1. Der Wettlauf um die Gene
Kaum ein wissenschaftliches Ereignis dieses Jahres hat so hohe Wellen geschlagen wie die Vorstellung des biologischen Bauplans des Menschen. Doch die Sequenzierung des Genoms war nur der erste Schritt.
Menschliche Chromosomen: Fast vollständig sequenziert
Das Rennen ist erst einmal vorbei, auch wenn es keinen Sieger gibt. Mit dem vielleicht größten publizistischen Coup der Wissenschaftsgeschichte hat im Februar der Wettlauf um die Sequenzierung des menschlichen Genoms ein Ende gefunden - zumindest vorläufig. Fast zeitgleich stellten das staatlich finanzierte Humangenomprojekt (HGP) und die Firma Celera des umtriebigen Genforschers Craig Venter ihre Versionen der Genkarte vor. Das HGP im britischen Wissenschaftsmagazin "Nature", Celera einen Tag später im US-Journal "Science".
Seitdem gelten Francis Collins, maßgeblicher Kopf des Humangenomprojekts, und Craig Venter als Stars am Wissenschaftshimmel. Auf sonst eher trockenen Konferenzen wurden die beiden - zumindest in den ersten Monaten - mit stehenden Ovationen gefeiert. Nach Reden stürmten Autogrammjäger im eher gesetzten Alter zum Podium.
Für die Menschheit allerdings sind die Ergebnisse der beiden Forschergruppen eher ernüchternd: Das menschliche Genom besteht (so die ersten, später nach oben korrigierten Schätzungen) aus lediglich 30.000 bis 40.000 Genen - nur wenig mehr als das Genom von Fruchtfliege oder Fadenwurm. Zudem weist die menschliche Genkarte ausgedehnte "Wüsten" auf, Regionen, in denen keine oder nur sehr wenige Gene liegen.
Der Mensch war im zu Ende gehenden Jahr nicht allein: Das Genom von rund 60
Organismen ist mittlerweile offen gelegt - von der Mikrobe bis zur Maus. Die Genkarten anderer wichtiger Labortiere wie Ratten oder Zebrafischen sind so gut wie fertig.
Doch auch wenn das Rennen beim Menschen zu Ende ist, der große Wettkampf geht weiter. Das nächste Ziel hört auf den Kunstnamen Proteomics. Die Forscher wollen in langwieriger Puzzlearbeit herausfinden, welche Gene für welches Protein verantwortlich sind und welche Aufgaben die Proteine in der Zelle haben - ein Vorhaben, das Arbeit für die nächsten Jahrzehnte liefern könnte. Nach dem 100-Meter-Sprint namens Sequenzierung hat nun die Langstrecke begonnen.
2. Kondensiertes Kollektiv
Es klingt nach Spaß, und hat doch einen wissenschaftlichen Hintergrund: Wenn Physiker ein Atomkollektiv urplötzlich zum Implodieren bringen, ist der Nobelpreis nicht weit.
Bosenova-Explosion: Spielerisch zum Nobelpreis
Die Theorie existierte seit Jahrzehnten, allein es fehlte der Beweis: Erst im Jahr 1995 konnten zwei US-Physiker genau das vorführen, was der Nobelpreisträger Albert Einstein und der indische Physiker Satyendra Nath Bose bereits 1924 formulierten: Dass sich eine Vielzahl von Atomen nahe dem absoluten Temperaturnullpunkt wie ein einziges Superteilchen verhalten.
Bei entsprechender Kälte können sich Bosonen - neben den Fermionen die zweite Klasse von Teilchen, die heute bekannt sind - problemlos sehr nahe kommen. Alle Teilchen nehmen denselben niedrigen Energiezustand ein, sie bewegen sich synchron. Physiker sprechen von einem "Bose-Einstein-Kondensat". Erst bei einigen Milliardstel Kelvin schafften es Carl Wieman und Eric Cornell vor sechs Jahren, ihren Rubidium-87-Isotopen den freien Willen auszutreiben.
Dieses Jahr hat die Gruppe nachgelegt und die Stabilität des Superatoms relativiert: Einmal dem Einfluss eines magnetischen Feldes ausgesetzt, ist ein "Bose-Einstein-Kondensat" offensichtlich recht labil: Zumindest war es möglich, das Kollektiv so stark zum Schrumpfen zu bringen, dass es sich anschließend ruckartig ausdehnte - vergleichbar mit der Explosion eines Sternes, der so genannten Supernova.
Auch die Kollegen waren kreativ: Erstmals konnten 2001 Kondensate aus Helium, Lithium und Kalium hergestellt werden. Andere Forscher drückten das Kollektiv zusammen oder erzeugten blasenartige Strukturen in seinem Innern. Die Spielereien könnten Wege zu neuartigen Atomlasern und hochpräzisen Messmethoden ebnen.
Sonderlich überraschend dürfte für Wieman und Cornell die "Science"-Nominierung als bedeutende wissenschaftliche Entdeckung des Jahres nicht gekommen sein, hatten doch schon andere die Relevanz ihrer Arbeiten erkannt. Zusammen mit dem Deutschen Wolfgang Ketterle durften die beiden US-Forscher dieses Jahr den Physik-Nobelpreis für ihre Arbeiten zum Bose-Einstein-Kondensat entgegen nehmen.
3. Friede den Senken
Jahrelang haben sich Forscher gestritten, wie viel Kohlendioxid vom nordamerikanischen Kontinent jedes Jahr absorbiert wird. 2001 war das Jahr der Versöhnung, doch dem Klima hilft das wenig.
Kohlendioxid-Senke Wald: Korrigierter Verbrauch
Irgendwo musste die verschwundene Senke doch sein: Als Wissenschaftler vor Jahren die gesamten bekannten Verbraucher des Klimagases Kohlendioxid (CO2) addierten, kamen sie zu einem erstaunlichen Ergebnis. Die Resultate ihrer Berechnungen stimmten nicht mit den gemessenen CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre überein.
Vor drei Jahren schließlich wurde der Hauptschuldige ausgemacht, der übliche Verdächtige in puncto Klimaschutz: die Vereinigten Staaten. Während ein Forscherteam, das seine Berechnungen auf dem Zustand der Atmosphäre und der Größe der Landmasse aufbaute, zu relativ hohen Werten kam, errechneten Wissenschaftler, die am Boden Proben nahmen, eine viel kleinere Senke.
Dieses Jahre dann die Versöhnung: In einer gemeinsam veröffentlichten Studie näherten sich die Ergebnisse deutlich an. Neue Analysen der Atmosphäre, die einen längeren Zeitraum betrachteten, führten zu einer verglichen mit den vorigen Werten kleineren Senke. Die Forscher auf dem Boden entdeckten dagegen zusätzliche CO2-Schlucker - modriges Holz, Sedimente, exportierte Stämme. Die Zahlen wurden größer. Schließlich einigten sich die Wissenschaftler auf einen jährlichen CO2-Abbau von 500 Millionen Tonnen, rund ein Drittel der derzeitigen Emissionen der USA.
Auch wenn die Kenntnis der genauen Senkengröße den USA beim Feilschen über Emissionen weniger Spielraum lässt, besteht noch lange kein Grund zur Freude: Viele US-Senken setzen sich aus zuvor ausgebeuteten und sich nun regenerierenden Ökosystemen zusammen. In weniger als 100 Jahren fällt damit ein großer Teil der jetzt errechneten Senken weg.
4. Krebs im Fadenkreuz
Vor 30 Jahren hat US-Präsident Richard Nixon dem Krebs offiziell den Kampf angesagt. Das zu Ende gehende Jahr scheint Mediziner dem Sieg gegen die Krankheit etwas näher gebracht haben - dank ungewöhnlicher Medikamente.
Krebszellen: Angriff auf das Enzym
Eine neue Art von Arzneimitteln gegen Krebs hält Einzug in die Krankenhäuser. In den USA wurde 2001 "Gleevec" zur Behandlung einer bestimmten Art von Leukämie zugelassen, in den Augen des Wissenschaftsmagazins "Science" ein "Meilenstein". Denn bei "Gleevex" handelt es sich um eines der ersten Medikamente, das direkt die biochemischen Defekte angreift, die vermutlich Krebs auslösen.
Mit der Entwicklung von "Gleevec" haben laut "Science" drei Jahrzehnte der Suche nach genetischen Veränderungen einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. So sind bei der therapierten Leukämieerkrankung zwei Gene für die Produktion eines abnormalen Enzyms verantwortlich, das Krebszellen wachsen lässt. Da "Gleevec" genau dieses Enzym ausschaltet, hat sich das Arzneimittel als sehr wirksam erwiesen - vor allem in den frühen Stadien der Leukämie.
"Gleevec" könnte bald nicht mehr allein sein. Weltweit experimentieren Forscher mit neuartigen Molekülen oder Antikörpern, die bestimmte Enzyme an ihrer schädlichen Arbeit hindern sollen. In Dutzenden vorklinischen und klinischen Tests wird die Wirksamkeit potenzieller Krebsmedikamente bereits erprobt.
5. Solares Rätsel endlich gelöst
Seit Jahrzehnten tüfteln Astronomen an der Frage, was mit Neutrinos auf ihrem Weg von der Sonne zur Erde geschieht. Offensichtlich, so die Erkenntnis dieses Jahres, wechseln die Teilchen einfach ihre Identität.
Kanadischer Neutrino-Detektor: Kettenreaktion im schweren Wasser
Die wissenschaftlichen Detektive haben einen ihrer härtesten Fälle geknackt: das Rätsel der verschwundenen Neutrinos. Die seltsamen Geschöpfe aus der Familie der elementaren Teilchen haben eigentlich keine Masse, existieren in drei verschiedenen Arten (Wissenschaftler sprechen von "Flavors"), und zumindest die "Elektronen-Neutrinos" entstehen als Abfallprodukt des gewaltigen Kernkraftwerkes, das die Sonne am Laufen hält.
Der Prozess der solaren Kernfusion konnte, eine der großen Leistungen der Astronomen im vergangenen Jahrhundert, bereits vor drei Jahrzehnten beschrieben werden. Der Charakter der Neutrinos indes blieb rätselhaft.
Ende der sechziger Jahre berechneten Astronomen, wie viele Neutrinos normalerweise von der Sonne ins Weltall ausgestoßen werden. Messungen auf der Erde brachten allerdings eine Enttäuschung: Die Zahl der registrierten Neutrinos war weitaus geringer als erwartet.
Doch dieses Jahr gelang es Forschern des Sudbury Neutrino Observatory in Kanada endlich, eine bereits seit 1998 gehegte Hypothese zu bestätigen. Demnach verschwinden die Neutrinos nicht einfach, sie wechseln vielmehr ihre Identität: Die solaren Neutrinos werden, kurz nachdem sie die Sonne verlassen, zu Myon- und Tau-Neutrinos. Aufgrund ihrer "oszillierenden Flavors", so die Physikersprache, entgingen sie der Entdeckung durch irdische Detektoren.
Doch das Sudbury Neutrino Observatory, eine zwei Kilometer unter der Erde Ontarios versenkte, 1000 Tonnen wiegende Kugel voll mit schweren Wasser, ließ sich nicht täuschen. Zwar war die Zahl der Elektronen-Neutrinos in Übereinstimmung mit früheren Experimenten viel zu klein. Die Gesamtzahl der eintreffenden Neutrinos aller drei Ausprägungen stimmte allerdings. Das Rätsel war gelöst.
Gleichzeitig lieferten die Versuche am SNO einen Hinweis darauf, dass Neutrinos doch eine Ruhemasse besitzen - nur dann können die aus der Sonne stammenden Teilchen ihren Geschmack ändern. Das Standardmodell der Elementarteilchen, das von masselosen Neutrinos ausgeht, muss möglicherweise neu geschrieben werden.
6. Neuronales Leitsystem
Auf der Suche nach dem perfekten Weg bedienen sich die Ausläufer von Neuronen eines ausgeklügelten Verkehrsleitsystems. Die Kenntnis dieser Regeln könnte eines Tages bei der Reparatur von Nervenzellen helfen.
Nervenzellen: Selektive Wahrnehmung
Axone, die spindeldürren Arme der Nervenzellen, zeigen ein erstaunliches Verhalten: Unablässig suchen sie sich gegenseitig, finden sich und bauen auf diese Weise komplexe neuronale Kommunikationsnetzwerke auf. Was die Axone auf ihrem Weg zu einem funktionierenden Nervensystem leiten könnte, haben Forscher in diesem Jahr herausgefunden.
Bereits in den neunziger Jahren identifizierten Wissenschaftler vier Familien molekularer Signale. Diese stellten sich den expandierenden Axonen entweder entgegen oder zogen sie an. Gleichzeitig entdeckten Neurologen die zugehörigen Rezeptoren auf den Axon-Oberflächen. Mehr noch: Genau diese Rezeptoren können offensichtlich an- und ausgeschaltet werden - wie Ampeln.
Doch Rot und Grün allein können die Axone nicht zum Ziel führen. Irgendwann sind die Nervenstränge an einem Punkt angekommen, an dem ihre Spitzen - von Biologen Wachstumskegel genannt - viele widersprüchliche Signale auffangen.
Jetzt hat ein Forscherteam weitere Einzelheiten über die Signale und ihr Zusammenwirken herausgefunden. So war es möglich, die Reaktion der Axone auf die oftmals verwirrenden Befehle zu verstehen: Bestimmte Rezeptoren werden von Zeit zu Zeit einfach abgeschaltet. Selektive Wahrnehmung im neuronalen Straßenverkehr.
Auch die Umsetzung der Signale in konkretes Axonwachstum verstehen die Wissenschaftler nun besser. Eine wichtige Erkenntnis, schließlich stellen menschliche Axone, einmal stark geschädigt, normalerweise das Wachstum für immer ein. Die neuen Forschungsergebnisse könnten eines Tages, so die Hoffnung der Neurologen, dazu beitragen, beschädigte Nerven erfolgreich zu reparieren.
7. Der Widerstand ist gebrochen
Gleich zwei Materialien haben Widerstandsforscher im Jahr 2001 in Wallung gebracht. Die Entdeckungen könnten der Arbeit mit Supraleitern einen entscheidenden Schub verpassen.
Schwebender Supraleiter: Keine Hemmungen
2001 war ein heißes Jahr für Supraleiter - zumindest heißer als erwartet. Schließlich war das Unterfangen, Leiter zum Verzicht auf ihren Widerstand zu bewegen, bislang ein eher frostiges Geschäft. Seit Jahren versuchen Physiker, die Temperaturen, bei denen supraleitende Materialien alle Hemmungen fallen lassen, in die Höhe zu drücken.
Zwar war dem Deutschen Georg Bednorz und seinem Schweizer Kollegen Alexander Müller 1986 mit der Entdeckung so genannter keramischer Supraleiter ein entscheidender Schritt nach oben gelungen. Doch die neuen Materialien erwiesen sich als äußerst spröde und im Alltag nur schwer in Drahtform zu bringen. Größter Vorteil der aus nicht gerade häufigen Elementen wie Yttrium und Barium hergestellten Keramiken: Sie müssen lediglich mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden, und der ist relativ günstig.
Zwei Teams konnten im zu Ende gehenden Jahr Materialien vorstellen, die der Supraleitung neue Impulse geben könnten. So entdeckten im Januar japanische Wissenschaftler, dass Magnesiumdiborid, ein simples Metall aus dem Vorratsschrank der Chemiker, bereits bei minus 234 Grad Celsius supraleitend wird - und damit eine fast doppelt so hohe "Sprungtemperatur" wie die zuvor bekannten Metalle aufweist.
Zunächst war unklar, ob Magnesiumdiborid verwandtschaftliche Grade mit den keramischen Supraleitern zeigt oder doch eher in die Sparte der metallischen Leiter fällt. Doch bereits im März hatten die Theoretiker ihre Hausaufgaben gemacht: Mit leichter Enttäuschung mussten die Physiker zur Kenntnis nehmen, dass im Diborid altbekannte metallische Effekte regieren. Dennoch sind Forscher optimistisch, die Sprungtemperatur des neuen Stoffes durch Einbau anderer Elemente erhöhen zu können. Die ersten Drähte aus Magnesiumdiborid wurden bereits hergestellt.
Auch die so genannten Buckyballs, Fußballmoleküle aus 60 Kohlenstoffatomen, offenbarten einen überraschenden Charakterzug. Bereits zuvor als Supraleiter bei extrem tiefen Temperaturen bekannt, zeigten mit organischen Molekülen gestreckte Buckyballs ein interessantes Verhalten: Sie leiteten bereits bei minus 156 Grad Celsius den Strom verlustfrei. Physiker träumen jetzt davon, mittels manipulierter Fußballmoleküle Supraleitung bei Raumtemperatur möglich zu machen.
8. Kein Klima für das Klima
Es ist offiziell: Ein unabhängiges, von der Uno eingesetztes Wissenschaftlergremium hat den Menschen jetzt eine Mitschuld an der Klimaveränderung gegeben. Die Politik, allen voran die USA, störte das nicht.
Sturmflut an der Atlantikküste: Der Mensch zerstört das Klima
Die Hauptschuldigen stehen fest: "Die globale Erwärmung der vergangenen 50 Jahre ist wahrscheinlich auf die gestiegene Konzentration an Treibhausgasen zurückzuführen", so das Verdikt, das das International Panel on Climate Change (IPCC) in diesem Jahr gefällt hat.
Neue Daten und neue Computermodelle führten zu einem besseren Verständnis des Klimawandels. Der menschliche Faktor ist, so die Erkenntnis der Wissenschaftler, zu einem großen Teil für das ungewöhnlich warme 20. Jahrhundert verantwortlich.
Vulkanausbrüche, veränderte Sonnenaktivitäten und natürliche Schwankungen allein konnten die gemessene Erwärmung um 0,6 Grad Celsius nicht erklären. Aussagekräftige Beweise lieferte vor allem die Analyse der Jahresringe von Bäumen.
Allerdings bleibt eine gewisse Unsicherheit - hauptsächlich über die Reaktion des blauen Planeten auf Treibhausgase. Ein gefundenes Schlupfloch für Politiker.
US-Präsident George W. Bush nutzte daher die wissenschaftliche Toleranzschwelle - zusammen mit Sorgen über die hohen Kosten des Klimaschutzes und eine angeblich ungleiche Verteilung der Emissionsquoten - um dem Kyoto-Protokoll die kalte Schulter zuzuwenden.
Doch damit isolierten sich die Amerikaner, nachdem Kanada, Japan und Russland auf den Klimagipfeln in Bonn und Marrakesch große Zugeständnisse in punkto Kohlendioxidspeicher gemacht wurden, nur selbst. Ganz unwissenschaftlich.
9. Überraschende Allianz
Lange Zeit war die Ribonukleinsäure vor allem für ihren Einsatz bei der Umsetzung von Erbinformationen bekannt. Doch die RNS kann, das zeigte das zu Ende gehende Jahr, noch mehr. Platz zwei bei den "Science Top Ten".
RNS-Enzym: Struktur entschlüsselt
Als "überraschend vielseitig" hat sich im vergangenen Jahr, so die Redaktion des US-Wissenschaftsmagazins "Science", die RNS (Ribonukleinsäure) erweisen. Grund genug, den genetischen Boten, der bislang vor allem dafür bekannt war, Informationen in der Zelle zu verteilen, auf den zweiten Platz der Liste der wissenschaftlichen "Durchbrüche des Jahres" zu setzen.
Erst vor wenigen Jahren hatten Forscher entdeckt, dass kleine RNS-Schnipsel bestimmte Gene in Pflanzen und Würmern ruhig stellen können. 2001 konnten die molekularen Schalter - Biologen sprechen von RNS-Interferenz - auch bei Mäusen und Menschen nachgewiesen werden.
Zellbiologen konnten außerdem zeigen, wie die Boten-RNS (mRNS) - die biochemische Verbindung zwischen den Erbinformationen und der Herstellung von Proteinen - gebildet wird. Die mRNS liest ein bestimmtes Gen der langen DNS ab, transportiert die Informationen zu den so genannten Ribosomen, den Proteinfabriken, und sorgt damit für die Herstellung der Proteine. Im Juni konnten Forscher erstmals hochauflösende Bilder präsentieren, die zeigen, wie der DNS-Strang aufgezwirbelt, die RNS hergestellt und schließlich transportiert wird.
RNS-Stücke können zudem eine Allianz mit Proteinen eingehen, irrelevante Teile einer gerade erst entstehenden mRNS entfernen und so deren Herstellungsprozess überwachen. Zu ihrer Überraschung mussten die Forscher feststellen, dass ausgerechnet die RNS-Stückchen und nicht die Proteine ihre Botenkollegen auf die richtige Länge schneiden.
Das gibt Anlass zu Spekulationen: Möglicherweise war im Laufe der Evolution zunächst die RNS da, erst dann kamen die Proteine. Dies lasse, so die "Science"-Redaktion, das Interesse an einer "RNS-Welt" wachsen, in der die frühen Lebensformen noch keine DNS, dafür aber eine RNS aufwiesen.
10. Die Zukunft ist winzig
Seit Jahren sind Wissenschaftler damit beschäftigt, immer dünnere Röhrchen und Drähtchen zu formen. Doch erst deren geschickte Kombination hat 2001 zum Jahr der Nanotechnologie werden lassen.
Gebaut aus Nanodrähten: Winziges logisches Gatter
Die Welt wird kleiner. Aber sie wird nicht übersichtlicher - zumindest nicht im Bereich der Computertechnologie. Dort hat die Miniaturisierung im Jahr 2001 einen großen Schritt nach vorne gemacht. Nicht mehr von "mikro" ist die Rede, "nano" dominiert den Sprachschatz.
Schaltkreise von molekularer Größe, die sich zu Transistoren, ja sogar zu kleinen Chips zusammenfinden, könnten eines Tages eine neue Disziplin in der Wissenschaft begründen, meint "Science"-Chefredakteur Donald Kennedy. Die Nanotechnologie wurde zum "wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres" gekürt.
Die Fortschritte des zu Ende gehenden Jahres waren vielfältig: Analysegeräte wurden verfeinert, Technologien entwickelt, mit deren Hilfe Nanoröhrchen aus Kohlenstoff hergestellt werden können. Winzige Drähte aus unterschiedlichen Materialien entstanden.
Doch erst gemeinsam gelingt diesen Entdeckungen das, was die "Science"-Redakteure mit der Auszeichnung "Durchbruch des Jahres" ehren: Sie stoßen ein Tor zu einer neuen wissenschaftlichen Dimension auf - nicht einzeln, auch wenn hinter jeder Entdeckung harte Arbeit steckt, sondern im Team.
Durch raffinierte Anordnung der verschiedenen Schaltelemente ist es Wissenschaftlern gelungen, erste Schaltkreise zu schaffen, die logische Operationen ausführen können. Auf der Nanoebene können seit diesem Jahr Signale verstärkt und invertiert werden, sogar einfache Aufgaben lassen sich lösen.
Die Möglichkeiten der Technologie sind, so Kennedy, bemerkenswert. Die Vision einer neuen Generation extrem kleiner, extrem leistungsfähiger Computer liegt auf der Hand. Doch bis dahin muss ein ebenso langer wie steiniger Weg zurückgelegt werden: Niemand weiß, wie sich die neuen Schaltkreise in industriellem Umfang produzieren lassen, geschweige denn, was das Ganze kostet.
Doch jeder glaubt zu wissen, welches Potenzial in ihnen steckt: Die komplexen Strukturen werden, so der "Science"-Chef, "ohne Zweifel Rechnerleistungen ermöglichen, mit deren Hilfe wissenschaftliche Durchbrüche für Jahrzehnte gesichert sind".
Gruß
Happy End
science magazin