HANDELSBLATT, Dienstag, 31. Oktober 2006, 16:30 Uhr | |||
Deutsche Unternehmen fallen zurückAuf der falschen FährteVon Barbara Gillmann und Dirk HeilmannDeutschlands Unternehmen fallen in der Forschung und Entwicklung international zurück. Im laufenden Jahr steigerten sie ihre Ausgaben in diesem Bereich nur um zwei Prozent – europaweit betrug das Plus fast sechs, in den USA und Großbritannien sogar gut acht Prozent. Gegenüber dem Schnitt der vorangegangenen vier Jahre sanken die Ausgaben der deutschen Top-Unternehmen sogar um 2,2 Prozent. Das ergab das R&D-Scoreboard des britischen Handels- und Industrieministeriums, eine internationale Vergleichsstudie zu den Forschungsausgaben der Unternehmen.
BERLIN/LONDON. Für die Studie hat das Forscherteam die Zahlen von 1 250 Unternehmen ausgewertet, die mindestens rund 20 Millionen Pfund, also 30 Millionen Euro, im Jahr für Forschung und Entwicklung (F+E) ausgeben. Die Untersuchung ist vor 16 Jahren ins Leben gerufen worden, um die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Wirtschaft zu beleuchten. Auch in Deutschland treffen die Londoner Zahlen ins Herz der innovationspolitischen Diskussion: Die große Koalition hat sich vorgenommen, Deutschland bis 2010 zur forschungsfreundlichsten Nation zu machen. Bis 2010 soll der Anteil der F+E-Ausgaben auf drei Prozent des BIP steigen – derzeit stagniert er allerdings bei 2,5 Prozent. Um ihren Beitrag zu leisten, hat die Bundesregierung im Rahmen der High-Tech-Strategie ein Sechs-Milliarden-Euro-Programm für die Legislaturperiode aufgelegt, in Kürze sollen die Länder ihren Anteil erklären. <!--nodist-->Infografik: Forschungsausgaben im gloablen Vergleich <!--/nodist--> Insgesamt war der F+E-Anteil am BIP zuletzt sogar leicht zurückgegangen. Die größte Rolle spielt dabei die Wirtschaft: Deren Anteil an den gesamten F+E-Ausgaben war zwar jahrelang gewachsen, sank aber zuletzt wieder auf 1,74 Prozent. „Der Forschungsstandort Deutschland entwickelt sich kaum weiter“, warnte daher der Stifterverband, der die Zahlen der deutschen Wirtschaft erhebt, schon Anfang 2006. Die Prognosen der Unternehmen ließen keinen nennenswerten Zuwachs erwarten. Nach der britischen Analyse liegen die großen deutschen Unternehmen zwar noch immer an dritter Stelle hinter denen der USA und Japans und weit vor Frankreich und Großbritannien. Und von den 29 deutschen Unternehmen, die mehr als 100 Millionen Pfund für F+E ausgaben, haben 23 diese Investitionen gesteigert, nur sechs haben sie reduziert oder unverändert gelassen. Doch mit Ausnahme der Niederlande sind die Ausgaben in allen 15 führenden Nationen weit stärker gestiegen als in Deutschland. Die von der Analyse erfassten Unternehmen im Nachbarland Frankreich haben zuletzt fast dreimal so stark zugelegt wie die deutschen Konkurrenten. Auffällig ist auch die Performance der kleinen Schweiz: Dort steigerten die Unternehmen ihre F+E-Ausgaben um gut neun Prozent – im Vergleich zum Schnitt der vier vorangegangenen Jahre waren es sogar fast 22 Prozent. Zweistellige Zuwachsraten gab es auch für die führenden Unternehmen in Schweden, Italien, Dänemark und Belgien. <!--nodist-->Lesen Sie weiter auf Seite 2: Eine wahre Aufholjagd spielt sich in Asien ab. <!--/nodist-->Eine wahre Aufholjagd spielt sich in Asien ab: So haben die 44 taiwanischen Unternehmen, die im Ranking auftauchen, ihre Forschungsausgaben in diesem Jahr um satte 30 Prozent erhöht und stehen mit ihren Gesamtausgaben mittlerweile auf Platz zwölf weltweit. Dabei verteilen sich die Zuwächse auf diverse Elektronik- und Computer-Unternehmen. Die 17 für Südkorea erfassten Unternehmen erreichten ein Plus von fast zwölf Prozent und stehen insgesamt auf Platz sieben. Hier dominieren die schnell wachsenden Konzerne Samsung, LG und Hyundai. Die japanischen Konzerne hingegen begnügten sich mit einem Zuwachs von vier Prozent bei F+E – was vor allem mit der lahmenden Konjunktur erklärt wird. China und Indien spielen zwar eine wachsende Rolle als Standorte für Produktion und Forschung westlicher Unternehmen. Die einheimischen Firmen der aufstrebenden Nationen liegen in puncto Forschung und Entwicklung jedoch noch weit zurück – kein einziges Unternehmen schaffte es in die Rangliste. Die Forschungsausgaben der deutschen Wirtschaft spiegeln ihre Branchenstruktur: Nur noch im Automobilbau gehört Deutschland zu den drei größten Forschungsnationen. International zog die Branche im Vorjahr noch die meisten F+E-Ausgaben auf sich, in diesem Jahr ist sie an die dritte Stelle abgerutscht. In den forschungsintensivsten Branchen Informationstechnologie und Pharma sind die deutschen Firmen nicht mehr ganz vorn dabei. Auch der jüngste Bericht der Bundesregierung zur technologischen Leistungsfähigkeit hatte vor der großen Abhängigkeit vom Autobau gewarnt. Deutschlands Wirtschaft sei zwar im Hochtechnologie-Bereich, nicht aber in den Spitzentechnologien gut vertreten. Das bestätigt die britische Studie. Bei den forschungsintensiven Branchen der Plätze vier bis sechs gehört Deutschland wieder zu den drei führenden Ländern: Elektronik, Software und Chemie. <!-- ISI_LISTEN_STOP --> |