...aber dafür Europa umso mehr schadet.
FTD - 19.5.2006
Kolumne
Thomas Fricke: Abstürzen für Amerika
In den USA hält sich die süße Vorstellung, mit einem Dollar-Fall ließen sich die eigenen Defizite wegzaubern. Ein zweifelhaftes Szenario, das für niemanden so absurde und katastrophale Folgen hätte wie für die Europäer.
Das Szenario scheint klar, nur der Termin noch offen. Amerika importiert gut 800 Mrd. $ mehr, als es exportiert. Derart gigantische Handelsdefizite müssten den Dollar irgendwann stürzen, was US-Waren automatisch wieder billiger machen würde. Schwuppdiwupp würden so auch die Defizite schwinden.
So steht es in Lehrbüchern, und so scheinen es sich auch manche US-Politiker und -Ökonomen zu wünschen. Könnte nur sein, dass die Rechnung erstens arg gewagt ist - und zweitens nirgends so absurde wie verheerende Folgen hätte wie in Europa. Es wäre nützlich, wenn hiesige Notenbanker und Regierende dagegensteuerten, statt reichlich naiv auf die amerikanische Logik einzusteigen. Es gibt keinen wirklich vernünftigen Grund, warum die Europäer das Dollar-Schwächeln mitmachen und über eine entsprechend atemberaubende Verteuerung der eigenen Euro-Währung zur Lösung amerikanischer Probleme beitragen sollten.
Euro ist schon teuer genug
Es mag ökonomisch sinnvoll sein, den Dollar gegenüber jenen Währungen fallen zu lassen, die in den vergangenen Jahren künstlich niedrig gehalten wurden und deren Volkswirtschaften tatsächlich enorme Überschüsse im Handel mit Amerika haben. Das gilt für China, das 2005 für rund 200 Mrd. $ mehr in die USA verkauft als es von dort importiert hat - und dessen Währung dennoch jahrelang abgewertet hat, weil die Regierung sich mit Milliardeninterventionen gegen eine Aufwertung stemmte.
Es mag auch für Japan gelten, wo es ebenfalls hohe Überschüsse im US-Geschäft gibt und der Yen zwischen 2000 und 2005 sogar um 15 Prozent abgewertet (nicht aufgewertet) hat, weil die Notenbank entsprechend nachhalf.
Für die Europäer gilt das Gegenteil. Zwar verkauft auch die Euro-Zone mehr in den USA als umgekehrt. Nur liegt der Überschuss nicht einmal halb so hoch wie der chinesische, der wiederum viermal so hoch ist wie der des Exportmeisters Deutschland. Zum gesamten Rest der Welt hat der Währungsraum sogar eine ausgeglichene Leistungsbilanz, was an sich gegen akuten Kurskorrekturbedarf spricht. Trotzdem wertete der Euro schon in den vergangenen Jahren drastisch auf - so stark, dass er derzeit um fast 20 Prozent über jenen gut 1,10 $ liegt, die nach OECD-Schätzung ökonomisch vernünftig wären.
[Das deckt sich mit der Kaufpreisparität von 1,09, die ich im Eingangsposting meines Dollar-long-Threads - http://www.ariva.de/board/255969 - nenne, AL]
Entsprechend absurd ist es anzunehmen, Amerikas Defizite mit Europa hätten noch mit Preis- und Wechselkursrelationen zu tun - oder ließen sich durch weitere Aufwertungen der US-Währung jetzt einfach lösen.
Hier liegt das Zweifelhafte an den angeblich wunderbaren Dollar-Abwertungsträumen. Der Grund für drastisch gestiegene US-Defizite lag in den vergangenen Jahren zu einem gewichtigen Teil darin, dass die Amerikaner volkswirtschaftlich betrachtet über ihre Verhältnisse leben und weit mehr Geld ausgeben, als sie im Inland an Waren und Dienstleistungen bieten können. Eine Entwicklung, die durch ungewöhnlich niedrige Zinsen und eine enorme Verschuldung finanziert worden ist.
Genialer und notwendiger Ausgleich
Das war ein genialer und notwendiger Ausgleich, als die US-Wirtschaft nach 2000 in die Depression abzugleiten drohte. Jetzt wächst die Wirtschaft wieder, und dennoch geben die US-Privathaushalte monatlich mehr Geld aus, als sie erarbeiten: Im letzten Quartal 2005 machte das entsprechende Finanzierungsdefizit 4,4 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts aus. Ähnliches gilt für den Staat, der derzeit eine Summe von vier Prozent des BIP mehr ausgibt, als er nach all den Steuersenkungen noch einnimmt.
[Merkwürdig. Im Eingangsposting meines Dollar-long-Threads - http://www.ariva.de/board/255969 - hab ich eine News vom 10.5.06 zitiert, in der steht: "Das US-Haushaltsbudget verzeichnet für April einen Überschuss von 118,85 Milliarden US-Dollar... Als Grund für die positive Entwicklung wurden stärker als erwartet gestiegene Steuereinnahmen angeführt." - AL]
Beides hat stark dazu beigetragen, dass Amerikaner so viel mehr im Ausland kaufen als umgekehrt; die US-Unternehmer haben ihre Defizite in den vergangenen Jahren dagegen abgebaut und verdienen mittlerweile mehr, als sie ausgeben können. Auch das spricht eher dagegen, irgendwelche Ungleichgewichte in Amerika über eine Dollar-Korrektur abzubauen. An den Defiziten weder der privaten noch der öffentlichen Haushalte würde das viel ändern.
Die vermeintliche Sanierung über den Dollar müsste dann auch noch vom Rest der Welt bezahlt werden - durch entsprechende wechselkursbedingte Verluste an Wettbewerbsfähigkeit. Das ist eine nette Idee aus Sicht eines Amerikaners. Nur müssen die Europäer deshalb ja nicht im Kälbermarsch hinterher laufen.
Elektromarkt verschärft Globalrisiken
Selbst für die USA wäre nicht sicher, ob die Rechnung aufgeht. Beim Importweltmeister treibt jede Abwertung über steigende Einfuhrpreise die Inflation an. Und nach Modellrechnungen der Allianz-Volkswirte macht das, was die USA via sinkenden Dollar an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, nur ein Viertel dessen aus, was die entsprechende Verteuerung anderer Währungen an negativen Folgen auf das Wirtschaftswachstum und damit auf die US-Exportmöglichkeiten dorthin hätte. Der teure Euro hat schon jetzt enorm geschadet. "Per saldo würde sich die US-Leistungsbilanz sogar verschlechtern" , sagt Allianz-Ökonom David Milleker.
[Das ist etwas unklar formuliert. Gemeint ist wohl, dass die Rezession, die eine Dollarschwäche - durch den zu starken Euro - in Europa (und der Welt) auslösen würde, die Nachfrage in Europa so stark dämpfen würde, dass die Europäer trotz des billigen Dollars noch weniger als jetzt aus USA importieren könnten. Dies würde die US-Leistungsbilanz weiter verschlechtert - AL]
Schlauer wäre, das US-Außendefizit dadurch abzubauen, dass die Ursachen beseitigt werden: über den Abbau der Staatsdefizite oder über eine Erhöhung der Privateinkommen. Das würde helfen, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Zur Lösung würde aber auch gehören, dass manche Europäer mitmachen. Anders als die US-Freunde leben gerade die Deutschen eher unter ihren Verhältnissen - und geben weniger aus, als sie es sich leisten könnten. Das nennen Ökonomen Leistungsbilanzüberschuss, andere "Geiz ist geil". Weltwirtschaftliche Ungleichgewichte wurden von deutschen Elektromärkten eindeutig verstärkt.
Wie schnell neue Konsumlust dagegen globale Wunder wirkt, zeigen die Japaner. Seit ihre Wirtschaft wächst und die Leute wieder Geld ausgeben, ist der einst enorme Handelsüberschuss des Landes um ein Drittel gesunken. Da muss der Dollar gar nicht abstürzen.
Thomas Fricke ist Chefökonom der Financial Times Deutschland.
Grafik: Europa trägt Aufwertungslast
FTD - 19.5.2006
Kolumne
Thomas Fricke: Abstürzen für Amerika
In den USA hält sich die süße Vorstellung, mit einem Dollar-Fall ließen sich die eigenen Defizite wegzaubern. Ein zweifelhaftes Szenario, das für niemanden so absurde und katastrophale Folgen hätte wie für die Europäer.
Das Szenario scheint klar, nur der Termin noch offen. Amerika importiert gut 800 Mrd. $ mehr, als es exportiert. Derart gigantische Handelsdefizite müssten den Dollar irgendwann stürzen, was US-Waren automatisch wieder billiger machen würde. Schwuppdiwupp würden so auch die Defizite schwinden.
So steht es in Lehrbüchern, und so scheinen es sich auch manche US-Politiker und -Ökonomen zu wünschen. Könnte nur sein, dass die Rechnung erstens arg gewagt ist - und zweitens nirgends so absurde wie verheerende Folgen hätte wie in Europa. Es wäre nützlich, wenn hiesige Notenbanker und Regierende dagegensteuerten, statt reichlich naiv auf die amerikanische Logik einzusteigen. Es gibt keinen wirklich vernünftigen Grund, warum die Europäer das Dollar-Schwächeln mitmachen und über eine entsprechend atemberaubende Verteuerung der eigenen Euro-Währung zur Lösung amerikanischer Probleme beitragen sollten.
Euro ist schon teuer genug
Es mag ökonomisch sinnvoll sein, den Dollar gegenüber jenen Währungen fallen zu lassen, die in den vergangenen Jahren künstlich niedrig gehalten wurden und deren Volkswirtschaften tatsächlich enorme Überschüsse im Handel mit Amerika haben. Das gilt für China, das 2005 für rund 200 Mrd. $ mehr in die USA verkauft als es von dort importiert hat - und dessen Währung dennoch jahrelang abgewertet hat, weil die Regierung sich mit Milliardeninterventionen gegen eine Aufwertung stemmte.
Es mag auch für Japan gelten, wo es ebenfalls hohe Überschüsse im US-Geschäft gibt und der Yen zwischen 2000 und 2005 sogar um 15 Prozent abgewertet (nicht aufgewertet) hat, weil die Notenbank entsprechend nachhalf.
Für die Europäer gilt das Gegenteil. Zwar verkauft auch die Euro-Zone mehr in den USA als umgekehrt. Nur liegt der Überschuss nicht einmal halb so hoch wie der chinesische, der wiederum viermal so hoch ist wie der des Exportmeisters Deutschland. Zum gesamten Rest der Welt hat der Währungsraum sogar eine ausgeglichene Leistungsbilanz, was an sich gegen akuten Kurskorrekturbedarf spricht. Trotzdem wertete der Euro schon in den vergangenen Jahren drastisch auf - so stark, dass er derzeit um fast 20 Prozent über jenen gut 1,10 $ liegt, die nach OECD-Schätzung ökonomisch vernünftig wären.
[Das deckt sich mit der Kaufpreisparität von 1,09, die ich im Eingangsposting meines Dollar-long-Threads - http://www.ariva.de/board/255969 - nenne, AL]
Entsprechend absurd ist es anzunehmen, Amerikas Defizite mit Europa hätten noch mit Preis- und Wechselkursrelationen zu tun - oder ließen sich durch weitere Aufwertungen der US-Währung jetzt einfach lösen.
Hier liegt das Zweifelhafte an den angeblich wunderbaren Dollar-Abwertungsträumen. Der Grund für drastisch gestiegene US-Defizite lag in den vergangenen Jahren zu einem gewichtigen Teil darin, dass die Amerikaner volkswirtschaftlich betrachtet über ihre Verhältnisse leben und weit mehr Geld ausgeben, als sie im Inland an Waren und Dienstleistungen bieten können. Eine Entwicklung, die durch ungewöhnlich niedrige Zinsen und eine enorme Verschuldung finanziert worden ist.
Genialer und notwendiger Ausgleich
Das war ein genialer und notwendiger Ausgleich, als die US-Wirtschaft nach 2000 in die Depression abzugleiten drohte. Jetzt wächst die Wirtschaft wieder, und dennoch geben die US-Privathaushalte monatlich mehr Geld aus, als sie erarbeiten: Im letzten Quartal 2005 machte das entsprechende Finanzierungsdefizit 4,4 Prozent des gesamten Bruttoinlandprodukts aus. Ähnliches gilt für den Staat, der derzeit eine Summe von vier Prozent des BIP mehr ausgibt, als er nach all den Steuersenkungen noch einnimmt.
[Merkwürdig. Im Eingangsposting meines Dollar-long-Threads - http://www.ariva.de/board/255969 - hab ich eine News vom 10.5.06 zitiert, in der steht: "Das US-Haushaltsbudget verzeichnet für April einen Überschuss von 118,85 Milliarden US-Dollar... Als Grund für die positive Entwicklung wurden stärker als erwartet gestiegene Steuereinnahmen angeführt." - AL]
Beides hat stark dazu beigetragen, dass Amerikaner so viel mehr im Ausland kaufen als umgekehrt; die US-Unternehmer haben ihre Defizite in den vergangenen Jahren dagegen abgebaut und verdienen mittlerweile mehr, als sie ausgeben können. Auch das spricht eher dagegen, irgendwelche Ungleichgewichte in Amerika über eine Dollar-Korrektur abzubauen. An den Defiziten weder der privaten noch der öffentlichen Haushalte würde das viel ändern.
Die vermeintliche Sanierung über den Dollar müsste dann auch noch vom Rest der Welt bezahlt werden - durch entsprechende wechselkursbedingte Verluste an Wettbewerbsfähigkeit. Das ist eine nette Idee aus Sicht eines Amerikaners. Nur müssen die Europäer deshalb ja nicht im Kälbermarsch hinterher laufen.
Elektromarkt verschärft Globalrisiken
Selbst für die USA wäre nicht sicher, ob die Rechnung aufgeht. Beim Importweltmeister treibt jede Abwertung über steigende Einfuhrpreise die Inflation an. Und nach Modellrechnungen der Allianz-Volkswirte macht das, was die USA via sinkenden Dollar an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, nur ein Viertel dessen aus, was die entsprechende Verteuerung anderer Währungen an negativen Folgen auf das Wirtschaftswachstum und damit auf die US-Exportmöglichkeiten dorthin hätte. Der teure Euro hat schon jetzt enorm geschadet. "Per saldo würde sich die US-Leistungsbilanz sogar verschlechtern" , sagt Allianz-Ökonom David Milleker.
[Das ist etwas unklar formuliert. Gemeint ist wohl, dass die Rezession, die eine Dollarschwäche - durch den zu starken Euro - in Europa (und der Welt) auslösen würde, die Nachfrage in Europa so stark dämpfen würde, dass die Europäer trotz des billigen Dollars noch weniger als jetzt aus USA importieren könnten. Dies würde die US-Leistungsbilanz weiter verschlechtert - AL]
Schlauer wäre, das US-Außendefizit dadurch abzubauen, dass die Ursachen beseitigt werden: über den Abbau der Staatsdefizite oder über eine Erhöhung der Privateinkommen. Das würde helfen, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Zur Lösung würde aber auch gehören, dass manche Europäer mitmachen. Anders als die US-Freunde leben gerade die Deutschen eher unter ihren Verhältnissen - und geben weniger aus, als sie es sich leisten könnten. Das nennen Ökonomen Leistungsbilanzüberschuss, andere "Geiz ist geil". Weltwirtschaftliche Ungleichgewichte wurden von deutschen Elektromärkten eindeutig verstärkt.
Wie schnell neue Konsumlust dagegen globale Wunder wirkt, zeigen die Japaner. Seit ihre Wirtschaft wächst und die Leute wieder Geld ausgeben, ist der einst enorme Handelsüberschuss des Landes um ein Drittel gesunken. Da muss der Dollar gar nicht abstürzen.
Thomas Fricke ist Chefökonom der Financial Times Deutschland.
Grafik: Europa trägt Aufwertungslast