Gespannte Ruhe vor Wiedereröffnung der Wall Street
17 September, 2001 10:49 GMT
New York (Reuters) - Knapp eine Woche nach den Bombenanschlägen auf das World Trade Center und das US-Verteidigungsministerium nimmt der größte Aktienmarkt der Welt in New York am Montag seinen Handel wieder auf. Nach der längsten Schließung seit beinahe 70 Jahren schließen Händler und Analysten weder einen dramatischen Kurseinbruch noch eine "patriotische Rally" aus. Nur drei Blöcke von dem Trümmerhaufen des World Trade Centers entfernt, wo die Suche nach den tausenden von Opfern weitergeht, sollen Feuerwehrleute und Polizisten die Eröffnungs-Glocken an der Börse läuten. In einer zweiminütigen Schweigepause soll dann der Opfer gedacht werden.
Zahlreiche Unternehmen werden voraussichtlich mit Aktienrückkäufen den Markt stützten.
Vorläufige Tests der New Yorker Börse (Nyse) waren am Wochenende planmäßig verlaufen. Der Auftakt um 15.30 Uhr MESZ könnte dennoch hektisch werden, da zahlreiche Brokerhäuser nach der Zerstörung des World Trade Centers und der Beschädigung zahlreicher nahgelegenen Gebäude ihre Computersysteme sowie Handelsunterlagen verloren haben. Darüber hinaus fehlen an der Wall Street auch tausende von Mitarbeitern der Brokerhäuser, die bei dem Anschlag ums Leben kamen.
Das Gebäude der Aktienbörse (Nyse) selbst blieb unversehrt. Die Computerbörse Nasdaq, die zweitgrößte Börse der USA, hatte am Wochenende ebenfalls ihre Tests erfolgreich absolviert. Die American Stock Exchange, deren Gebäude in unmittelbarer Nähe des World Trade Centers offenbar nicht beschädigt wurde, wird dennoch auf die Nyse und die Börse von Philadelphia ausweichen.
Über dem Finanzdistrikt im Süden Manhattans hängt weiterhin ein säuerlicher Geruch. Das Katastrophengebiet selbst ist weiter abgesperrt. Eine große amerikanische Flagge hängt an der Vorderfront der New York Stock Exchange. Staub und Trümmer, die in den Straßen um die Börse lagen, wurden am Wochenende beseitigt. Am Dienstag hatte die Börse angesichts der Anschläge weniger als eine Stunde vor regulärem Börsenbeginn den Handel gar nicht erst aufgenommen. Die gesamte Südspitze Manhattans war evakuiert worden.
Unterstützung könnte die Wall Street von zahlreichen Unternehmen bekommen, die jetzt Aktienrückkaufprogramme aufgelegt haben. Die Börsenaufsicht hatte in der vorigen Woche die Bestimmungen gelockert, die den Rückkauf eigener Aktien ermöglichen. Am Sonntag teilte der Bankkonzern FleetBoston Financial Corp mit, er wolle eigene Aktien im Volumen von bis zu vier Milliarden Dollar zurückkaufen. Zuvor hatte bereits der Netzwerkausrüster Cisco Systems Inc ein Rückkauf-Programm über bis zu drei Milliarden Dollar aufgelegt. Zudem gibt es Spekulationen über eine vorzeitige Senkung der Zinsen durch die US-Notenbank (Fed). Die Fed hatte bereits in der vergangenen Woche ähnlich wie die Europäische Zentralbank (EZB) zusätzliche Liquidität in den Geldmarkt gepumpt, um die Märkte zu beruhigen.
Wirtschaftlich besonders betroffen von den Terroanschlägen sind laut Analysten die Luftfahrt- und Konsumgüterindustrie sowie die Versicherer und Banken. Neun der 30 im Blue-Chip-Index Dow Jones notierten Firmen sind im Einzelhandel beziehungsweise im Konsumbereich tätig. Vier Firmen sind Finanzunternehmen. Vor allem die ohnehin schon durch die schwache Konjunktur und den starken internationalen Wettbewerb gebeutelten Luftfahrtunternehmen stehen laut Analysten nun mit dem Rücken an der Wand. Der fünftgrößten US-Fluggesellschaft Continental Airlines droht nach eigenen Angaben wegen der Folgen der Anschläge in den USA möglicherweise der Konkurs.
Einige Analysten halten es aber auch für möglich, dass der Markt besser als erwartet eröffnet. "Die Finanzmärkte könnten freundlicher eröffnen, als wir meinen", sagte James Glassman von J.P. Morgan Chase in New York. Milton Ezrati, Stratege bei Lord Abbett & Co, rechnet zum Börsenstart mit Kurseinbrüchen auf breiter Front. Dennoch sei die Wahrscheinlichkeit eines panikartigen Ausverkaufs gering, weil die Eröffnung so lange hinausgeschoben worden war. Analysten stimmten darin überein, dass die viertägige Handelspause - die längste seit der großen Depression im Jahr 1933 - Investoren Zeit gegeben habe, Panikreaktionen zu überwinden, die die Aktien am vergangenen Dienstag wahrscheinlich hätten dramatisch einbrechen lassen.
Einen positiven Einfluss könnte laut Analysten auch der Patriotismus vieler Anleger - institutioneller und privater - haben. Vizepräsident Dick Cheney hatte in der Sonntags-Talkshow des Fernsehsenders NBC erklärt, er hoffe das amerikanische Volk werde den Terroristen trotzen und Vertrauen in das Land und seine Wirtschaft demonstrieren. US-Milliardär Warren Buffet will nach eigener Aussage mit Wiedereröffnung der Börse keine Aktien verkaufen. Der Großinvestor sagte am Sonntag in Washington, falls die Wall Street nachhaltig fallen sollte, werde er dies zu Käufen nutzen.
Die europäischen und asiatischen Börsen gaben bei sehr nervösem Handel weiter nach. Zeitweise fiel der Dax um mehr als drei Prozent unter 4000 Punkte, erholte sich dann aber wieder. Seit Dienstag handeln die asiatischen und europäischen Börsen ohne die Weltleitbörse. Nach ersten dramatischen Kurseinbrüchen am Dienstagnachmittag beruhigte sich der Handel wieder. Die Nyse ist die größte Börse der Welt. Täglich werden dort Aktien für fast 43 Milliarden Dollar gehandelt.
17 September, 2001 10:49 GMT
New York (Reuters) - Knapp eine Woche nach den Bombenanschlägen auf das World Trade Center und das US-Verteidigungsministerium nimmt der größte Aktienmarkt der Welt in New York am Montag seinen Handel wieder auf. Nach der längsten Schließung seit beinahe 70 Jahren schließen Händler und Analysten weder einen dramatischen Kurseinbruch noch eine "patriotische Rally" aus. Nur drei Blöcke von dem Trümmerhaufen des World Trade Centers entfernt, wo die Suche nach den tausenden von Opfern weitergeht, sollen Feuerwehrleute und Polizisten die Eröffnungs-Glocken an der Börse läuten. In einer zweiminütigen Schweigepause soll dann der Opfer gedacht werden.
Zahlreiche Unternehmen werden voraussichtlich mit Aktienrückkäufen den Markt stützten.
Vorläufige Tests der New Yorker Börse (Nyse) waren am Wochenende planmäßig verlaufen. Der Auftakt um 15.30 Uhr MESZ könnte dennoch hektisch werden, da zahlreiche Brokerhäuser nach der Zerstörung des World Trade Centers und der Beschädigung zahlreicher nahgelegenen Gebäude ihre Computersysteme sowie Handelsunterlagen verloren haben. Darüber hinaus fehlen an der Wall Street auch tausende von Mitarbeitern der Brokerhäuser, die bei dem Anschlag ums Leben kamen.
Das Gebäude der Aktienbörse (Nyse) selbst blieb unversehrt. Die Computerbörse Nasdaq, die zweitgrößte Börse der USA, hatte am Wochenende ebenfalls ihre Tests erfolgreich absolviert. Die American Stock Exchange, deren Gebäude in unmittelbarer Nähe des World Trade Centers offenbar nicht beschädigt wurde, wird dennoch auf die Nyse und die Börse von Philadelphia ausweichen.
Über dem Finanzdistrikt im Süden Manhattans hängt weiterhin ein säuerlicher Geruch. Das Katastrophengebiet selbst ist weiter abgesperrt. Eine große amerikanische Flagge hängt an der Vorderfront der New York Stock Exchange. Staub und Trümmer, die in den Straßen um die Börse lagen, wurden am Wochenende beseitigt. Am Dienstag hatte die Börse angesichts der Anschläge weniger als eine Stunde vor regulärem Börsenbeginn den Handel gar nicht erst aufgenommen. Die gesamte Südspitze Manhattans war evakuiert worden.
Unterstützung könnte die Wall Street von zahlreichen Unternehmen bekommen, die jetzt Aktienrückkaufprogramme aufgelegt haben. Die Börsenaufsicht hatte in der vorigen Woche die Bestimmungen gelockert, die den Rückkauf eigener Aktien ermöglichen. Am Sonntag teilte der Bankkonzern FleetBoston Financial Corp mit, er wolle eigene Aktien im Volumen von bis zu vier Milliarden Dollar zurückkaufen. Zuvor hatte bereits der Netzwerkausrüster Cisco Systems Inc ein Rückkauf-Programm über bis zu drei Milliarden Dollar aufgelegt. Zudem gibt es Spekulationen über eine vorzeitige Senkung der Zinsen durch die US-Notenbank (Fed). Die Fed hatte bereits in der vergangenen Woche ähnlich wie die Europäische Zentralbank (EZB) zusätzliche Liquidität in den Geldmarkt gepumpt, um die Märkte zu beruhigen.
Wirtschaftlich besonders betroffen von den Terroanschlägen sind laut Analysten die Luftfahrt- und Konsumgüterindustrie sowie die Versicherer und Banken. Neun der 30 im Blue-Chip-Index Dow Jones notierten Firmen sind im Einzelhandel beziehungsweise im Konsumbereich tätig. Vier Firmen sind Finanzunternehmen. Vor allem die ohnehin schon durch die schwache Konjunktur und den starken internationalen Wettbewerb gebeutelten Luftfahrtunternehmen stehen laut Analysten nun mit dem Rücken an der Wand. Der fünftgrößten US-Fluggesellschaft Continental Airlines droht nach eigenen Angaben wegen der Folgen der Anschläge in den USA möglicherweise der Konkurs.
Einige Analysten halten es aber auch für möglich, dass der Markt besser als erwartet eröffnet. "Die Finanzmärkte könnten freundlicher eröffnen, als wir meinen", sagte James Glassman von J.P. Morgan Chase in New York. Milton Ezrati, Stratege bei Lord Abbett & Co, rechnet zum Börsenstart mit Kurseinbrüchen auf breiter Front. Dennoch sei die Wahrscheinlichkeit eines panikartigen Ausverkaufs gering, weil die Eröffnung so lange hinausgeschoben worden war. Analysten stimmten darin überein, dass die viertägige Handelspause - die längste seit der großen Depression im Jahr 1933 - Investoren Zeit gegeben habe, Panikreaktionen zu überwinden, die die Aktien am vergangenen Dienstag wahrscheinlich hätten dramatisch einbrechen lassen.
Einen positiven Einfluss könnte laut Analysten auch der Patriotismus vieler Anleger - institutioneller und privater - haben. Vizepräsident Dick Cheney hatte in der Sonntags-Talkshow des Fernsehsenders NBC erklärt, er hoffe das amerikanische Volk werde den Terroristen trotzen und Vertrauen in das Land und seine Wirtschaft demonstrieren. US-Milliardär Warren Buffet will nach eigener Aussage mit Wiedereröffnung der Börse keine Aktien verkaufen. Der Großinvestor sagte am Sonntag in Washington, falls die Wall Street nachhaltig fallen sollte, werde er dies zu Käufen nutzen.
Die europäischen und asiatischen Börsen gaben bei sehr nervösem Handel weiter nach. Zeitweise fiel der Dax um mehr als drei Prozent unter 4000 Punkte, erholte sich dann aber wieder. Seit Dienstag handeln die asiatischen und europäischen Börsen ohne die Weltleitbörse. Nach ersten dramatischen Kurseinbrüchen am Dienstagnachmittag beruhigte sich der Handel wieder. Die Nyse ist die größte Börse der Welt. Täglich werden dort Aktien für fast 43 Milliarden Dollar gehandelt.