Fondsmanager: Abschied von US-Aktien

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Fondsmanager: Abschied von US-Aktien

 
25.03.03 13:15
Während US-Truppen mühsam vorrücken, ziehen Anlageprofis Geld aus den USA ab. Auch ein rascher Sieg im Irak vertreibt die Sorgen nicht: Die Weltmacht kämpft mit einem milliardenschweren Defizit, und amerikanische Aktien sind vergleichsweise teuer. Die auf Pump lebende US-Wirtschaft steckt in der Klemme.

Fondsmanager sind ein vorsichtiges Volk. Nur nicht auffallen, lautet eine der wichtigsten Regeln in schwachen Börsenzeiten. Verluste in den Depots sind schmerzlich, aber nur halb so schlimm, solange auch der Vergleichsindex nach unten rauscht. Sich an die Benchmark zu halten, sichert in Zeiten schwankender Märkte den Job.
 
Im wichtigsten Vergleichsindex für weltweit anlegende Aktienfonds, dem MSCI World, sind US-Aktien mit rund 58 Prozent deutlich stärker gewichtet als europäische Papiere (28 Prozent). Bemerkenswert, dass ausgerechnet jetzt einige Anlageprofis den Ausbruch wagen und mehr Geld in Europa investieren: Nach Angaben des auf Fonds spezialisierten Analystenhauses Morningstar stecken weltweit anlegende Aktienfonds derzeit rund 43 Prozent ihres Geldes in europäische Aktien. Das ist deutlich mehr als noch vor wenigen Monaten - der alte Kontinent holt auf.

US-Image ist angekratzt

"Wir haben Europa deutlich übergewichtet", sagt Thomas Meier, der mit dem UniGlobal einen rund drei Milliarden Euro schweren Fonds der Gesellschaft Union Investment betreut. Das liege nicht nur daran, dass die europäischen Aktienmärkte stärker als die Wall Street gefallen sind und größeres Erholungspotenzial bieten. "Viele Risiken, die auf den Finanzmärkten lasten, haben ihren Ursprung in den USA", sagt Meier.

Dazu zählt der Fondsmanager zum Beispiel die teuren Aktienoptionspläne für Topmanager sowie die Nachwehen der Bilanzskandale, die das Vertrauen der Anleger erschüttert haben. Im Vergleich zu asiatischen und europäischen Papieren seien US-Aktien noch immer hoch bewertet. Das Image der USA als weltweit bester Anlageplatz ist jedoch angekratzt.

Kapital im großen Stil aufgesogen

Dies trifft die US-Wirtschaft zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, denn sowohl das Haushaltsdefizit als auch das Defizit in der Leistungsbilanz steigen rasant. "In den vergangenen Jahren haben die USA wie ein Staubsauger ausländisches Kapital aufgesogen", sagt Meier. Solange ein Haushalt Überschüsse ausweise und Investoren mit ordentlichen Renditen befriedigt werden, gehe diese Strategie auch auf.

Doch innerhalb von zwei Jahren hat US-Präsident George W. Bush einen grundsoliden Haushalt tief in die roten Zahlen getrieben. Die Kosten für den Irak-Feldzug sowie die massiven Steuersenkungen werden das Haushaltsdefizit nach jüngsten Schätzungen deutlich über die Marke von 300 Milliarden Dollar steigen lassen. Hinzu kommt ein Leistungsbilanzdefizit in Höhe von 500 Milliarden Dollar: Die US-Bürger geben deutlich mehr Geld aus, als sie selbst erwirtschaften. "Da kommen einige Investoren ins Grübeln - sie sehen sich nach Anlage-Alternativen um", sagt Meier.

Abhängig wie nie zuvor

Sogar bei US-Ökonomen wachsen die Sorgen. "Die USA sind so abhängig von ausländischem Kapital wie niemals zuvor", warnt Steven Roach, Chefvolkswirt der Investmentbank Morgan Stanley. Das hohe Defizit in der Leistungsbilanz werde nach seiner Einschätzung zu einer weiteren Abwertung des Dollar führen. Das Risiko: Sollten internationale Investoren ihr Geld aus den USA abziehen, dürften Wall Street, US-Staatsanleihen und Dollar im Gleichschritt nach unten marschieren.

Anleger, die in den USA investiert haben, klammern sich an die Hoffnung, dass der private Konsum endlich wieder anzieht. Doch die amerikanischen Verbraucher zeigen sich durch Irak-Krise und Börsentalfahrt stark verunsichert, wie die jüngsten Daten zum Verbrauchervertrauen belegen. Betrachte man den privaten Sektor, nehmen die Konjunkturrisiken in den USA nach Einschätzung von Union Investment eher noch zu.

Auch Michael Fraikin, Fondsmanager des Global Dynamic bei Invesco, ist derzeit nicht in amerikanischen Einzeltiteln investiert. "Europa hat derzeit das größere Aufholpotenzial", bestätigt Fraikin. Die höhere Attraktivität europäischer Werte liege jedoch nicht an der wirtschaftlichen Dynamik Eurolands, sondern an dem tiefen Sturz der europäischen Werte. "Sie sind stärker gefallen als US-Aktien und dürften im Fall einer Erholung stärker steigen", stellt Fraikin fest.

"Trudelt Amerika, stürzen wir mit"

Anleger spekulieren bereits über eine Neuverteilung des internationalen, extrem beweglichen Kapitals. Besonders die Wachstumsregionen in Asien und auch Europa dürften schon bald aus dem Schatten der USA heraustreten und ihr weitere Anteile abjagen. Doch besonders für den alten Kontinent birgt diese Entwicklung auch Risiken: "Europäer haben keinen Grund, sich über Schwierigkeiten der USA zu freuen", sagt Philipp Vorndran, Leiter globale Strategie bei Credit Suisse Asset Management. "Kommt Amerika ins Trudeln, stürzen wir mit."

Mit knapp drei Prozent geschätztem Wachstum für dieses Jahr sei die US-Wirtschaft noch immer der wichtigste Treiber für die Weltwirtschaft - jeder Rückschlag in den USA werde auf das konjunkturlahme Europa doppelt durchschlagen. "Wir sollten das Defizit der USA lieben und auch künftig weiter finanzieren - denn ohne dieses Defizit wird der europäische Export nicht funktionieren", sagt Vorndran.

Arabische Investoren im Blick

Besonders Deutschland habe keinen Anlass, mit dem Finger auf die tiefroten Bilanzen der Bush-Regierung zu zeigen. "In den USA läuft der Konsum auf Pump, in Deutschland die Altersversorgung und die Sozialsysteme - das ist noch schwieriger zu korrigieren." Wegen fehlender Reformen seien deutsche Aktien derzeit zwar günstiger bewertet als die Emerging Markets in Asien - doch Vorndran sieht im Gegensatz zu vielen europäischen Kollegen keinen Grund, den Anteil seiner vergleichsweise teuren US-Aktien aufzugeben.

Kurzfristig hole Europa vielleicht etwas auf - doch mittelfristig werde die USA auf Grund der höheren Flexibilität stärker wachsen. Nur "deutliche politische Veränderungen" würden den Aktienstrategen von Credit Suisse zu einer Neugewichtung des Fondsvermögens bewegen. "Zum Beispiel, wenn die Europäische Zentralbank ihre Strategie ändert. Wenn der Ölpreis nicht mehr in Dollar, sondern in Euro abgerechnet wird. Oder wenn Großinvestoren aus dem arabischen Raum im großen Stil amerikanische Aktien verkaufen." Doch danach sehe es im Moment nicht aus.  
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