KILIANS KOLUMNE
Philatelistisches Refresco beim Vize-Papst
Von Martin Kilian
Ein voller Erfolg, die Europareise des US-Präsidenten: Sogar eine Audienz beim Papst wurde W. gewährt - leider nur bei Johannes Paul dem Zweiten, dem Vize-Papst, aber immerhin. Leider wollte der Pontifex nur über Briefmarken und kleine Jungs reden, bevor er einfach einnickte. Noch nicht einmal ein kühles Refreshment bot er seinem Gast an. Seltsam, sehr seltsam.
Bei Stetson's an der U Street in Washington ging es mal wieder extrem hoch her. Kid Rock hallte in meinen Ohren, lauwarmes Bier läpperte auf der Bar und in der Ecke lümmelte der Mond vor einem naturtrüben Mineralwasser.
Just dann vernahmen wir ein Brummen. Rotorengebrumm. Ein Lützelhuber! Goethe auf der Reise nach Italien? Graf Zeppelin? Peter Pan? Plötzlich schrieen alle im Gastraum hell auf: George W. Bush! Direkt über unseren Köpfen flog er in seinem Helikopter! Zurück aus Europa! Yoohoo! Er ist wieder da! Washington war so leer ohne ihn. So unbedeutend. Das Gebrumm! Vielleicht war es Bushs Kopf! Voll von europäischen Eindrücken! Oder waren es doch nur die Rotoren des Lützelhubers?
Dafür hätte ja auch Cheney gereicht!
In der Tat: Ws. Kopf surrte wie verrückt. So viel erlebt! Endlich wieder im ovalen Büro. Oh Boy! Wie sich die Arbeit in seiner Abwesenheit aufgetürmt hatte! Und der volle Anrufbeantworter! Musharraf hatte sich gemeldet - irgend etwas wegen "Kaschmir". Verdammt, er hatte Parvez doch kürzlich einen Pulli geschenkt! Auch hatte ein gewisser Moby angerufen. Sich als "Mixer" vorgestellt. Mixer? In der Küche des Weißen Hauses hatten sie ein dutzend davon. Unerhört, diese Vertreter! Direkt bei ihm anzurufen! Bedächtig zog W. die Stiefel aus. Legte die Socken auf den Schreibtisch. Nicht aber die Beine. Zu müde. Welch ein Trip! Er stellte den Anrufbeantworter ab. Rom! Alle Straßen führten dorthin! Sogar Fischer "Bob" Joschkas Highway 61! Wahnsinn! Auch Wladimir war in Rom gewesen. Ein herziger Mann, dem leider elf Zeitzonen gehörten. Er selbst besaß nur... vier? Zwei? Wie auch immer: Jedenfalls keine elf. Mist!
Dafür hatte er eine Audienz im Vatikan beim Papst gehabt. 20 Minuten! Zu erzählen gab es jedoch nicht viel. Er hatte nur Johannes Paul den Zweiten getroffen. Der Vize! Der Stellvertreter von Johannes Paul dem Ersten! Ein Hammer! Dafür hätte ja auch Cheney gereicht! Ein klarer Protokollverstoß! Ungeheuerlich! Aber wo war der erste Johannes Paul? Und warum gab es zwei? Sehr dubios! Seinen wohlgemeinten Vorschlag, die riesigen Ölvorkommen unter dem Petersdom anzubohren, hatte die Nummer zwei brüsk abgelehnt. Dann hatte er geschwiegen. Man saß... und saß. Bis W. erschrak - er hatte das Gastgeschenk vergessen! Einen Ring Krakauer! Polska Kielbasa, Baby! Nervös hatte W. daraufhin mit einem Silberdollar in der Hosentasche gespielt. Leider war die Münze - versehentlich! - aus seiner Tasche auf den Boden gerollt. Verschämt hatte W. so getan, als betrachte er die Refrescos an der Decke. Wow! Seven-Up. Orangina. Sinalco. Nanu?! Wie waren die bloß dorthin gekommen? Michelangelo? Im Refresco-Geschäft?
Ahhh, jetzt ein Refresco!
Plötzlich hatte der Pontifex zu sprechen begonnen. zu Hause - bei W. - gebe es leider "dieses Problem" mit Priestern und kleinen Jungs, hatte er gesagt. W. hatte nur Bahnhof verstanden. Was meinte Seine Heiligkeit? Priester und kleine Jungs? Der Papst nuschelte. W. beugte sich nach vorne. Er verstand lediglich Fetzen: "Kirche....Pädo......Problem..." Pädo... was? Wenn nur Condi zur Stelle gewesen wäre! Ws. Kopf raste. Er schwitzte profund. Ahh, jetzt ein Refresco! Sehnlich starrte er zur Decke. Der Papst murmelte weiter... "kleine Jungs ...philie..." Jesus! Der Stellvertreter Gottes redete... über Briefmarken? W. kramte in seinem Kopf. Wo war das Wort? Phila... delphia... Nein! Phila ...phila ...telie! Bingo! Volltreffer! Also doch Briefmarken! Nein, er sammle leider nicht, warf W. hastig ein. Aus der Tasche des Pontifex war plötzlich ein Euro auf den Boden gefallen. W. war unbehaglich geworden. Schnell lenkte er ab. Hatte Musharraf dem Vatikan schon mal gedroht? Wegen Pullis? Nuklear?
Weia! Der Papst war eingenickt! W. entschloss sich, diplomatischen Kleinkram zur Sprache zu bringen: Das Müllproblem vor der Nuntiatur in Washington, wo die Monsignores leere Refresco-Dosen einfach auf die Straße schmissen. Ws. Schutzzölle auf Devotionalien. Der Albigenserstreit in Florida. Das Weihrauchproblem im Zeitalter des Duftterrors. Ben Hur, Charlton Heston und das Recht auf verdeckte Schusswaffen. Die Wiederkehr Jesu! Vor dem Wahltag 2004? Oder danach? Doch der Papst hatte - wie seltsam! - erneut das Thema Briefmarken und kleine Jungs aufgegriffen. W. hatte sich vorgenommen, den Postminister zu fragen, ob es genügend Marken zum Sammeln gab. Zu wenig Ersttagsbriefe? Hmmm...
In diesem Moment war ein Herr in einer violetten Baseballmütze ohne Schirm hereingeplatzt und hatte "Finito" ("?????") in seine, Ws. Richtung, gerufen. Wie schade! W. hatte noch einen Scherz anbringen wollen. Über Giordano Bruno und wie zu Hause in Texas manchmal auch die Falschen hingerichtet werden. Zu spät. Schwupp, war er wieder draußen. Und jetzt wieder daheim. Ah, daheim. Leise summte er "Yellow Rose Of San Antonio". Seine Gedanken waren bei Wladimir.
:-)))
QUELLE: SPIEGEL ONLINE
Philatelistisches Refresco beim Vize-Papst
Von Martin Kilian
Ein voller Erfolg, die Europareise des US-Präsidenten: Sogar eine Audienz beim Papst wurde W. gewährt - leider nur bei Johannes Paul dem Zweiten, dem Vize-Papst, aber immerhin. Leider wollte der Pontifex nur über Briefmarken und kleine Jungs reden, bevor er einfach einnickte. Noch nicht einmal ein kühles Refreshment bot er seinem Gast an. Seltsam, sehr seltsam.
Bei Stetson's an der U Street in Washington ging es mal wieder extrem hoch her. Kid Rock hallte in meinen Ohren, lauwarmes Bier läpperte auf der Bar und in der Ecke lümmelte der Mond vor einem naturtrüben Mineralwasser.
Just dann vernahmen wir ein Brummen. Rotorengebrumm. Ein Lützelhuber! Goethe auf der Reise nach Italien? Graf Zeppelin? Peter Pan? Plötzlich schrieen alle im Gastraum hell auf: George W. Bush! Direkt über unseren Köpfen flog er in seinem Helikopter! Zurück aus Europa! Yoohoo! Er ist wieder da! Washington war so leer ohne ihn. So unbedeutend. Das Gebrumm! Vielleicht war es Bushs Kopf! Voll von europäischen Eindrücken! Oder waren es doch nur die Rotoren des Lützelhubers?
Dafür hätte ja auch Cheney gereicht!
In der Tat: Ws. Kopf surrte wie verrückt. So viel erlebt! Endlich wieder im ovalen Büro. Oh Boy! Wie sich die Arbeit in seiner Abwesenheit aufgetürmt hatte! Und der volle Anrufbeantworter! Musharraf hatte sich gemeldet - irgend etwas wegen "Kaschmir". Verdammt, er hatte Parvez doch kürzlich einen Pulli geschenkt! Auch hatte ein gewisser Moby angerufen. Sich als "Mixer" vorgestellt. Mixer? In der Küche des Weißen Hauses hatten sie ein dutzend davon. Unerhört, diese Vertreter! Direkt bei ihm anzurufen! Bedächtig zog W. die Stiefel aus. Legte die Socken auf den Schreibtisch. Nicht aber die Beine. Zu müde. Welch ein Trip! Er stellte den Anrufbeantworter ab. Rom! Alle Straßen führten dorthin! Sogar Fischer "Bob" Joschkas Highway 61! Wahnsinn! Auch Wladimir war in Rom gewesen. Ein herziger Mann, dem leider elf Zeitzonen gehörten. Er selbst besaß nur... vier? Zwei? Wie auch immer: Jedenfalls keine elf. Mist!
Dafür hatte er eine Audienz im Vatikan beim Papst gehabt. 20 Minuten! Zu erzählen gab es jedoch nicht viel. Er hatte nur Johannes Paul den Zweiten getroffen. Der Vize! Der Stellvertreter von Johannes Paul dem Ersten! Ein Hammer! Dafür hätte ja auch Cheney gereicht! Ein klarer Protokollverstoß! Ungeheuerlich! Aber wo war der erste Johannes Paul? Und warum gab es zwei? Sehr dubios! Seinen wohlgemeinten Vorschlag, die riesigen Ölvorkommen unter dem Petersdom anzubohren, hatte die Nummer zwei brüsk abgelehnt. Dann hatte er geschwiegen. Man saß... und saß. Bis W. erschrak - er hatte das Gastgeschenk vergessen! Einen Ring Krakauer! Polska Kielbasa, Baby! Nervös hatte W. daraufhin mit einem Silberdollar in der Hosentasche gespielt. Leider war die Münze - versehentlich! - aus seiner Tasche auf den Boden gerollt. Verschämt hatte W. so getan, als betrachte er die Refrescos an der Decke. Wow! Seven-Up. Orangina. Sinalco. Nanu?! Wie waren die bloß dorthin gekommen? Michelangelo? Im Refresco-Geschäft?
Ahhh, jetzt ein Refresco!
Plötzlich hatte der Pontifex zu sprechen begonnen. zu Hause - bei W. - gebe es leider "dieses Problem" mit Priestern und kleinen Jungs, hatte er gesagt. W. hatte nur Bahnhof verstanden. Was meinte Seine Heiligkeit? Priester und kleine Jungs? Der Papst nuschelte. W. beugte sich nach vorne. Er verstand lediglich Fetzen: "Kirche....Pädo......Problem..." Pädo... was? Wenn nur Condi zur Stelle gewesen wäre! Ws. Kopf raste. Er schwitzte profund. Ahh, jetzt ein Refresco! Sehnlich starrte er zur Decke. Der Papst murmelte weiter... "kleine Jungs ...philie..." Jesus! Der Stellvertreter Gottes redete... über Briefmarken? W. kramte in seinem Kopf. Wo war das Wort? Phila... delphia... Nein! Phila ...phila ...telie! Bingo! Volltreffer! Also doch Briefmarken! Nein, er sammle leider nicht, warf W. hastig ein. Aus der Tasche des Pontifex war plötzlich ein Euro auf den Boden gefallen. W. war unbehaglich geworden. Schnell lenkte er ab. Hatte Musharraf dem Vatikan schon mal gedroht? Wegen Pullis? Nuklear?
Weia! Der Papst war eingenickt! W. entschloss sich, diplomatischen Kleinkram zur Sprache zu bringen: Das Müllproblem vor der Nuntiatur in Washington, wo die Monsignores leere Refresco-Dosen einfach auf die Straße schmissen. Ws. Schutzzölle auf Devotionalien. Der Albigenserstreit in Florida. Das Weihrauchproblem im Zeitalter des Duftterrors. Ben Hur, Charlton Heston und das Recht auf verdeckte Schusswaffen. Die Wiederkehr Jesu! Vor dem Wahltag 2004? Oder danach? Doch der Papst hatte - wie seltsam! - erneut das Thema Briefmarken und kleine Jungs aufgegriffen. W. hatte sich vorgenommen, den Postminister zu fragen, ob es genügend Marken zum Sammeln gab. Zu wenig Ersttagsbriefe? Hmmm...
In diesem Moment war ein Herr in einer violetten Baseballmütze ohne Schirm hereingeplatzt und hatte "Finito" ("?????") in seine, Ws. Richtung, gerufen. Wie schade! W. hatte noch einen Scherz anbringen wollen. Über Giordano Bruno und wie zu Hause in Texas manchmal auch die Falschen hingerichtet werden. Zu spät. Schwupp, war er wieder draußen. Und jetzt wieder daheim. Ah, daheim. Leise summte er "Yellow Rose Of San Antonio". Seine Gedanken waren bei Wladimir.
:-)))
QUELLE: SPIEGEL ONLINE