diese Frage stellte 1897 Virginia O`Hanlon aus New York der lokalen Tageszeitung "Sun". Dem Chefredakteur war die Antwort so wichtig, daß er sie selbst gab.
Über ein halbes Jahrhundert, bis zur Einstellung der Zeitung in Jahre 1950 druckte die Zeitung zur Weihnachtszeit diesen Briefwechsel - immer auf der Titelseite. Und dies zu Recht, denn die Antwort des Chefredakteurs ist eine der schönsten Weihnachtsgeschichten.
Sie wurde von mir als kleine Einstimmung auf die kommenden Tage aufgeschrieben.
"Ich bin acht Jahre alt. Einige von meinen Freunden sagen:
Es gibt keinen Weihnachtsmann."
"Papa sagt, was in der "Sun" steht, ist immer wahr. Bitte, sagen Sie mir:
Gibt es einen Weihnachtsmann?"
Virginia.
Deine kleinen Freunde haben nicht recht. Sie glauben nur, was sie sehen; sie glauben, daß es nicht geben kann, was sie mit ihrem kleinen Geist nicht erfassen können. Aller Menschengeist ist klein, ob er nun einem Erwachsenen oder einem Kind gehört. Im Weltall verliert er sich wie ein winziges Insekt.
Solcher Ameisenverstand reicht nicht aus, die ganze Wahrheit zu erfassen und zu begreifen.
Ja, Virginia, es gibt einen Weihnachtsmann. Es gibt ihn so gewiß, wie die Liebe, wie Großherzigkeit und Treue. Weil es all das gibt, kann unser Leben schön und heiter sein. Wie dunkel wäre die Welt, wenn es keinen Weihnachtsmann gäbe! Es gäbe dann auch keine Virginia, keinen Glauben, keine Poesie - gar nichts was das Leben erträglich machte. Ein Flackerrest an sichtbar Schönem bleibe übrig. Aber das Licht der Kindheit, das die Welt ausstrahlt, müßte verlöschen.
Es gibt einen Weihnachtsmann. Sonst könntest Du auch den Märchen nicht glauben. Gewiß, Du könntest Deinen Papa bitten, er solle am Heiligen Abend Leute ausschicken, den Weihnachtsmann zu fangen. Und keiner von ihnen bekäme den Weihnachtsmann zu Gesicht - was würde das beweisen? Kein Mensch sieht ihn einfach so. Das beweist gar nichts. Die wichtigsten Dinge bleiben meistens unsichtbar.
Die Elfen zum Beispiel, wenn sie auf den Mondwiesen tanzen. Trotzdem gibt es sie. All die Wunder zu denken - geschweige denn sie zu sehen - das vermag nicht einmal der Klügste auf der Welt.
Was Du auch siehst. Du siehst nie alles - Du kannst ein Kaleidoskop aufbrechen und nach den schönen Farbfiguren suchen. Du wirst einige bunte Scherben finden, nichts weiter - Warum? Weil es einen Schleier gibt, der die wahre Welt verhüllt, einen Schleier, den nicht einmal alle Gewalt auf der Welt zerreißen kann. Nur Glaube und Poesie und Liebe können ihn lüften. Dann werden die Schönheit und Herrlichkeit dahinter auf einmal zu erkennen sein.
"Ist das denn auch wahr?" kannst Du fragen. Virginia, nichts auf der ganzen Welt ist wahrer und nichts beständiger.
Der Weihnachtsmann lebt, und er wird ewig leben. Sogar in zehnmal zehntausend Jahren wird er da sein, um Kinder wie Dich und jedes offene Herz mit Freude zu erfüllen.
Frohe Weihnacht, Virginia
Dein Francis P. Church