FTD: Warum ein Dollar-Absturz USA nicht rettet

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Anti Lemming:

FTD: Warum ein Dollar-Absturz USA nicht rettet

8
21.05.06 09:47
...aber dafür Europa umso mehr schadet.




FTD - 19.5.2006
Kolumne
Thomas Fricke: Abstürzen für Amerika

In den USA hält sich die süße Vorstellung, mit einem Dollar-Fall ließen sich die eigenen Defizite wegzaubern. Ein zweifelhaftes Szenario, das für niemanden so absurde und katastrophale Folgen hätte wie für die Europäer.

Das Szenario scheint klar, nur der Termin noch offen. Amerika importiert gut 800 Mrd. $ mehr, als es exportiert. Derart gigantische Handelsdefizite müssten den Dollar irgendwann stürzen, was US-Waren automatisch wieder billiger machen würde. Schwuppdiwupp würden so auch die Defizite schwinden.

So steht es in Lehrbüchern, und so scheinen es sich auch manche US-Politiker und -Ökonomen zu wünschen. Könnte nur sein, dass die Rechnung erstens arg gewagt ist - und zweitens nirgends so absurde wie verheerende Folgen hätte wie in Europa. Es wäre nützlich, wenn hiesige Notenbanker und Regierende dagegensteuerten, statt reichlich naiv auf die amerikanische Logik einzusteigen. Es gibt keinen wirklich vernünftigen Grund, warum die Europäer das Dollar-Schwächeln mitmachen und über eine entsprechend atemberaubende Verteuerung der eigenen Euro-Währung zur Lösung amerikanischer Probleme beitragen sollten.

Euro ist schon teuer genug

Es mag ökonomisch sinnvoll sein, den Dollar gegenüber jenen Währungen fallen zu lassen, die in den vergangenen Jahren künstlich niedrig gehalten wurden und deren Volkswirtschaften tatsächlich enorme Überschüsse im Handel mit Amerika haben. Das gilt für China, das 2005 für rund 200 Mrd. $ mehr in die USA verkauft als es von dort importiert hat - und dessen Währung dennoch jahrelang abgewertet hat, weil die Regierung sich mit Milliardeninterventionen gegen eine Aufwertung stemmte.

Es mag auch für Japan gelten, wo es ebenfalls hohe Überschüsse im US-Geschäft gibt und der Yen zwischen 2000 und 2005 sogar um 15 Prozent abgewertet (nicht aufgewertet) hat, weil die Notenbank entsprechend nachhalf.

Für die Europäer gilt das Gegenteil. Zwar verkauft auch die Euro-Zone mehr in den USA als umgekehrt. Nur liegt der Überschuss nicht einmal halb so hoch wie der chinesische, der wiederum viermal so hoch ist wie der des Exportmeisters Deutschland. Zum gesamten Rest der Welt hat der Währungsraum sogar eine ausgeglichene Leistungsbilanz, was an sich gegen akuten Kurskorrekturbedarf spricht. Trotzdem wertete der Euro schon in den vergangenen Jahren drastisch auf - so stark, dass er derzeit um fast 20 Prozent über jenen gut 1,10 $ liegt, die nach OECD-Schätzung ökonomisch vernünftig wären.

[Das deckt sich mit der Kaufpreisparität von 1,09, die ich im Eingangsposting meines Dollar-long-Threads - http://www.ariva.de/board/255969 - nenne, AL]

Entsprechend absurd ist es anzunehmen, Amerikas Defizite mit Europa hätten noch mit Preis- und Wechselkursrelationen zu tun - oder ließen sich durch weitere Aufwertungen der US-Währung jetzt einfach lösen.

Hier liegt das Zweifelhafte an den angeblich wunderbaren Dollar-Abwertungsträumen. Der Grund für drastisch gestiegene US-Defizite lag in den vergangenen Jahren zu einem gewichtigen Teil darin, dass die Amerikaner volkswirtschaftlich betrachtet über ihre Verhältnisse leben und weit mehr Geld ausgeben, als sie im Inland an Waren und Dienstleistungen bieten können. Eine Entwicklung, die durch ungewöhnlich niedrige Zinsen und eine enorme Verschuldung finanziert worden ist.

Genialer und notwendiger Ausgleich

Das war ein genialer und notwendiger Ausgleich, als die US-Wirtschaft nach 2000 in die Depression abzugleiten drohte. Jetzt wächst die Wirtschaft wieder, und dennoch geben die US-Privathaushalte monatlich mehr Geld aus, als sie erarbeiten: Im letzten Quartal 2005 machte das entsprechende Finanzierungsdefizit 4,4 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts aus. Ähnliches gilt für den Staat, der derzeit eine Summe von vier Prozent des BIP mehr ausgibt, als er nach all den Steuersenkungen noch einnimmt.

[Merkwürdig. Im Eingangsposting meines Dollar-long-Threads - http://www.ariva.de/board/255969 - hab ich eine News vom 10.5.06 zitiert, in der steht: "Das US-Haushaltsbudget verzeichnet für April einen Überschuss von 118,85 Milliarden US-Dollar... Als Grund für die positive Entwicklung wurden stärker als erwartet gestiegene Steuereinnahmen angeführt." - AL]

Beides hat stark dazu beigetragen, dass Amerikaner so viel mehr im Ausland kaufen als umgekehrt; die US-Unternehmer haben ihre Defizite in den vergangenen Jahren dagegen abgebaut und verdienen mittlerweile mehr, als sie ausgeben können. Auch das spricht eher dagegen, irgendwelche Ungleichgewichte in Amerika über eine Dollar-Korrektur abzubauen. An den Defiziten weder der privaten noch der öffentlichen Haushalte würde das viel ändern.

Die vermeintliche Sanierung über den Dollar müsste dann auch noch vom Rest der Welt bezahlt werden - durch entsprechende wechselkursbedingte Verluste an Wettbewerbsfähigkeit. Das ist eine nette Idee aus Sicht eines Amerikaners. Nur müssen die Europäer deshalb ja nicht im Kälbermarsch hinterher laufen.

Elektromarkt verschärft Globalrisiken

Selbst für die USA wäre nicht sicher, ob die Rechnung aufgeht. Beim Importweltmeister treibt jede Abwertung über steigende Einfuhrpreise die Inflation an. Und nach Modellrechnungen der Allianz-Volkswirte macht das, was die USA via sinkenden Dollar an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, nur ein Viertel dessen aus, was die entsprechende Verteuerung anderer Währungen an negativen Folgen auf das Wirtschaftswachstum und damit auf die US-Exportmöglichkeiten dorthin hätte. Der teure Euro hat schon jetzt enorm geschadet. "Per saldo würde sich die US-Leistungsbilanz sogar verschlechtern" , sagt Allianz-Ökonom David Milleker.

[Das ist etwas unklar formuliert. Gemeint ist wohl, dass die Rezession, die eine Dollarschwäche - durch den zu starken Euro - in Europa (und der Welt) auslösen würde, die Nachfrage in Europa so stark dämpfen würde, dass die Europäer trotz des billigen Dollars noch weniger als jetzt aus USA importieren könnten. Dies würde die US-Leistungsbilanz weiter verschlechtert - AL]

Schlauer wäre, das US-Außendefizit dadurch abzubauen, dass die Ursachen beseitigt werden: über den Abbau der Staatsdefizite oder über eine Erhöhung der Privateinkommen. Das würde helfen, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Zur Lösung würde aber auch gehören, dass manche Europäer mitmachen. Anders als die US-Freunde leben gerade die Deutschen eher unter ihren Verhältnissen - und geben weniger aus, als sie es sich leisten könnten. Das nennen Ökonomen Leistungsbilanzüberschuss, andere "Geiz ist geil". Weltwirtschaftliche Ungleichgewichte wurden von deutschen Elektromärkten eindeutig verstärkt.

Wie schnell neue Konsumlust dagegen globale Wunder wirkt, zeigen die Japaner. Seit ihre Wirtschaft wächst und die Leute wieder Geld ausgeben, ist der einst enorme Handelsüberschuss des Landes um ein Drittel gesunken. Da muss der Dollar gar nicht abstürzen.

Thomas Fricke ist Chefökonom der Financial Times Deutschland.



Grafik: Europa trägt Aufwertungslast
FTD: Warum ein Dollar-Absturz USA nicht rettet 41342
Anti Lemming:

Kursrakete XYZ in hyperbolischem Steigflug

 
21.05.06 10:45
Überfordern Euch solche Artikel wie der oben? Ist er "zu theoretisch"?

Manchmal glaub ich, Breitenwirkung kann man hier im Forum nur erzielen, wenn man den Chart der "Kursrakete" XYZ zeigt, der seit Monaten parabolisch gestiegen ist, und verheißt (oder besser: wähnt), dieser Anstieg würde "noch weitere drei Jahre anhalten" - verbunden mit "1000 % Gewinn-Chance".

Wenn dann drei Monate später die Kurshalbierung (und Ernüchterung) eingetreten ist, geht es weiter zur nächsten Kursrakete, diesmal aber mit doppeltem Einsatz, um die Verluste der ersten zu kompensieren...
nuessa:

Du kannst doch

2
21.05.06 11:25
nicht immer von Dir ausgehen, auch wenn Du´s immer machst. Viele interessieren sich gar nicht für Währungen oder für die USA.Bzw. für die Zusammenhänge, welche hier in Europa wirken, ganz einfach weil es einfach zuviel an Imput ist. Man muss die wertvollen News rausfiltern, es gibt ohnehin viel zu viele Einwirkungen und man kann im nachhinein alles begründen ob mit schwachen oder starken Dollar. Desh. les ich mir so was evtl. mal durch und denk mir meinen Teil dabei ...

FTD: Warum ein Dollar-Absturz USA nicht rettet 2570685

greetz nuessa

Anti Lemming:

Nuessa

 
21.05.06 11:49
Die Frage ist, ob man es sich wirklich leisten kann, im Mikro-Umfeld zu stöbern (Kursrakete XYZ) und dabei das Makro-Umfeld außer acht zu lassen, weil "alles so kompliziert ist" und man sonst reizüberflutet wird.

Wird man dann nicht zum "Börsen-Affen", der nichts hören und nicht sehen will, weil er selbstzufrieden im Konsens schwimmt?

Der US-Börsen und der Dollar mögen viele hier nicht allzu sehr interessieren. Ich glaube aber, dass die USA als Wirtschaftsmacht Nr. 1 (und Militärmacht Nr. 1 - Iran!) letztlich die Geschicke der Welt bestimmt. Wenn USA einen Schnupfen bekommt, kriegen Europa und Asien eine Grippe. Die Mär, dass sich Europa und Asien von USA abgekoppelt hätten, mag ich nicht glauben. Wir haben schließlich GLOBALISIERUNG.
nuessa:

Anti,

 
21.05.06 13:03
Du hast sicher recht, ich achte viel auf amerikanische Wirtschaftsdaten, weil wir aus mir nicht nachvollziehenden Gründen doch extrem darauf reagieren. Sicher, USA ist und bleibt vorerst die Welchtmacht in Sachen Wirtschaft und Militär.

Aber eine Überhitzung in China bereitet mir mehr Sorgen als ein durchschnittl. Wirtschaftsjahrzehnt in den USA ...

FTD: Warum ein Dollar-Absturz USA nicht rettet 2570746

greetz nuessa

Anti Lemming:

Erstaunlich, wie lange Irrtümer sich halten

 
04.06.06 18:19
In der aktuellen Diskussion um den Dollar wird immer noch standhaft an der Meinung festgehalten, der Dollar "muss weiter abwerten", um die US-Defizite auszugleichen.

Diese vor allem in USA propagierte These wird in Europa von Leuten wie EU-Ratsmitglied Liebscher munter weiter verbreitet. Die EU schadet sich damit aber selber.

Das Eingangsposting, immerhin vom Chefvolkswirt der Financial Times Deutschland, belegt, dass diese Auffassung zumindest umstritten ist - wenn nicht sogar falsch.
bobbycar:

Anti Lemming,

 
04.06.06 19:31
da ich Laie auf dem Gebiet der Währungszusammenhänge bin und mir nicht zutraue so komplexe globale Wirtschaftsbetrachtungen anzustellen kann ich dir hier nur das benennen, was mir so beim ersten Lesen direkt als Widersprüchlichkeit ins Auge stach.

Da war zum einen die Anmerkung mit dem Lehrbuch, nach dem dies und jenes nun so sein müsse. Keine Ahnung nach welchen Lehrbüchern da heute gelehrt wird, aber ich habe bei derartigen Artikeln wie in Pos. 1 immer so ein wenig den Eindruck, als wenn man die Welt klassisch betrachtet. Also der deutsche Arbeiter produziert in Deutschland für eine deutsche Firma und so läuft es in allen anderen Ländern ebenfalls ab. Untereinander betreibt man nun Handel und eine Statistik besagt dann wie sich dieses Handelsvolumen verteilt und wie leistungsstark nun eine entsprechende Volkswirtschaft ist und darauf bezogen, wo in etwa der Wert ihrer Währung im Vergleich zu anderen liegen müsse.

Nun funktioniert diese Betrachtung ja nicht mehr, weil der deutsche Unternehmer z.B. aus Kostengründen in einem anderen Land in eigenen Unternehmen oder in Lohnarbeit produziert, allerdings weiterhin für die gleichen Kunden. Verändert haben sich demnach der Weg der Ware und die Wertschöpfungskette. Diese nun noch lückenlos einem Land abbilden zu wollen, fällt mir persönlich schwer. Auch haben sich die Währungsräume verändert. Der der USA ist schon lange viel größer, als es ihr Terretorium umfasst und in Europa stehen wir dabei mal gerade am Anfang einer von den einzelnen Staaten unabhängigen Währung.

Ob Lehrbücher hier wirklich noch weiterhelfen? Denn eines ist ja auch bemerkenswert. Da wird das US-Handelbilanzdefizit mit 800 Milliarden US-Dollar benannt und eigentlich müsste es demnach der US-Wirtschaft nach klassischer Sicht schlecht gehen. Doch gleichzeitig weisen die US-Unternehmen Gewinne aus und der Arbeitsmarkt dort spricht ebenfalls für sich. Deutschland wird zwar als Exportweltmeister benannt, die Unternehmen   weisen auch entsprechende Gewinne aus, trotzdem scheint der Standort Deutschland unattraktiv zu sein, was ja auch die Arbeitslosenzahlen widerspiegeln.

Und dann ist da auch noch die Betrachtung, wonach man in den USA immer so gerne auf den Bürger verweist, der dort über Gebühr, also beständig auf Pump, zu konsumieren scheint. Mal ganz davon abgesehen, dass die Exporte der anderen eben nicht nur für diese Zielgruppe bestimmt sind, sondern auch für die beiden anderen gewichtigen Marktteilnehmer, nämlich die Unternehmen und der Staat, müsste diese Blase doch schon mehrfach geplatzt sein. Tut sie aber nicht und der amerikanische Bürger scheint entgegen jedem Wirtschafts- und Mathelehrbuch gegen einen zwangsläufig eintretenden Bankrott immun zu sein.

Also, ob man mit Lehrbuchbetrachtungen heute noch wirklich weiterkommt? Vielleicht sollte man sich mal mehr an der amerikanischen Schule orientieren, denn dort scheint man von den globalen Zusammenhängen mehr begriffen zu haben, als auf dem Rest dieser Welt. Eigentlich ist dies ja auch nicht verwunderlich, da wir in Deutschland den dort ausgebrüteten Ideen und Trends beständig hinterherhecheln, wofür alleine schon das seit Jahren vorherrschende englischsprachige Vokabular in Wirtschaftsdingen spricht.
Anti Lemming:

bobbycar

 
04.06.06 20:13
Interessante Gedanken, die ich überwiegend teile. Geld auszugeben und in die Wirtschaft sowie in den Konsum zu pumpen (zumal fremdes Geld) ist sicherlich besser für eine Volkswirtschaft als das jetzige Experiment Merkels, Deutschland mit Gewaltsparen auf 3-%-Defizit zu trimmen. Bereits das "Spar-Kabinett" Brüning ist Anfang der 1930-er Jahre damit gescheitert: Die aus dem damaligen Zwangssparen resultierenden 6 Millionen Arbeitslosen erzeugten den Sumpf, aus dem Hitler aufsteigen konnte.

Dass ich den Kurs der USA in diesem Sinne für richtig und Erfolg versprechend halte, ist auch daran erkennbar, dass ich mein Geld in Dollar angelegt habe:
http://www.ariva.de/board/255969

Die USA kann sich eine solche Schuldenwirtschaft freilich nur leisten, weil sie die Finanz- und Militärmacht Nr. 1 auf der Welt ist. Das Vertrauen in den Dollar, zumindest bislang die "Weltleitwährung", veranlasste die Asiaten, die Verkaufserlöse ihrer in die USA exportierten Produkte in US-Staatsanleihen anzulegen. Sie finanzieren damit den Pump der Amerikaner, deren Rechnung auf diese Weise aufgeht - freilich um den Preis des riesigen Außenhandels-Defizits. Außerdem kauften die Asiaten (vor allem Japaner) den Dollar, um ihre eigenen Währungen (die sie dagegen verkauften) vor Aufwertung zum Dollar zu schützen.

Ein Land wie z. B. Argentinien kann sich das nicht leisten: Als die Argentinier bis 2002 über Gebühr lebten - der Peso des wirtschaftlich schwachen Landes war bis dahin noch 1 zu 1 an den Dollar angebunden - , kam der IWF und "machte den Laden dicht". Der Peso verlor die Währungsanbindung an den Dollar und drittelte sich. Die Zeche zahlten auch deutsche Anleger, die sich "hochverzinste" argentinische Staatsanleihen zugelegt hatten.

Manchmal glaub ich, Bush und seine Mannen wollen das Vertrauen der Asiaten jetzt schamlos ausnutzen und sich über eine Mega-Inflation "entschulden". Mit einer extremen Inflation - ausgelöst durch massives "Gelddrucken" - hat sich 1923 auch die erste Regierung der "Weimarer Republik" von den lästigen Schulden aus den Kriegsanleihen (1. Weltkrieg) entschuldet. Sie wurden praktisch wertlos: Ein Brot kostete 1923 bis zu einer Billion Mark.

Innerhalb der USA wäre eine solche Inflations-Strategie "straffrei": Amerikaner würden dann halt doppelt soviel verdienen wie zuvor, was eine - inflationsbedingte - Halbierung der Kaufkraft wieder kompensierte. Die "Dummen" wären die Asiaten, die der "Politik des starken Dollars" Vertrauen geschenkt haben - und die weniger Amerikaner, die Geld gespart haben.

Ich glaube, die US-These, ein schwacher Dollar würde die Defizite tilgen, basiert teils auch auf solchen Überlegungen. Volkswirtschaftlich scheint sie aber nicht aufzugehen, weil die Exporterlöse der Amerikaner dann zu stark sinken würden (siehe rotes Zitat im Eingangsposting).

Wie auch immer: Ein sehr schwieriges Kapitel...



D







Dass die Amerikaner überhaupt stabil auf Kosten anderer leben können, geht natürlich auch auf Machtfaktoren zurück.
bobbycar:

Anti Lemming,

 
04.06.06 20:54
den Weg des Schuldenabbaus über die Inflation halte ich für den einzig möglichen. Alles andere wäre volkswirtschaftlicher Selbstmord auf Raten mit brutalen und unnötigen Härten für die Bevölkerung. Allerdings hat man sich in Deutschland (auch über die Euro-Stabilitätskriterien) dafür entschieden. Hier ist man wirklich der Meinung einen Staatshaushlt wie den eines Privaten führen zu können. Daran hat sich schon die Vorgängerregierung erfolglos versucht und anstatt am Kapitalmarkt mein Glück zu versuchen würde ich all mein verfügbares Geld darauf setzen, dass auch diese Regierung damit gnadenlos scheitert. Aber irgendwann werden auch sie es merkeln.

Allerdings die Verbindung zu Hitler und der Machtergreifung der Nazis kann ich heute nicht mehr ziehen. Klar wird es in der Folge der Sparpolitik zu weiterer Arbeitslosigkeit und zu Härten kommen und Parteien am rechten und linken Rand könnten zeitweise Zulauf bekommen. Aber das Gesamtumfeld das nötig wäre, um Nationalsozialisten oder Kommunisten dauerhaft in unseren Breiten zu etablieren ist nicht mehr gegeben und auch wohl nicht mehr her- oder vorstellbar. Zumal sie keinerlei politische Alternative anbieten könnten. Selbst eine Weltwirtschaftskrise könnte dies nicht bewerkstelligen. Bleibt ein Gespenst, welches nur noch in den Köpfen der Menschen existiert. Aber wer noch daran glauben will darf dies von mir aus auch weiterhin.

Aber zurück zum eigentlichen Thema. Was mir so auffällt ist, dass es die Amis scheinbar gar nicht so groß juckt, wo ihre Währung gerade so steht. Mag sein, dass dies nur nicht bis zu mir vordringt, aber wenn ich das Geschrei und die möglichen Folgen in Deutschland immer höre, was jetzt alles teurer wird und welche negativen Auswirkungen dies auf unsere Wirtschaft hat, dann bin ich immer sehr verwundert wie gelassen die in der neuen Welt scheinbar immer so bleiben. Und eine Dollarabwertung von mal über 4 : 1 auf heute rund 2 : 1 (in DM) haben wir ja auch recht unbeschadet überstanden. Auch diese Medaille hat zwei Seiten.
Anti Lemming:

bobbycar

 
04.06.06 21:57
Der Hitler-Vergleich sollte nur zeigen, dass es damals auf Grund der Sparpolitik des Kabinetts Brüning und wegen den daraus resultierenden 6 Millionen Arbeitslosen zu starken Instabilitäten kam (gestörter innerer Friede). Ich wollte damit keinesfalls sagen, dass die Nazis jetzt wieder an die Macht kommen könnten. Die jüngsten Unruhen in Frankreich - eine Reaktion auf die dortige Sparpolitik (Neueinstellungen) - zeigen allerdings, wie brüchig das Eis der Ruhe ist.



Schuldenabbau über Inflation war für alle Regierungen seit jeher der bequemste Weg, da stimme ich Dir zu - gerade in Krisenzeiten. Dabei wird meist der Mittelstand um seine Ersparnisse gebracht und zahlt die Zeche für die großen politischen Verfehlungen. In USA haben wir ja bereits eine anziehende Inflation. Die Fed ist (nach Jahren des billigen Geldes mit 1 % Zinsen) tatsächlich ein bisschen spät dran mit ihren Zinserhöhungen, um das noch ins Lot zu bringen. Sie wird weiter erhöhen müssen, wenn sie das Szenario einer galoppierenden Inflation wie in den 1970-er Jahren wirklich abwenden will.

Die Amerikaner halten sich immer noch für den "Nabel der Welt". Tenor: "Sollen doch die anderen ihre Währungen anpassen." Der Druck auf die Chinesen, den Yuan aufzuwerten, geht in diese Richtung. Damit würden die 850 Milliarden Dollar, die die Chinesen an US-Staatsanleihen halten, IN YUAN GERECHNET schlagartig viel weniger wert. Kein Wunder, dass die Chinesen sich dagegen sträuben. In Yuan können sie die Dollars aber auch nicht "schnell noch" tauschen, dafür sind es viel zu viele Dollars. Sie sitzen also in der Falle und werden Opfer ihres eigenen Wachstums. Die Amerikaner sehen das freilich anders: Die Chinesen seien Währungsmanipulateure, die den Yuan künstlich niedrig halten, um sich auf dem Weltmarkt Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Mit der Aufwertung des Yuans zahlen sie die schon lange fällige Zeche nur im Nachhinein.

Übrigens: Der jetzige Kurs von EUR/USD = 1,2915 entspricht, in DM umgerechnet, einem Kurs von 1,5144 (USD/DM). 1995 fiel USD/DM bis auf 1,35 (ich hatte 1995 zu dem Kurs Dollars gegen DM gekauft). Grund war damals, dass es auf die DM 8 % Zinsen gab, auf den Dollar hingegen nur 6 %. Es gab auf die DM also ausnahmsweise mal mehr Zinsen als auf den Dollar. Dass sich heute ein Dollar-Absturz auf EUR/USD = 1,45 wiederholt (das entspricht einem USD/DM-Kurs von 1,35), ist unwahrscheinlich, da der Dollar zurzeit 2 % Zinsvorteil zum Euro hat. Dieser Zinsvorteil dürfte durch parallele Zinserhöhungen in EU und USA vorerst auch erhalten bleiben:

http://www.ariva.de/board/195633?pnr=2596716#jump2596716  )

Zudem war die "starke DM" etwas anderes als der jetzige Euro-Währungskorb, der auch ehemalige Weichwährungen aus Italien, Griechenland und Portugal enthält - Länder, in denen sich strukturell nicht allzu viel getan hat.

Das ist freilich "Theorie" und Schulbuch-Weisheit. Wenn die Amerikaner den Dollar wirklich fallen lassen wollten, würden sie das vermutlich auch schaffen. Die Welt tanzt nach wie vor nach ihrer Pfeife. Helfen würden sie sich damit aber nicht, wie der FTD-Artikel im Eingangsposting zeigt. Folglich werden sie es wohl auch nicht tun.



Anti Lemming:

Airbus zahlt jetzt die Zeche für schwachen Dollar

 
13.10.06 10:48
Die Airbus-Krise liegt nicht nur am schwachen Dollar, er trägt aber erheblich dazu bei. Unmittelbarer Profiteur des schwachen Dollars ist Airbus-Konkurrent Boeing, der nun wesentlich wettbewerbsfähiger geworden ist. Die Amerikaner zeigen damit hervorragend, wie man interne Probleme durch Drucken von Geld/Staatsanleihen ins Ausland bzw. nach Europa verlagern kann.

Ob Paulsens Erklärungen, er wolle einen starken Dollar, mehr sind als Lippenbekenntnisse, bleibt abzuwarten. Für eine Netto-Schuldernation wie die USA kommt vorsätzliche Entwertung der eigenen Währung ja einem partiellen Schuldenerlass gleich.

Die Dummen bleiben diejenigen, die den damaligen Sprüchen vom starken Dollar geglaubt haben - wie die Asiaten - und bei EUR/USD-Kursen um  0,90 riesige Dollar-Berge aufgehäuft haben. Dass Peking jetzt den Wechselkurs des Yuan nicht freigeben will (was die angehäuften Dollars, in Yuan gerechnet, nochmals entwerten würde), ist sozusagen die "Rache des kleinen Mannes".

Höchste Zeit also, dass die EU-Bürokraten ihr kindisches Wettrennen - "welche Währung ist die stärkere" - beenden und den strukturellen Verschiebungen entgegenwirken. Am wirksamsten schwächen sie den Euro durch Aufschieben von Zinserhöhungen. Europa würde damit allerdings einen Teil der Inflationslast tragen, die USA duch die Niedrigstzinsen ab 2002 heraufbeschworen hat. Aber das ist immer noch besser als ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit - gerade für die europäischen Exportnationen.



Airbus-Chef zeichnet dramatisches Bild
von Olaf Preuss (Hamburg)

Die Krise beim europäischen Flugzeughersteller Airbus reicht weit über die Probleme mit dem Riesenjet A380 und die fragliche Neuentwicklung des Langstreckenflugzeugs A350 hinaus. Vor allem der schwache Dollarkurs kostet den Flugzeugbauer laut Louis Gallois rund 20 Prozent Wettbewerbsfähigkeit.

"Es ist nicht nur das Problem beim A380-Programm, sondern vor allem auch die Schwäche des Dollars, die uns zwingt, ein Programm zur Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit zu starten", sagte Louis Gallois, der seit dieser Woche neu amtierende Airbus-Chef, am Donnerstag bei seinem Antrittsbesuch im Hamburger Rathaus. Hamburg ist nach der Konzernzentrale in Toulouse der zweitgrößte Airbus-Standort. Gallois fungiert zugleich als Co-Vorsitzender des Airbus-Mutterkonzerns EADS.

Laut Gallois ist der Kurs des Dollars gegenüber dem Euro seit dem Start des A380-Programms im Jahr 2001 um 41 Prozent gesunken. Flugzeuge werden in Dollar verkauft, bei Airbus fällt der größte Teil der Kosten jedoch in Euro an: "Das verringert unsere Konkurrenzfähigkeit um 20 Prozent", sagte Gallois mit Blick auf den Erzrivalen Boeing.

Jahrelange Erfolgsgeschichte

Der komplizierte europäische Airbus-Verbund hatte jahrelang eine Erfolgsgeschichte in der Konkurrenz zum weltgrößten Flugzeughersteller Boeing geschrieben. 2003 lieferte Airbus erstmals mehr Passagierflugzeuge aus als der US-Konzern. Dies wird den Europäern voraussichtlich auch in diesem Jahr wieder gelingen. Bei den Neubestellungen dürfte Boeing jedoch Airbus 2006 mit Abstand auf Rang zwei verweisen. Die Airbus-Flugzeuge werden hauptsächlich in Frankreich und in Deutschland gefertigt, wichtige Komponenten kommen aber auch aus Spanien und aus Großbritannien.

Offenkundig wurde die aktuelle Krise im Sommer, als Airbus erneut die Auslieferung des Großraumflugzeugs A380 verschieben musste. Die Maschine soll das Monopol der Boeing 747 in diesem Marktsegment brechen. Anfang Oktober verkündete Airbus eine weitere Verschiebung bei der Auslieferung, die sich in einzelnen Fällen nun auf bis zu zwei Jahre summiert. Airbus fehlen dadurch bis 2010 Einnahmen von 4,8 Mrd. Euro. Infrage steht deshalb auch die Milliarden Euro teure Neuentwicklung des A350. Airbus braucht das Flugzeug, um gegen Boeings neuen 787 "Dreamliner" im Segment der Ultra- Langstreckenflugzeuge antreten zu können.

Drei wesentliche Kernpunkte

Nur wenige Monate im Amt, hatte Gallois' Vorgänger Christian Streiff ein rigides Sparprogramm mit dem Titel "Power 8" angesetzt...

[D. h. de facto, dass Deutsche mit Arbeitslosigkeit für Amerikas Überschwang bezahlen! - A.L.]

..Es soll die Kosten von 2010 an um 2 Mrd. Euro jährlich drücken. Gallois will an dem Programm festhalten. Als sicher gilt, dass Arbeitsplätze vor allem in der Verwaltung wegfallen werden. Konkret wurde Gallois jedoch nicht: "Wir werden reduzieren, aber wir haben viele Wege. Wir werden alles tun, um Entlassungen zu vermeiden. Das gilt nicht nur für Hamburg, sondern für Airbus insgesamt", sagte er.

Gallois nannte drei wesentliche Kernpunkte des Programms, die noch umgesetzt werden müssten: die Senkung der Verwaltungskosten um 30 Prozent, die Entscheidung, welche Flugzeugtypen künftig in Hamburg und in Toulouse endmontiert werden sollen, sowie die künftige Anzahl und die Struktur der Zulieferer. "Mir liegen allerdings noch keine Vorschläge auf dem Tisch", sagte der Konzernchef.

Seit Tagen halten sich Gerüchte, wonach vor allem die sieben deutschen Airbus-Werke mit harten Einschnitten rechnen müssen. Gallois hob am Donnerstag hingegen die Bedeutung des Standorts Hamburg hervor: "Wir sind uns völlig bewusst, dass Hamburg eine der Säulen der Produktion ist."

Strukturkrise

Not Airbus musste die Auslieferungstermine für das weltgrößte Passagierflugzeug A380 in diesem Jahr zweimal verschieben. Bis 2010 ist der Konzerngewinn deshalb um 4,8 Mrd. Euro geschmälert. Die Entwicklung des neuen Langstreckenflugzeugs A350 steht infrage. Nun wird offenbar, dass Airbus wegen des schwachen Dollarkurses ein weiteres strukturelles Problem hat. Auch die Integration des komplexen europäischen Unternehmens ist laut Konzernchef Louis Gallois bislang nicht ausreichend.

Wut Ab 2010 will die Konzernführung mit dem Sparprogramm "Power 8" die jährlichen Kosten um 2 Mrd. Euro senken. Der Betriebsrat der deutschen Werke schimpfte am Donnerstag über "Chaostage im Management" und forderte ein klares Bekenntnis zu den Standorten.  
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