Erholungskurs unterbrochen
Frühindikator Mai: Auf der Kippe
Geht der Aufschwung zu Ende, bevor er richtig begonnen hat? Die Industrienachfrage stockt schon wieder, der Konsumstreik der Verbraucher hält an und die Investitionsbereitschaft liegt weiter im Keller.
HB DÜSSELDORF. Auch der Handelsblatt-Frühindikator für Deutschland hat im Mai seinen Erholungskurs nicht weiter fortgesetzt. Mit 1,4 % blieb er exakt auf Vormonatstand und liegt damit nur noch knapp über dem Niveau von vor einem Jahr.
Im Osten sieht es noch weniger nach Aufschwung aus. Das Handelsblatt-Konjunkturbarometer für die Neuen Länder kletterte zwar gegenüber April etwas an, deutet aber derzeit nur auf eine Stagnation der ostdeutschen Wirtschaft hin. Laut Institutsprognose im Frühjahrsgutachten sollte diese im laufenden Jahr eigentlich um 0,5 % wachsen.
Das ist zwar noch durchaus drin, aber allmählich müsste dazu bei Produktion und Nachfrage etwas passieren. Derzeit leben die positiven Konjunkturerwartungen im Osten wie im Westen vor allem von Hoffnungswerten, etwa den optimistischen Geschäftserwartungen in der Industrie. Ohne ein baldiges Anspringen der Binnennachfrage, vor allem der Investitionen, dürfte sich der Optimismus jedoch als verfrüht erweisen. Dann könnte nur noch ein Exportboom die deutsche Wirtschaft aus ihrer Lethargie erwecken.
Noch hält die gute Stimmung an, jedenfalls im Verarbeitenden Gewerbe. Die ifo-Geschäftserwartungen der Industrie legten im April gesamtdeutsch sogar weiter zu, von 7,9 auf 9,0 Saldopunkte. Dabei setzten die Unternehmen vor allem auf den Export. Ihre aktuelle Geschäftslage beurteilen sie aber unverändert schlecht. Dazu passt, dass die Kapazitätsauslastung im März gegenüber drei Monaten zuvor nochmals leicht gesunken ist. Der vorläufige Tiefpunkt wurde somit erst im ersten Quartal erreicht, so wie es der Handelsblatt-Frühindikator vorausgesagt hatte. Der gesamtdeutsche Wachstumstrend, gemessen an der gleitenden Jahresrate des Bruttoinlandsprodukts, dürfte zu Jahresbeginn auf nahezu 0 % gesunken sein.
Für das zweite und dritte Quartal sagt der Indikator eine Erholung auf zunächst 0,6 % und dann knapp 1,5 % voraus. Das wäre, auf das Gesamtjahr hochgerechnet, immerhin deutlich mehr als die Institutsprognose von 0,9 % für Gesamtdeutschland. Wichtiger ist aber, ob die Dynamik im weiteren Jahresverlauf gehalten werden kann oder etwa wieder abflaut. Die jüngsten Daten stimmen da eher skeptisch:
1. Die Industrieaufträge sind im Februar weiter um 1,3 % abgebröckelt, nachdem sie schon im Monat vorher rückläufig waren. Vor allem die Inlandsnachfrage (-2,3 %) und hier insbesondere die Nachfrage nach Investitionsgütern (-4,8 %) tendierte schwach, aber auch das Exportgeschäft stagnierte nur.
2. Der Käuferstreik im Einzelhandel setzte sich im Februar weiter fort. Der Umsatz blieb genauso schwach wie im Januar, er lag damit weiterhin um gut 3 % niedriger als im vorangegangenen Quartal. Das entsprechende Vorjahresergebnis wurde sogar um fast 5 % verfehlt. Auch bei Nahrungsmitteln wird gespart, und größere Anschaffungen wie Möbel oder teure Kleidung sind für viele derzeit gar kein Thema.
3. Die Bauaufträge nahmen im Februar überraschend um gut 6 % zu, die Produktion stieg sogar gegenüber Januar um 11 %. Treibende Kraft war hier der Osten, der es allerdings auch besonders nötig hat. Entwarnung kann für den Bau aber noch keineswegs gegeben werden, dazu sind die monatlichen Schwankungen zu stark. Das ifo-Geschäftsklima blieb im Osten wie im Westen im April denn auch unverändert frostig.
4. Bei den Zinsen herrschte im April fast völliger Stillstand. Der Dreimonatszins Euribor kletterte im Schneckentempo weiter von 3,39 auf 3,41 % im Monatsdurchschnitt, hatte am Monatsende aber schon wieder leicht sinkende Tendenz. Die Umlaufsrendite festverzinslicher Wertpapiere blieb praktisch unverändert bei 5,1 %. Zumindest von dieser Seite stehen die Signale damit vorerst weiter auf Aufschwung. Allerdings ist die Inflationsrate im Euroraum von 2,4 % auf 2,5 % im März weiter gestiegen, in Deutschland kletterte sie von 1,7 % auf 1,8 %. Das könnte auch den Kapitalmarktzinsen wieder Auftrieb geben, vor allem in Verbindung mit den Sorgen um Ölpreise und Lohnentwicklung.
Alles in allem steht die ohnehin noch ziemlich kraftlose Konjunkturerholung in Deutschland derzeit auf der Kippe. Europas größte Volkswirtschaft hat zum Start zwar angesetzt, gewinnt aber nur mühsam Höhe. Ein langer Arbeitskampf in der Metallindustrie wäre da das letzte, was man brauchen könnte. Die weltwirtschaftlichen Risiken sind auch so schon groß genug.
Quelle: Handelsblatt
Frühindikator Mai: Auf der Kippe
Geht der Aufschwung zu Ende, bevor er richtig begonnen hat? Die Industrienachfrage stockt schon wieder, der Konsumstreik der Verbraucher hält an und die Investitionsbereitschaft liegt weiter im Keller.
HB DÜSSELDORF. Auch der Handelsblatt-Frühindikator für Deutschland hat im Mai seinen Erholungskurs nicht weiter fortgesetzt. Mit 1,4 % blieb er exakt auf Vormonatstand und liegt damit nur noch knapp über dem Niveau von vor einem Jahr.
Im Osten sieht es noch weniger nach Aufschwung aus. Das Handelsblatt-Konjunkturbarometer für die Neuen Länder kletterte zwar gegenüber April etwas an, deutet aber derzeit nur auf eine Stagnation der ostdeutschen Wirtschaft hin. Laut Institutsprognose im Frühjahrsgutachten sollte diese im laufenden Jahr eigentlich um 0,5 % wachsen.
Das ist zwar noch durchaus drin, aber allmählich müsste dazu bei Produktion und Nachfrage etwas passieren. Derzeit leben die positiven Konjunkturerwartungen im Osten wie im Westen vor allem von Hoffnungswerten, etwa den optimistischen Geschäftserwartungen in der Industrie. Ohne ein baldiges Anspringen der Binnennachfrage, vor allem der Investitionen, dürfte sich der Optimismus jedoch als verfrüht erweisen. Dann könnte nur noch ein Exportboom die deutsche Wirtschaft aus ihrer Lethargie erwecken.
Noch hält die gute Stimmung an, jedenfalls im Verarbeitenden Gewerbe. Die ifo-Geschäftserwartungen der Industrie legten im April gesamtdeutsch sogar weiter zu, von 7,9 auf 9,0 Saldopunkte. Dabei setzten die Unternehmen vor allem auf den Export. Ihre aktuelle Geschäftslage beurteilen sie aber unverändert schlecht. Dazu passt, dass die Kapazitätsauslastung im März gegenüber drei Monaten zuvor nochmals leicht gesunken ist. Der vorläufige Tiefpunkt wurde somit erst im ersten Quartal erreicht, so wie es der Handelsblatt-Frühindikator vorausgesagt hatte. Der gesamtdeutsche Wachstumstrend, gemessen an der gleitenden Jahresrate des Bruttoinlandsprodukts, dürfte zu Jahresbeginn auf nahezu 0 % gesunken sein.
Für das zweite und dritte Quartal sagt der Indikator eine Erholung auf zunächst 0,6 % und dann knapp 1,5 % voraus. Das wäre, auf das Gesamtjahr hochgerechnet, immerhin deutlich mehr als die Institutsprognose von 0,9 % für Gesamtdeutschland. Wichtiger ist aber, ob die Dynamik im weiteren Jahresverlauf gehalten werden kann oder etwa wieder abflaut. Die jüngsten Daten stimmen da eher skeptisch:
1. Die Industrieaufträge sind im Februar weiter um 1,3 % abgebröckelt, nachdem sie schon im Monat vorher rückläufig waren. Vor allem die Inlandsnachfrage (-2,3 %) und hier insbesondere die Nachfrage nach Investitionsgütern (-4,8 %) tendierte schwach, aber auch das Exportgeschäft stagnierte nur.
2. Der Käuferstreik im Einzelhandel setzte sich im Februar weiter fort. Der Umsatz blieb genauso schwach wie im Januar, er lag damit weiterhin um gut 3 % niedriger als im vorangegangenen Quartal. Das entsprechende Vorjahresergebnis wurde sogar um fast 5 % verfehlt. Auch bei Nahrungsmitteln wird gespart, und größere Anschaffungen wie Möbel oder teure Kleidung sind für viele derzeit gar kein Thema.
3. Die Bauaufträge nahmen im Februar überraschend um gut 6 % zu, die Produktion stieg sogar gegenüber Januar um 11 %. Treibende Kraft war hier der Osten, der es allerdings auch besonders nötig hat. Entwarnung kann für den Bau aber noch keineswegs gegeben werden, dazu sind die monatlichen Schwankungen zu stark. Das ifo-Geschäftsklima blieb im Osten wie im Westen im April denn auch unverändert frostig.
4. Bei den Zinsen herrschte im April fast völliger Stillstand. Der Dreimonatszins Euribor kletterte im Schneckentempo weiter von 3,39 auf 3,41 % im Monatsdurchschnitt, hatte am Monatsende aber schon wieder leicht sinkende Tendenz. Die Umlaufsrendite festverzinslicher Wertpapiere blieb praktisch unverändert bei 5,1 %. Zumindest von dieser Seite stehen die Signale damit vorerst weiter auf Aufschwung. Allerdings ist die Inflationsrate im Euroraum von 2,4 % auf 2,5 % im März weiter gestiegen, in Deutschland kletterte sie von 1,7 % auf 1,8 %. Das könnte auch den Kapitalmarktzinsen wieder Auftrieb geben, vor allem in Verbindung mit den Sorgen um Ölpreise und Lohnentwicklung.
Alles in allem steht die ohnehin noch ziemlich kraftlose Konjunkturerholung in Deutschland derzeit auf der Kippe. Europas größte Volkswirtschaft hat zum Start zwar angesetzt, gewinnt aber nur mühsam Höhe. Ein langer Arbeitskampf in der Metallindustrie wäre da das letzte, was man brauchen könnte. Die weltwirtschaftlichen Risiken sind auch so schon groß genug.
Quelle: Handelsblatt