ALS OPA DEN NIKOLAUS TRAF (von Max Huber, Wehr)
Es war am Tag vor Nikolaus. Als Opa am Morgen den Rollladen hochzog, sah er, obwohl die Brille noch gar nicht auf seiner Nase thronte, dass es draußen regnete. Ganz dicht fielen die Tropfen und der letzte Rest Schnee zerrann zu Wasser. "Na, da werde ich wohl einen Schirm brauchen, wenn ich rausgehe!" sagte Opa zu sich, "und das, obwohl doch im Kalender ganz groß DEZEMBER steht!" Er brummelte noch ein wenig vor sich hin und kochte sich einen Kaffee, damit er frühstücken konnte. Dazu hörte er Radio und der Wetterbericht meinte, es würde auch in den nächsten Tagen noch warm bleiben. "Was wird da wohl der Nikolaus machen, bei diesem Wetter kann er doch den Rentierschlitten gar nicht benutzen und die Kinder warten dann vergeblich auf den Nikolaus - oh jerum, oh jerum" dachte Opa. Der Nikolaus in seinem Haus am Nordpol hatte natürlich auch Radio gehört und kratzte sich am Kopf. Was sollte er denn nur machen, damit er noch rechtzeitig zu den Kindern kam? Zu Fuß war der Weg ja viel zu weit! Da half nichts, er musste im Himmel anrufen und um Hilfe bitten. Der Büro-Engel war auch ganz freundlich, tröstete ihn und sagte: "Keine Angst, Nikolaus, du hast es doch noch jedes Jahr geschafft! Dir fällt schon was ein!" "Du hast gut reden!" brummte der Nikolaus, "Du bekommst ja nicht die Beschwerdebriefe von den Kindern, die ich nicht besuchen konnte! Da werde ich erst mal mit den Zwergen reden müssen, ob die wenigstens alles fertig haben!" Die Zwerge helfen nämlich dem Nikolaus, all die Dinge herzurichten, die er den Kindern bringen soll. Die Zwerge sitzen tief im Berg in ihren Werkstätte und fertigen die wundersamsten Dinge. Zum Beispiel der Zwerg Paintilius, der einer Puppe rote Bäckchen malt.
Der Nikolaus zog seine lange Wunschliste hervor und verglich mit dem Buchhalterzwerg Punkt für Punkt, ob denn auch alles fertig und vorhanden sei. "Ein Bilderbuch für Joy" las der Nikolaus. "Das haben wir vergessen!" rief der Buchhalterzwerg und hüpfte vor lauter Wut auf seiner Liste herum. Der Nikolaus hat sich natürlich auch nicht gerade gefreut, aber er beruhigte den Zwerg und sagte: "Da muss ich wohl das Christkind bitten, dass es die Sache hinbiegt!"
Wie Du weißt, wohnt der Nikolaus am Nordpol, wo es das ganze Jahr kalt ist und ringsum Schnee und Eis sind. Dort ging er nun zu seinen Rentieren. Die steckten bis zur Nase im Schnee. Wenn Du denkst, dass sie traurig waren, weil sie in diesem Jahr den schweren Schlitten nicht ziehen mussten, dann hast Du Dich getäuscht! Da kamen aber auch schon die Zwerge und nicht weniger als 25 von ihnen schleppten schwer an dem Sack mit den Geschenken. Der war in diesem Jahr aber auch besonders groß geraten. Es gab halt viele brave Kinder auf Erden! Der Nikolaus versuchte den Sack aufzunehmen, aber er war zu groß und schwer, selbst für den Nikolaus, der doch groß und stark ist. "Vom Nordpol bis nach Deutschland, das schaff ich nie! Zwerge, ihr seid doch so geschickt in allen Dingen, habt ihr keine Idee?" Die Zwerge meinten da könne nur der Zwergenboss helfen und der Nikolaus setzte sich an seinen Computer vor die Webcam und schon hatte ihn der Zwergenboss auf seinem Bildschirm. Der kratzte sich bedenklich am Kopf, als er von den Nöten erfuhr. "Mein lieber Nikolaus", sagte er dann, "da sehe ich nur noch eine Möglichkeit, wie du rechtzeitig zu den Kindern kommen kannst: Unsere neue Rakete!"
Dem Nikolaus wären seine gemütlichen Rentiere schon lieber gewesen, das dürft Ihr mir glauben, aber was sollte er machen? Er nahm seinen ganzen Mut zusammen, und setze sich in die Rakete. Zum Start hatten die Zwerge diese auf Schlittenkufen gesetzt, die im Flug abgeworfen wurden. Der Nikolaus zischte los und raste. Wenn er kein Heiliger wäre, würde ich sagen mit einem Höllentempo! - über den Nachthimmel auf Europa zu. Die Kinder, die nach oben sahen, riefen: "Der Nikolaus in einer Rakete!", aber die Eltern lachten und sagten "Aber nein, das war eine Sternschnuppe!" Sie hatten halt keine Ahnung, wer da über ihre Köpfe weg sauste!
Auf einer stillen Waldwiese landete der Nikolaus, schulterte ächzend den schweren Sack und ging in die Stadt zu den Kindern. Da war es wieder wie in jedem Jahr: die einen hatten Angst und heulten wie die Schlosshunde, obwohl er doch sooo ein lieber Nikolaus war und ihnen Geschenke mitgebracht hatte. Andre wieder hatten gar keine Angst und hätten ihn am liebsten gar nicht mehr weggelassen. Aber das ging ja nicht, er musste ja noch zu vielen, vielen andren Kindern!
Und dann passierte es! Die Zwerge hatten den Sack einfach zu voll gemacht, er bekam ein Loch und alle möglichen Spielsachen fielen heraus, ohne dass der Nikolaus etwas merkte. Ja ja, ich denke, dass Eltern die Sachen gefunden haben und ihren Kindern mit einem Gruß vom Nikolaus nach Hause brachten.Der Nikolaus, als er das Loch endlich bemerkte, war freilich der Verzweiflung nahe. Es war aber in der Nähe von Wehr, wo ihm das passiert ist, und da habe ich ihn getroffen! Ich kam gerade mit dem Auto aus Bad Säckingen, es regnete und begann zu dunkeln. Da sah ich eine Gestalt am Wegrand stehen. "Nanu, den kennste doch!" dachte ich und hielt an. Was glaubst Du, wie erstaunt ich war als ich sah, w e r da vor mir im Regen stand. "Steig nur ein, Nikolaus!" sagte ich, "Ich nehme ja sonst keine Anhalter mit, aber bei D i r mache ich natürlich eine Ausnahme!" "Danke!" sagte der Nikolaus und stieg ein. "Ich muss noch nach Wehr und dem kleinen Joy was bringen - leider haben die Zwerge das Bilderbuch vergessen, das er sich gewünscht hat!" "Ach Nikolaus, das macht fast gar nichts!" tröstete ich ihn. "Der Joy ist nämlich mein Enkel und für den hab ich immer irgendwo ein Bilderbuch in Reserve - das schenke ich ihm und sage, es sei von Dir!" Da hat mir der Nikolaus vor Freude einen Schmatz gegeben. Also, der Bart hat ganz schön gekitzelt! Dann bat er, ich sollte ihn auf den Dinkelberg fahren, wo er seine Rakete abgestellt hatte. Zum Abschied schenkte er mir auch noch ein Päckchen. Da habe ich mich gefreut wie vor gut 65 Jahren! Und der Joy hat sich über das Bilderbuch, das ich ihm vom Nikolaus brachte, auch mächtig gefreut. Und der Nikolaus? Der flog zurück zum Nordpol, sagte dem Schneemann und der Schneefrau, die vor seinem Haus Wache halten wenn er unterwegs ist, "Gute Nacht", ging ins Haus und zog sich Rock und Stiefel aus. Dann brachte ihm ein Engelchen sein Nachtessen und schließlich ging er zu Bett, wo er bis zum nächsten Nikolaustag schläft. Ob er wohl wirklich ein ganzes Jahr lang schläft? Es könnte ja gut sein, dass es im Sommer nach Hawaii fährt, wo es schön warm ist und wo er über die Wellen surfen kann. Wer weiß???
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