04.09.2001 13:00
GoingPublic-Kolumne: Geschichte wiederholt sich - auch in der Biotechnologie?
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic.de) - "Wir wissen noch gar nicht, was schlechte Erfahrungen sind, wie sie die Amerikaner schon gemacht haben" so Dr. Lutz Müller-Kuhrt, CEO der AnalytiCon Discovery. Doch jetzt sind sie da. Die schlechten Erfahrungen offenbaren sich jedem Anleger beim Blick auf sein Biotech-Depot. Interessanterweise liegt das Zitat des Geschäftsführers der AnalytiCon nunmehr fast drei Jahre zurück. Müller-Kuhrt äußerte es im Interview mit GoingPublic im Rahmen der großen Biotechnologie-Serie. Inzwischen lehrt uns die Realität an den Wachstumsbörsen der Welt, was er damit meinte. Manchmal lohnt es sich, die Geschichte zu bemühen, um die Gegenwart zu verstehen. Ein Beispiel: "Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden... Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben". Dies könnte aus dem Munde eines zeitkritischen Geistes der Gegenwart stammen. Es ist aber mitnichten so. Gesagt hat es, so wenigstens die Überlieferung, Marcus Tullius Cicero im Rom des Jahres 55 v. Chr. Hätte also nicht ein Blick in die Vergangenheit den Anlegern hierzulande helfen können, Kursverluste zu vermeiden? Anfang der 90er Jahre gab es in den USA im Biotechnologie-Sektor bereits einmal einen Einbruch an der Börse. Ähnlich in Kanada, einem anderen Land mit großer Biotech-Präsenz an der Börse. Mehr als 50 Unternehmen notieren beim nördlichen Nachbarn der Amerikaner. Mitte der Neunziger hatten die Kanadier ihren Crash. Und ganz zu schweigen vom königlichen Britannien. Mit dem "Einbruch" des Aushängeschildes British Biotech stürzte auch hier die Branche in ein Tal der Tränen. Allen drei Märkten ist gemeinsam, dass der Katzenjammer keineswegs nur ein One-Night-Stand war, sondern eine zeitlang dauerte; genauer einige Jahre. Wer könnte jetzt schon sagen, an deutschen Börsen liefe es anders als bei den Biotech-Vorreiter-Nationen ab? Kann das jemand angesichts dieser Erfahrungen wirklich behaupten? Einige Unternehmen zeigen sich bei abgeschaltetem Mikrofon zwar bereits wieder kampfeslustig. Doch warum sollte es die Biotech-Unternehmen in Massen an die Börse und die Kurse ohne große Neuigkeiten auf breiter Front in die Höhe treiben? Wäre nicht die andere Möglichkeit, dass sich auch die deutschen Börsen in die Lethargie bewegen? Was ist, wenn jetzt zwei, oder vielleicht sogar drei Jahre lang gar nichts passiert? Nun, denkbar wäre es. Und es gibt durchaus interpretierbare Hinweise in dieser Richtung. Fast alle Fachleute behaupten, dass die Zeit der großen Biotech-Gründungswelle in Deutschland abebbt. Es gibt weniger Neugründungen. Die Unternehmen konsolidieren sich, sei es durch die Insolvenz oder durch intelligente Zusammenschlüsse. Kritische Masse wird erzeugt. Einige Venture Capitalists setzen in ihrer Strategie auch dort bereits erfolgreich an, frei nach dem Motto: "Besser wenige, dafür aber gut finanzierte Biotech-Unternehmen". Apax Partners erwarb zum Beispiel nach diesem Grundsatz 50 % der Berliner MetaGen GmbH für immerhin 42 Mio. Euro. Die Hamburger BioAgency half dem Start-up Mermaid Pharmaceuticals 13 Mio. Euro für die Erstrundenfinanzierung auf die Beine zu stellen: ein Rekord-Volumen in diesem Stadium. Was uns diese Beispiele sagen, liegt auf der Hand: gut finanzierte Unternehmen verspüren nicht unbedingt den Zwang zum Börsengang. Schlechte Zeiten können auch einmal nach der Altkanzler-Methode einfach ausgesessen werden. Pech für den Anleger? Mitnichten, denn ein gutes Investment macht sich nicht daran aus, möglichst lange investiert zu sein, sondern zum richtigen Zeitpunkt einzusteigen. Trudi Schifter, die ehemalige Repräsentantin des Staates Kalifornien in Europa sagte übrigens 1999: "Es bleibt zu hoffen, dass die europäische Biotech-Industrie aus dem Einbruch der US-Biotech-Unternehmen an der Börse die entsprechenden Lehren ziehen wird und solche Fehler nicht wiederholt". Sei es drum: es liegt wohl im Naturell des Menschen nicht unbedingt auf die Ciceros und Schifters zu hören, sondern stets zumindest ein kleines Teil des Rades neu zu erfinden. Lernen und Schmerz liegen wohl oftmals nah beieinander. Eines steht allerdings fest, egal ob der Einstieg in Biotech-Aktien jetzt schon lohnt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt: Das Potential der Biotechnologie angesichts der faktisch nachweisbaren Erfolge noch einmal hervorzuheben, hieße Eulen nach Athen zu tragen.
GoingPublic-Kolumne: Geschichte wiederholt sich - auch in der Biotechnologie?
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic.de) - "Wir wissen noch gar nicht, was schlechte Erfahrungen sind, wie sie die Amerikaner schon gemacht haben" so Dr. Lutz Müller-Kuhrt, CEO der AnalytiCon Discovery. Doch jetzt sind sie da. Die schlechten Erfahrungen offenbaren sich jedem Anleger beim Blick auf sein Biotech-Depot. Interessanterweise liegt das Zitat des Geschäftsführers der AnalytiCon nunmehr fast drei Jahre zurück. Müller-Kuhrt äußerte es im Interview mit GoingPublic im Rahmen der großen Biotechnologie-Serie. Inzwischen lehrt uns die Realität an den Wachstumsbörsen der Welt, was er damit meinte. Manchmal lohnt es sich, die Geschichte zu bemühen, um die Gegenwart zu verstehen. Ein Beispiel: "Der Staatshaushalt muss ausgeglichen sein. Die öffentlichen Schulden müssen verringert, die Arroganz der Behörden muss gemäßigt und kontrolliert werden... Die Leute sollen wieder lernen zu arbeiten, statt auf öffentliche Rechnung zu leben". Dies könnte aus dem Munde eines zeitkritischen Geistes der Gegenwart stammen. Es ist aber mitnichten so. Gesagt hat es, so wenigstens die Überlieferung, Marcus Tullius Cicero im Rom des Jahres 55 v. Chr. Hätte also nicht ein Blick in die Vergangenheit den Anlegern hierzulande helfen können, Kursverluste zu vermeiden? Anfang der 90er Jahre gab es in den USA im Biotechnologie-Sektor bereits einmal einen Einbruch an der Börse. Ähnlich in Kanada, einem anderen Land mit großer Biotech-Präsenz an der Börse. Mehr als 50 Unternehmen notieren beim nördlichen Nachbarn der Amerikaner. Mitte der Neunziger hatten die Kanadier ihren Crash. Und ganz zu schweigen vom königlichen Britannien. Mit dem "Einbruch" des Aushängeschildes British Biotech stürzte auch hier die Branche in ein Tal der Tränen. Allen drei Märkten ist gemeinsam, dass der Katzenjammer keineswegs nur ein One-Night-Stand war, sondern eine zeitlang dauerte; genauer einige Jahre. Wer könnte jetzt schon sagen, an deutschen Börsen liefe es anders als bei den Biotech-Vorreiter-Nationen ab? Kann das jemand angesichts dieser Erfahrungen wirklich behaupten? Einige Unternehmen zeigen sich bei abgeschaltetem Mikrofon zwar bereits wieder kampfeslustig. Doch warum sollte es die Biotech-Unternehmen in Massen an die Börse und die Kurse ohne große Neuigkeiten auf breiter Front in die Höhe treiben? Wäre nicht die andere Möglichkeit, dass sich auch die deutschen Börsen in die Lethargie bewegen? Was ist, wenn jetzt zwei, oder vielleicht sogar drei Jahre lang gar nichts passiert? Nun, denkbar wäre es. Und es gibt durchaus interpretierbare Hinweise in dieser Richtung. Fast alle Fachleute behaupten, dass die Zeit der großen Biotech-Gründungswelle in Deutschland abebbt. Es gibt weniger Neugründungen. Die Unternehmen konsolidieren sich, sei es durch die Insolvenz oder durch intelligente Zusammenschlüsse. Kritische Masse wird erzeugt. Einige Venture Capitalists setzen in ihrer Strategie auch dort bereits erfolgreich an, frei nach dem Motto: "Besser wenige, dafür aber gut finanzierte Biotech-Unternehmen". Apax Partners erwarb zum Beispiel nach diesem Grundsatz 50 % der Berliner MetaGen GmbH für immerhin 42 Mio. Euro. Die Hamburger BioAgency half dem Start-up Mermaid Pharmaceuticals 13 Mio. Euro für die Erstrundenfinanzierung auf die Beine zu stellen: ein Rekord-Volumen in diesem Stadium. Was uns diese Beispiele sagen, liegt auf der Hand: gut finanzierte Unternehmen verspüren nicht unbedingt den Zwang zum Börsengang. Schlechte Zeiten können auch einmal nach der Altkanzler-Methode einfach ausgesessen werden. Pech für den Anleger? Mitnichten, denn ein gutes Investment macht sich nicht daran aus, möglichst lange investiert zu sein, sondern zum richtigen Zeitpunkt einzusteigen. Trudi Schifter, die ehemalige Repräsentantin des Staates Kalifornien in Europa sagte übrigens 1999: "Es bleibt zu hoffen, dass die europäische Biotech-Industrie aus dem Einbruch der US-Biotech-Unternehmen an der Börse die entsprechenden Lehren ziehen wird und solche Fehler nicht wiederholt". Sei es drum: es liegt wohl im Naturell des Menschen nicht unbedingt auf die Ciceros und Schifters zu hören, sondern stets zumindest ein kleines Teil des Rades neu zu erfinden. Lernen und Schmerz liegen wohl oftmals nah beieinander. Eines steht allerdings fest, egal ob der Einstieg in Biotech-Aktien jetzt schon lohnt oder erst zu einem späteren Zeitpunkt: Das Potential der Biotechnologie angesichts der faktisch nachweisbaren Erfolge noch einmal hervorzuheben, hieße Eulen nach Athen zu tragen.