließen sie sich weder von den schwachen Wachstumszahlen der Amerikaner noch von den ungünstigen Prognosen der dortigen Manager allzu sehr erschrecken. Schon mehr Unruhe löste auf dem deutschen Parkett der Gewinneinbruch der Allianz und die anhaltende Krise um den Finanzdienstleister MLP aus. Dennoch kam es erneut zu einer Flucht aus den Aktienmärkten, wie die Verluste zum Wochenschluss zeigten. Viele Anleger schichten ihre Gelder weiter in Staatspapiere mit verlässlicher Rendite um.
Ein noch kräftigerer Sturz der Börsenkurse jedoch wurde vielleicht verhindert durch einen Stimmungswandel, der sich bei den Finanzprofis breit macht. Immer mehr Geldverwalter gehen davon aus, dass Aktien wieder billig sind, und raten dazu, das Portfolio langsam wieder mit den Unternehmenspapieren aufzustocken. Bei den gegenwärtigen Preisen und den Gewinnaussichten der Firmen für 2003 sei der US-Markt wieder "sehr attraktiv" erklärt zum Beispiel Ian Brady, Chefstratege für US-Aktien beim Bankhaus Schroders. Zwar gebe es immer noch Ängste vor neuen Bilanzskandalen, räumt er ein. Aber das sei kein neues Phänomen, auch 1998 und 1999 habe es eine Reihe von solchen Schwindeleien gegeben. "Langfristig vergibt der Markt", so Brady.
Auch für die deutschen Börsen gehen die Analysten der Commerzbank inzwischen davon aus, dass eine "erhebliche Unterbewertung" vorliegt. Die DZ-Bank erwartet zumindest mittelfristig eine "deutliche Erholung" und rechnet auch am Neuen Markt damit, dass "der Großteil der Kursrisiken abgebaut sein dürfte". Noch besser sehe es für den Index der mittleren Werte, den M-Dax, aus. Hier lägen die aktuellen Kursbewertungen deutlich unter ihrem langfristigen Durchschnitt, heißt es.
Einigen Unternehmen, die in der kommenden Woche ihre Quartalszahlen vorlegen müssen, wird es allerdings schwer fallen, unter den Investoren wieder Optimismus zu verbreiten. Dazu gehören die Baukonzerne Dyckerhoff (heute) und Heidelberger Zement (Mittwoch), aber auch die Commerzbank (Donnerstag). Etwas gelassener werden wahrscheinlich Adidas-Salomon (Mittwoch), BASF, Deutsche Börse und BMW (alle Donnerstag) sowie Heidelberger Druck (Freitag) über ihre Geschäftsergebnisse berichten können.
Quelle: Stuttgarter Zeitung