Europas Manager zittern um ihre Posten
Paris, 26. März (Bloomberg) - In schlechten Zeiten wird der Chefsessel schnell zum Schleudersitz. Eine bittere Erfahrung, die in letzter Zeit schon so manche europäische Führungskraft machen musste. Wenn die Konjunktur schwächelt und die Aktionäre jammern, fangen Manager an zu zittern.
Jüngstes Opfer wurde David Williams, Vorstandsvorsitzender des Haushaltsausstatters Enodis Plc. Nach enttäuschenden Zahlen und einer "inakzeptablen" Aktienperformance nahm Williams am Freitag vergangener Woche seinen Hut. Zwei Tage zuvor hatte Sonera Oyj, Finnlands größte Telefongesellschaft, einen Großteil des Vorstands entlassen und Chairman Markku Talonen den Laufpass gegeben. Vor zwei Wochen trennte sich Valeo SA, Europas größter börsennotierter Hersteller von Autoteilen, von Vorstandschef Andre Navarri. Er hat die Kosten nicht ausreichend senken können. Und auch bei SairGroup stehen große Veränderungen an. Bis auf ein Mitglied will der gesamte Vorstand der verlustreichen Fluggesellschaft zurücktreten.
"Bislang war europäischen Vorstandsvorsitzenden ihr Job bis zur Rente sicher", erklärt die auf Anlegerrecht spezialisierte Rechtsanwältin Sophie L'Helias. "Für den Kapitalismus beginnt eine neue Phase. Noch vor fünf Jahren waren solche Entlassungen undenkbar." Verlor ein Manager in der Vergangenheit seinen Job, dann fiel er meist einer Fusion zum Opfer. So erging es Andre Levy- Lang bei der Übernahme von Paribas SA durch Banque Nationale de Paris SA. Auch Franco Bernabe wurde bei der Übernahme von Telecom Italia SpA durch Olivetti SpA wegrationalisiert.
Jetzt machen vor allem magere Ergebnisse und fallende Kurse Europas Managern das Leben schwer. "Vor einem Jahr verlangte der Markt lediglich nach Umsatzwachstum", erinnert sich Rae Sedel von Russell Reynolds Associates in London. "Heute muss der Gewinn stimmen. Daran wird ein CEO gemessen."
Ericsson AB, Europas größter Mobilfunkausstatter, könnte bald sein gesamtes Management verlieren, sagen Investoren. Denn bei einem geschätzten Verlust von bis zu 503 Mio. Dollar im vierten Quartal, steht es schlecht um die Führungsriege. Zudem fiel der Aktienkurs im März binnen zwei Tagen um 11 Prozent. Damit verlor Ericsson 20 Mrd. Dollar an Börsenwert. "Das Vertrauen in den Chairman ist stark erschüttert", berichtet Lars-Erik Forgaardh von der schwedischen Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. "Die Situation ist so angespannt, dass die Hauptaktionäre eigentlich sofort einen Nachfolger ernennen sollten." Seiner Ansicht nach sollten die Aktionäre auf der für den 28. März anberaumten Hauptversammlung einen Antrag auf Entlassung von Lars Ramqvist stellen.
Auch über Veränderungen bei British Telecommunications Plc wird derzeit heftig spekuliert. Im letzten Jahr hat BT zweidrittel an Börsenwert verloren. Bei 30 Mrd. Pfund Schulden sackte die Bonitätseinstufung des britischen Telekomgiganten auf das niedrigste Niveau aller Zeiten. Jetzt wollen Chairman Iain Vallance und Vorstandschef Peter Bonfield zusätzlich Aktien im Volumen von bis zu 7 Mrd. Pfund emittieren. Doch die Aktien finden nur dann ihren Weg zum Anleger, wenn BT "einen klaren Geschäftsplan vorlegt und einige Senior Manager das Boot verlassen", warnt Eric Moore, Fondsmanager bei Gartmore Investment Management. Obwohl er nichts davon gehört hat, dass Vallance und Bonfield offiziell abgesetzt werden sollen, würden "was-wäre-wenn- Szenarien" derzeit heftig diskutiert.
Europas Börsen sind auf Talfahrt, daher können Managementfehler durch Kursgewinne nicht mehr aufgefangen werden. "Ich glaube nicht, dass die Gefahr nur von unzufriedenen Aktionären ausgeht", erklärt Andre Baladi, Gründer von International Corporate Governance Network, die Arbeitsplatzunsicherheit europäischer Führungskräfte. "Die großen Pensionsfonds werden immer präsenter und auch die Medien machen mehr Druck."
Doch manchmal sind die Zahlen wirklich alles andere als berauschend. So dürfte der Halbjahresgewinn von Enodis nach eigenen Angeben um bis zu 38 Prozent einbrechen, nachdem die Nachfrage aus den USA deutlich zurückgegangen ist. "Die Performance ist inakzeptabel", heißt es in der Presseerklärung zum Ausscheiden von CEO Williams. SAirGroup verzeichnete in der ersten Jahreshälfte einen Gewinnrückgang um 97 Prozent, was auf die Beteiligung an der unprofitablen Fluggesellschaft Swissair und der fehlgeschlagenen Fusion mit drei französischen Regionalfluglinien zurückzuführen ist. Damit droht der Hälfte des zehnköpfigen Vorstands auf der Hauptversammlung am 25. April das Aus.
Um diejenigen, die noch in Amt und Würden sind, wird die Luft immer dünner. So forderte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) den Rücktritt von Thomas Haffa, Vorstandsvorsitzender von EM.TV & Merchandising AG. Er soll die Kleinanleger über die Gewinnaussichten des Unternehmens getäuscht haben. Im letzten Jahr sackten EM.TV um 90 Prozent ab. Auch gegen Ron Sommer, Vorstandschef der Deutschen Telekom AG, erhebt der DSW mit seinen 25.000 Mitgliedern schwere Vorwürfe. Demnach habe die Telekom ihren Immobilienbesitz hochgeschummelt, klagt Petra Krüll, DSW-Sprecherin. Ob Sommers Stuhl tatsächlich wackelt, zeigt sich erst "in ein bis zwei Jahren", schätzt Eberhard Rolle vom Bundesfinanzministerium. Dann wird der Vorstandsvorsitzende am Erfolg der 70 Mrd. Dollar schweren Investitionen in UMTS-Lizenzen und Übernahmen gemessen.
Paris, 26. März (Bloomberg) - In schlechten Zeiten wird der Chefsessel schnell zum Schleudersitz. Eine bittere Erfahrung, die in letzter Zeit schon so manche europäische Führungskraft machen musste. Wenn die Konjunktur schwächelt und die Aktionäre jammern, fangen Manager an zu zittern.
Jüngstes Opfer wurde David Williams, Vorstandsvorsitzender des Haushaltsausstatters Enodis Plc. Nach enttäuschenden Zahlen und einer "inakzeptablen" Aktienperformance nahm Williams am Freitag vergangener Woche seinen Hut. Zwei Tage zuvor hatte Sonera Oyj, Finnlands größte Telefongesellschaft, einen Großteil des Vorstands entlassen und Chairman Markku Talonen den Laufpass gegeben. Vor zwei Wochen trennte sich Valeo SA, Europas größter börsennotierter Hersteller von Autoteilen, von Vorstandschef Andre Navarri. Er hat die Kosten nicht ausreichend senken können. Und auch bei SairGroup stehen große Veränderungen an. Bis auf ein Mitglied will der gesamte Vorstand der verlustreichen Fluggesellschaft zurücktreten.
"Bislang war europäischen Vorstandsvorsitzenden ihr Job bis zur Rente sicher", erklärt die auf Anlegerrecht spezialisierte Rechtsanwältin Sophie L'Helias. "Für den Kapitalismus beginnt eine neue Phase. Noch vor fünf Jahren waren solche Entlassungen undenkbar." Verlor ein Manager in der Vergangenheit seinen Job, dann fiel er meist einer Fusion zum Opfer. So erging es Andre Levy- Lang bei der Übernahme von Paribas SA durch Banque Nationale de Paris SA. Auch Franco Bernabe wurde bei der Übernahme von Telecom Italia SpA durch Olivetti SpA wegrationalisiert.
Jetzt machen vor allem magere Ergebnisse und fallende Kurse Europas Managern das Leben schwer. "Vor einem Jahr verlangte der Markt lediglich nach Umsatzwachstum", erinnert sich Rae Sedel von Russell Reynolds Associates in London. "Heute muss der Gewinn stimmen. Daran wird ein CEO gemessen."
Ericsson AB, Europas größter Mobilfunkausstatter, könnte bald sein gesamtes Management verlieren, sagen Investoren. Denn bei einem geschätzten Verlust von bis zu 503 Mio. Dollar im vierten Quartal, steht es schlecht um die Führungsriege. Zudem fiel der Aktienkurs im März binnen zwei Tagen um 11 Prozent. Damit verlor Ericsson 20 Mrd. Dollar an Börsenwert. "Das Vertrauen in den Chairman ist stark erschüttert", berichtet Lars-Erik Forgaardh von der schwedischen Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre. "Die Situation ist so angespannt, dass die Hauptaktionäre eigentlich sofort einen Nachfolger ernennen sollten." Seiner Ansicht nach sollten die Aktionäre auf der für den 28. März anberaumten Hauptversammlung einen Antrag auf Entlassung von Lars Ramqvist stellen.
Auch über Veränderungen bei British Telecommunications Plc wird derzeit heftig spekuliert. Im letzten Jahr hat BT zweidrittel an Börsenwert verloren. Bei 30 Mrd. Pfund Schulden sackte die Bonitätseinstufung des britischen Telekomgiganten auf das niedrigste Niveau aller Zeiten. Jetzt wollen Chairman Iain Vallance und Vorstandschef Peter Bonfield zusätzlich Aktien im Volumen von bis zu 7 Mrd. Pfund emittieren. Doch die Aktien finden nur dann ihren Weg zum Anleger, wenn BT "einen klaren Geschäftsplan vorlegt und einige Senior Manager das Boot verlassen", warnt Eric Moore, Fondsmanager bei Gartmore Investment Management. Obwohl er nichts davon gehört hat, dass Vallance und Bonfield offiziell abgesetzt werden sollen, würden "was-wäre-wenn- Szenarien" derzeit heftig diskutiert.
Europas Börsen sind auf Talfahrt, daher können Managementfehler durch Kursgewinne nicht mehr aufgefangen werden. "Ich glaube nicht, dass die Gefahr nur von unzufriedenen Aktionären ausgeht", erklärt Andre Baladi, Gründer von International Corporate Governance Network, die Arbeitsplatzunsicherheit europäischer Führungskräfte. "Die großen Pensionsfonds werden immer präsenter und auch die Medien machen mehr Druck."
Doch manchmal sind die Zahlen wirklich alles andere als berauschend. So dürfte der Halbjahresgewinn von Enodis nach eigenen Angeben um bis zu 38 Prozent einbrechen, nachdem die Nachfrage aus den USA deutlich zurückgegangen ist. "Die Performance ist inakzeptabel", heißt es in der Presseerklärung zum Ausscheiden von CEO Williams. SAirGroup verzeichnete in der ersten Jahreshälfte einen Gewinnrückgang um 97 Prozent, was auf die Beteiligung an der unprofitablen Fluggesellschaft Swissair und der fehlgeschlagenen Fusion mit drei französischen Regionalfluglinien zurückzuführen ist. Damit droht der Hälfte des zehnköpfigen Vorstands auf der Hauptversammlung am 25. April das Aus.
Um diejenigen, die noch in Amt und Würden sind, wird die Luft immer dünner. So forderte die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW) den Rücktritt von Thomas Haffa, Vorstandsvorsitzender von EM.TV & Merchandising AG. Er soll die Kleinanleger über die Gewinnaussichten des Unternehmens getäuscht haben. Im letzten Jahr sackten EM.TV um 90 Prozent ab. Auch gegen Ron Sommer, Vorstandschef der Deutschen Telekom AG, erhebt der DSW mit seinen 25.000 Mitgliedern schwere Vorwürfe. Demnach habe die Telekom ihren Immobilienbesitz hochgeschummelt, klagt Petra Krüll, DSW-Sprecherin. Ob Sommers Stuhl tatsächlich wackelt, zeigt sich erst "in ein bis zwei Jahren", schätzt Eberhard Rolle vom Bundesfinanzministerium. Dann wird der Vorstandsvorsitzende am Erfolg der 70 Mrd. Dollar schweren Investitionen in UMTS-Lizenzen und Übernahmen gemessen.