Konsumenten-Krieg
Friendly Fire der Boykotteure
Von Carsten Matthäus
Seit der politische Streit über den Irak-Krieg eskaliert ist, wütet ein wüster Waren-Boykott zwischen einigen Ländern. Araber und Europäer meiden US-Produkte. Amerikaner haben vor allem französische Produkte auf der schwarzen Liste. Doch die patriotischen Kostverächter liegen häufig voll daneben.
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Aber es half nichts, der Boykott-Aufruf gegen alles, was "french" ist, war schon von mehreren TV-Stationen gesendet worden. Ein Wetter-Ansager von Fox-TV ließ sogar seine Wetterkarte gelb einfärben, um dazu zu bemerken: "Ziemlich viel Senf hier. Okay, solange es nicht French's ist."
"Entfernte Beziehung zu Frankreich
Alles, was irgendwie nach "french" klingt, wird derzeit nahezu panisch von Unternehmen gemieden, die in den USA noch Geschäfte machen wollen. Nissan-Chef Carlos Ghosn stellte auf einer Pressekonferenz Ende März klar, Nissan sei ein japanisches Unternehmen, und schon sehr lange in den USA. Angesprochen auf seinen wichtigsten Anteilseigner Renault (44,5 Prozent), sagte er: "Wir haben nur eine entfernte Beziehung zu Frankreich." Die französische Hotelkette Sofitel ließ kurzerhand alle rot-weiß-blauen Flaggen von den Auffahrten ihrer US-Herbergen verschwinden.
Spätestens seit Rupert Murdoch den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac in seinen Zeitungen als Wurm beschimpfen ließ, haben sich die amerikanischen Patrioten ihr neues Feindbild gebastelt.
Steve Gill, Radiomoderator von WTN 99.7 in Nashville, Tennessee, ließ einen ausgemusterten Peugeot zu Brei schlagen. Fünf Dollar kostete ein kräftiger Hieb mit dem Vorschlaghammer, das eingenommene Geld wurde Gill zufolge "für den Frieden" verwendet. Die Restaurantbesitzer der Killer Restaurants im Bundesstaat Georgia kippten ihre französischen Weine in die jeweils nächstgelegenen Flüsse und gelobten, hinfort auf Getränke aus dem "Land der Feiglinge" zu verzichten.
Das Evian-Eigentor
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Sollten US-Konsumenten nämlich tatsächlich das Wasser aus den französischen Bergen meiden, würden sie vor allem dem Unternehmen schaden, das wie kein anderes für die amerikanische Kultur steht: Coca-Cola. Der Softdrink-Gigant vertreibt das Wasser nicht nur exklusiv in Nordamerika, Evian gehört dem US-Unternehmen zu 51 Prozent.
Noch unsinniger ist der Boykott von French's Mustard. Der Senf wird zwar nach dem Dijon-Rezept hergestellt, hat aber ansonsten rein gar nichts mit Frankreich zu tun. Die Produktionsstätten sind in den USA und die Gewinne fließen nach Großbritannien, dem einzig wahren Freund Amerikas in Europa. French's Mustard ist nämlich eine Marke von Reckitt Benckiser mit Hauptsitz in Slough, Berkshire, England.
Volvo kann man kaufen
Völlig absurd sind manche Boykott-Aufrufe der arabischen Welt. So musste Procter & Gamble in Ägypten kräftige Umsatzeinbußen bei dem Waschmittel "Ariel" hinnehmen, weil der Markennamen zufällig mit dem Vornamen des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon übereinstimmt. Auch Pepsi wurde laut "Economist" per Kettenmails vielerorts aus der Einkaufsliste gestrichen, weil hinter dem Namen "Pay Every Penny to save Israel" vermutet wurde.
In den USA ist man da schon einen Schritt weiter. Damit die amerikanischen Boykotteure auch die richtigen Produkte mit Verachtung strafen, hat die Nonprofit-Organisation boycottwatch.org eine Checkliste für französische Produkte erstellt. Dort wird dezent darauf hingewiesen, dass Volvo eine schwedische Firma ist und DKNY Donna Karan New York bedeutet.
Schaden für das eigene Land
Doch selbst mit diesen Informationen in der Tasche kann so ein Boykott leicht die eigenen Landsleute treffen. Besonders deutlich wird das bei französischem Wein. Die Flaschen, deren Inhalt jetzt zum Blumengießen verwendet wird, haben die Grenze der USA längst passiert, denn sie sind in großen Mengen von amerikanischen Zwischenhändlern gekauft worden. Die bleiben jetzt auf ihren Flaschen sitzen. Schlimmer noch: Sollte die Nachfrage nach Bordeaux und Beaujolais tatsächlich einbrechen, müssten die US-Verkäufer die Preise senken, um das Zeug irgendwie loszuwerden. Das wäre dann gut für all die Konsumenten, die sich nicht an dem Boykott beteiligen. Und es wäre schlecht für die amerikanischen Weinproduzenten. Um nicht die vielen preisbewussten Käufer zu verlieren, müssten sie ihre Flaschen ebenfalls billiger verkaufen.
Schließlich übersehen die Boykotteure, dass französische Qualitätsweine schon gekauft werden, wenn sie noch gar nicht gekeltert sind. Weil der Bordeaux 2002 beispielsweise ein besonders guter Jahrgang sein soll, haben sich die US-Einkäufer nach Angaben der Fachmesse Vinexpo schon einmal zehn Prozent mehr davon gesichert. Bis dieser feine Tropfen in amerikanische Läden kommt, ist der Krieg der Kostverächter hoffentlich längst vorbei. Wäre doch jammerschade um den guten Tropfen.