Magazin: Deutsche Börse soll für Gigabell-Anleger-Verluste haften München (vwd) - Die Deutsche Börse AG, Frankfurt, soll im Zusammenhang mit der Insolvenz des Internet-Dienstleisters Gigabell AG, Frankfurt, für Anleger-Schäden haften. Wie das Wirtschaftsmagazin "Focus-Money" berichtet, prüft der Tübinger Rechtsanwalt Heinz Steinhübel derzeit Klagen betroffener Anleger gegen die Börse. Seine Recherchen hätten ergeben, dass Gigabell keinerlei ordnungsgemäße Buchführung unterhalten habe. Angesichts solcher Mängel hätte die Deutsche Börse das Papier "niemals zum Handel zulassen dürfen". Sollte die Börse sich weigern, Anlegern Schäden zu ersetzen, werde er Klage einreichen. Gleichzeitig prüfe er zur Zeit auch Ansprüche gegen das Land Hessen als Aufsichtsbehörde der Börse, so Steinhübel zu Focus-Money.
Nach der Pleite des Unternehmens will ein Jurist die Börse für den Schaden haftbar machen.
München - Sechs Monate nach dem Rauswurf von Gigabell aus dem Neuen Markt droht der Deutsche Börse AG ein juristisches Nachspiel. Der Tübinger Anwalt Heinz Steinhübel ist der Ansicht, dass die Börse für das Gigabell-Desaster mitverantwortlich ist, weil sie vor dem IPO des Internet-Dienstleisters ihre Prüfpflicht bei der Zulassung vernachlässigt hat.
Die Argumentation Steinhübels stützt sich unter anderem auf die Tatsache, dass das Finanzwesen der Aktiengesellschaft nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprach. Zu dieser Einschätzung kommmen nicht nur verschiedene Fachleute von außen, sondern auch der Insolvenzverwalter Dirk Pfeil.
Der hatte in dem Pleite-Unternehmen ein regelrechtes Chaos vorgefunden. Nach seinen Worten herrschte in der Finanzbuchhaltung "gähnende Leere"; bei seinem Amtsantritt als Sequester habe er weder den genauen Umsatz noch die Beschäftigtenzahl ermitteln können. Es gab kein computergestütztes Rechnungswesen, noch nicht einmal einen Sammelordner - nur einige "lose Blätter in Schubladen".
"Buchprüfung war für Gigabell zweitrangig"
Auch mit den Banken ging der Ökonom nach einer ersten Bestandsaufnahme hart ins Gericht: "Ich rätsele noch immer, worin die Leistung der Emissionshäuser besteht." Die Kreditinstitute - darunter HSBC Trinkaus & Burkhardt und die DG Bank - sowie PR-Firmen und Berater hätten sich mit immensen Honoraren beim Börsengang die Taschen vollgestopft. Eine vernünftige Buchprüfung und Betreuung scheine dagegen zweitrangig gewesen.
Versäumnisse gab es nach Ansicht Steinhübels aber nicht nur bei den Finanzinstituten, sondern auch bei der Deutschen Börse AG: "Das Börsengesetz sieht vor, dass vor der Zulassung geprüft werden muss, ob dem Anleger eine Übervorteilung droht. In diesem Zusammenhang hätte sich die Deutsche Börse AG das Unternehmen sehr genau ansehen müssen. Dies ist aber offensichtlich nicht geschehen, denn sonst hätte man die eklatanten Versäumnisse im Finanzressort von Gigabell rechtzeitig entdeckt."
Der Tübinger Anwalt befindet sich mit dieser Argumentation in guter Gesellschaft. Verschiedene Kollegen des Juristen, die sich mit dem Fall Gigabell befasst haben, neigen ebenfalls zu der Ansicht, dass dem Unternehmen bei seinem IPO die Börsenreife fehlte.
Sollte die Deutsche Börse AG sich weigern, für die Schadensersatzansprüche der geprellten Anleger aufzukommen, hat Steinhübel noch einen zweiten Pfeil im Köcher. Seiner Ansicht nach trifft auch das Land Hessen eine Mitschuld an dem Debakel.
"Gigabell hätte keine Zulassung bekommmen dürfen"
Steinhübel: "Die Zulassung zum Geregelten Markt ist ein öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt. Gigabell hätte die Zulassung jedoch niemals bekommen dürfen. In meinen Augen ein Fall von Amtspflichtverletzung."
Eine Schadensersatzpflicht leitet sich nach Einschätzung von Steinhübel aus dem Paragraphen 839 BGB ("Haftung bei Amtspflichtverletzung") ab. In diesem heißt es unter anderem: "Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen."