Bislang galt: Wer Aktien länger als ein Jahr hält, musste beim Verkauf einen möglichen Spekulationsgewinn nicht versteuern. Doch die Regierung plant nun, die einjährige Spekulationsfrist zu streichen und alle Aktiengewinne unabhängig vom Zeitpunkt der Gewinnerzielung zu besteuern. Dabei soll es keine Rolle spielen, wann die Papiere gekauft und wie lange sie gehalten wurden. Diese Pläne werfen allerdings mehrere Probleme auf:
Problem 1: Besteuerung war nicht absehbar
Die Aufhebung der Spekulationsfrist benachteiligt vor allem diejenigen Investmentsparer, die in einem langen Zeitraum ihr Geld in Aktien anlegen. Denn wer Aktien vor zehn, fünf oder einem Jahr im Vertrauen auf steuerfreie Gewinne erworben hat, und sie nach dem 1. Januar 2003 mit Gewinn verkaufen will, muss diese Einnahmen dann wie sein Einkommen versteuern - obwohl er beim Kauf nicht damit rechnen konnte. Dadurch würden einige durch die Auszahlung mit einem höheren Einkommenssteuersatz besteuert werden.
Einige Rechenbeispiele:
1. Wer in den vergangenen 30 Jahren monatlich 50 Euro in deutsche Aktienfonds investierte, verfügte am 30. Juni 2002 über ein Vermögen von durchschnittlich 82.833 Euro - bei Einzahlungen von lediglich 18.000 Euro. Die Differenz beträgt 64.833 Euro. Unter der Voraussetzung, dass von dem Wertzuwachs etwa 90 Prozent der Kapitalgewinnbesteuerung unterliegen (die schon jährlich versteuerten Dividenden sind also abgezogen), müssten 58.350 Euro der persönlichen Einkommensteuer unterworfen werden.
2. Ein Lediger mit Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (Arbeitnehmer) in Höhe von beispielsweise 50.000 Euro hätte bei Verkauf im Beispieljahr dann 118.350 Euro zu versteuern. Da bei 55.000 Euro der Höchststeuersatz von 48,5 Prozent plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag greift, wäre der Kapitalgewinn etwa mit 51 Prozent zu versteuern. Rund die Hälfte, der 58.350 Euro, nämlich 29.175 Euro, gingen dann an den Fiskus.
3. Bei den Vermögenswirksamen Leistungen lag das Ergebnis zwischen 1968 und 2001 im Durchschnitt bei 4.122 Euro - eingezahlt wurden 2.880 Euro. Bei Geringverdienern ist die Arbeitnehmer-Sparzulage von 492 Euro zu addieren. 90 Prozent der Differenz wären in diesem Beispiel dann 1.118 Euro, die der persönlichen Einkommenssteuer zu unterwerfen sind. Läge diese etwa bei 40 Prozent, flössen 447 Euro wieder an den Fiskus zurück. Für die Betroffenen wäre dies also fast ein Nullsummenspiel.
Die Lösung könnten ein anderer Steuersatz als bei der Einkommenssteuer und hohe Freibeträge für Aktiengewinne sein. Solche Freibeträge gibt es in Frankreich (7.650 Euro) oder Großbritannien (12.160 Euro).
Problem 2: Verfassungsrechtliche Bedenken
Obwohl viele langfristige Anleger beim Kauf der Aktien nicht mit der Versteuerung der Gewinnen nach Ablauf der Spekulationsfrist rechnen konnten, sollen Sie nach den Regierungsplänen dennoch für den gesamten erzielten Gewinn Steuern zahlen. Steuerrechtler halten diese rückwirkende Besteuerung für verfassungsrechtlich problematisch und verweisen auf ein ähnliches Beispiel aus der Vergangenheit, mit dem die Regierung gescheitert ist: So hatte die rot-grüne Regierung im März 1999 rückwirkend zum Jahresbeginn die Spekulationsfrist, in der der Gewinn aus Immobilenverkäufen steuerfrei bliebt von zwei auf zehn Jahre ausgedehnt. Ein Immobilienbesitzer, der im vor Inkrafttreten dieser neuen Regelung verkauft hatte und nun Steuern zahlen sollte, klagte dagegen und bekam Recht. Der Bundesfinanzhof setzte schließlich wegen ernsthafter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes die Steuervollstreckung 2001 aus.
Problem 3: Der Staat ist nur an den Gewinnen interessiert
Wenn Aktiengewinne versteuert werden, dann müssten aber auch die Verluste steuerlich entsprechend berücksichtigt werden. Bislang ist dies nur mit Gewinnen und Verlusten aus Aktiengeschäften möglich. Anleger haben allerdings keine Möglichkeit, solche Verluste auch mit ihrem Gehalt zu verrechnen und so die Einkommenssteuer zu senken.
Problem 4: Bankgeheimnis müsste gelockert werden
Wer heute innerhalb der Spekulationsfrist Aktiengewinne einstreicht muss er dafür Steuern zahlen - vorausgesetzt er meldet seine Gewinne. Tut er das nicht, hat der Staat schlechte Karten. Denn um solchen Steuerschuldnern auf die Schliche zu kommen, müsste die Banken die Finanzämter regelmäßig über realisierten Spekulationsgewinne ihrer Kunden informieren - erst recht wenn einmal alle Gewinne aus Aktiengeschäften besteuert werden sollen. Doch dagegen sträuben sich die Geldinstitute: Schließlich würde eine solche Regelmitteilung das Bankgeheimnis aufweichen.
Probleme könne es auch bei der rückwirkenden Besteuerung geben, denn die Aufbewahrungsfristen für Kontounterlagen beträgt für Banken nur zehn Jahre. Die Geldhäuser können also nicht mehr ermitteln, zu welchem Kurs ein Bankkunde seinen Fonds vor elf Jahren gekauft hat.
Auf Anfrage von [plusminus hielt man sich beim Bundesfinanzministerium bedeckt. Offenbar beginnt man auch hier bereits zu ahnen, dass die Pläne am Ziel vorbeischießen könnten - es scheint, als ob in Sachen Spekulationssteuer noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 22.10.02 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
Problem 1: Besteuerung war nicht absehbar
Die Aufhebung der Spekulationsfrist benachteiligt vor allem diejenigen Investmentsparer, die in einem langen Zeitraum ihr Geld in Aktien anlegen. Denn wer Aktien vor zehn, fünf oder einem Jahr im Vertrauen auf steuerfreie Gewinne erworben hat, und sie nach dem 1. Januar 2003 mit Gewinn verkaufen will, muss diese Einnahmen dann wie sein Einkommen versteuern - obwohl er beim Kauf nicht damit rechnen konnte. Dadurch würden einige durch die Auszahlung mit einem höheren Einkommenssteuersatz besteuert werden.
Einige Rechenbeispiele:
1. Wer in den vergangenen 30 Jahren monatlich 50 Euro in deutsche Aktienfonds investierte, verfügte am 30. Juni 2002 über ein Vermögen von durchschnittlich 82.833 Euro - bei Einzahlungen von lediglich 18.000 Euro. Die Differenz beträgt 64.833 Euro. Unter der Voraussetzung, dass von dem Wertzuwachs etwa 90 Prozent der Kapitalgewinnbesteuerung unterliegen (die schon jährlich versteuerten Dividenden sind also abgezogen), müssten 58.350 Euro der persönlichen Einkommensteuer unterworfen werden.
2. Ein Lediger mit Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (Arbeitnehmer) in Höhe von beispielsweise 50.000 Euro hätte bei Verkauf im Beispieljahr dann 118.350 Euro zu versteuern. Da bei 55.000 Euro der Höchststeuersatz von 48,5 Prozent plus 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag greift, wäre der Kapitalgewinn etwa mit 51 Prozent zu versteuern. Rund die Hälfte, der 58.350 Euro, nämlich 29.175 Euro, gingen dann an den Fiskus.
3. Bei den Vermögenswirksamen Leistungen lag das Ergebnis zwischen 1968 und 2001 im Durchschnitt bei 4.122 Euro - eingezahlt wurden 2.880 Euro. Bei Geringverdienern ist die Arbeitnehmer-Sparzulage von 492 Euro zu addieren. 90 Prozent der Differenz wären in diesem Beispiel dann 1.118 Euro, die der persönlichen Einkommenssteuer zu unterwerfen sind. Läge diese etwa bei 40 Prozent, flössen 447 Euro wieder an den Fiskus zurück. Für die Betroffenen wäre dies also fast ein Nullsummenspiel.
Die Lösung könnten ein anderer Steuersatz als bei der Einkommenssteuer und hohe Freibeträge für Aktiengewinne sein. Solche Freibeträge gibt es in Frankreich (7.650 Euro) oder Großbritannien (12.160 Euro).
Problem 2: Verfassungsrechtliche Bedenken
Obwohl viele langfristige Anleger beim Kauf der Aktien nicht mit der Versteuerung der Gewinnen nach Ablauf der Spekulationsfrist rechnen konnten, sollen Sie nach den Regierungsplänen dennoch für den gesamten erzielten Gewinn Steuern zahlen. Steuerrechtler halten diese rückwirkende Besteuerung für verfassungsrechtlich problematisch und verweisen auf ein ähnliches Beispiel aus der Vergangenheit, mit dem die Regierung gescheitert ist: So hatte die rot-grüne Regierung im März 1999 rückwirkend zum Jahresbeginn die Spekulationsfrist, in der der Gewinn aus Immobilenverkäufen steuerfrei bliebt von zwei auf zehn Jahre ausgedehnt. Ein Immobilienbesitzer, der im vor Inkrafttreten dieser neuen Regelung verkauft hatte und nun Steuern zahlen sollte, klagte dagegen und bekam Recht. Der Bundesfinanzhof setzte schließlich wegen ernsthafter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes die Steuervollstreckung 2001 aus.
Problem 3: Der Staat ist nur an den Gewinnen interessiert
Wenn Aktiengewinne versteuert werden, dann müssten aber auch die Verluste steuerlich entsprechend berücksichtigt werden. Bislang ist dies nur mit Gewinnen und Verlusten aus Aktiengeschäften möglich. Anleger haben allerdings keine Möglichkeit, solche Verluste auch mit ihrem Gehalt zu verrechnen und so die Einkommenssteuer zu senken.
Problem 4: Bankgeheimnis müsste gelockert werden
Wer heute innerhalb der Spekulationsfrist Aktiengewinne einstreicht muss er dafür Steuern zahlen - vorausgesetzt er meldet seine Gewinne. Tut er das nicht, hat der Staat schlechte Karten. Denn um solchen Steuerschuldnern auf die Schliche zu kommen, müsste die Banken die Finanzämter regelmäßig über realisierten Spekulationsgewinne ihrer Kunden informieren - erst recht wenn einmal alle Gewinne aus Aktiengeschäften besteuert werden sollen. Doch dagegen sträuben sich die Geldinstitute: Schließlich würde eine solche Regelmitteilung das Bankgeheimnis aufweichen.
Probleme könne es auch bei der rückwirkenden Besteuerung geben, denn die Aufbewahrungsfristen für Kontounterlagen beträgt für Banken nur zehn Jahre. Die Geldhäuser können also nicht mehr ermitteln, zu welchem Kurs ein Bankkunde seinen Fonds vor elf Jahren gekauft hat.
Auf Anfrage von [plusminus hielt man sich beim Bundesfinanzministerium bedeckt. Offenbar beginnt man auch hier bereits zu ahnen, dass die Pläne am Ziel vorbeischießen könnten - es scheint, als ob in Sachen Spekulationssteuer noch nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Dieser Text gibt den Fernseh-Beitrag vom 22.10.02 wieder. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.