Der neue EM.TV-Chef Klatten wechselt schon vor Amtsantritt den Finanzchef aus
Finanzvorstand Rickmeyer geht / Klatten startet im September
EM.TV & Merchandising AG, Unterföhring. Nach monatelang schwelenden Spekulationen wird Finanzvorstand Rolf Rickmeyer das angeschlagene Medienunternehmen EM.TV verlassen. Rickmeyer, 48 Jahre, geht nach nur zehn Monaten "in gegenseitigem freundschaftlichen Einvernehmen" zum 31. August, teilte EM.TV mit. Wie in der Branche zu hören ist, hatte er einen Vertrag mit vier Jahren Laufzeit und erhält eine Abfindung in Millionenhöhe. Sein Nachfolger wird der langjährige Kirch-Manager Marius Schwarz, 44 Jahre und derzeit Finanzvorstand des Kinobetreibers Cinemaxx AG. Schwarz war schon im April als EM.TV-Vorstand ins Gespräch gebracht worden, als über Rickmeyers vorzeitiges Ausscheiden debattiert wurde. Offenbar steht der nun bekanntgegebene Wechsel seit längerem fest: Schwarz hatte schon Anfang Juli auf der Cinemaxx-Hauptversammlung angekündigt, daß er den Kinobetreiber in Kürze verlassen werde.
Der neue EM.TV-Hauptaktionär Werner Klatten wird sein Amt als Vorstandsvorsitzender nun schon im Laufe des Septembers antreten, bekräftigte EM.TV. Klatten hatte bei Bekanntgabe seines Engagements Ende Juli bereits angegeben, vom "Spiegel"-Verlag zum 30. September die Freigabe zu erhalten. Im Vorstand behält nur Marketingchef Rainer Hüther seinen Posten, der vor fünf Monaten von der Kirch-Gruppe zu EM.TV gestoßen war. Der EM.TV-Kurs legte am Dienstag um fast 10 Prozent auf 2,82 Euro zu.
Rickmeyer ist seit Dezember 2000 der sechste EM.TV-Vorstand, der gehen muß. Im November 2000 war er für den mit den überdimensionalen Zukäufen überforderten Florian Haffa in das Gremium geholt worden, um Ordnung in das Zahlenwerk von EM.TV zu bringen. Bereits im August 2000 hatte dieser statt eines konsolidierten Konzern-Halbjahresberichts nur Zahlen für die einzelnen Beteiligungen Jim Henson, SLEC (Formel Eins) und Tele-München-Gruppe (TMG) sowie die alte EM.TV vorlegen können. Der Bruder des Firmengründers Thomas Haffa trat Anfang Dezember als erster zurück, als EM.TV nach monatelangen Dementis eine massive Ergebniswarnung abgab. Vor einem Monat komplettierte Vorstandschef Thomas Haffa den nun wohl vorerst abgeschlossenen Reigen der Abgänge.
Ende April bei der Veröffentlichung vorläufiger Zahlen für 2000, darunter ein Verlust von 2,6 Milliarden DM, hatte Thomas Haffa Spekulationen über Rickmeyers Ausscheiden noch zurückgewiesen. Zwar soll das Verhältnis der beiden schon gespannt gewesen sein, doch war angesichts der schweren Unternehmenskrise wohl keine Zeit, nochmals einen neuen Finanzchef einzuarbeiten. So absolvierte Rickmeyer nicht nur die Bilanzpressekonferenz, sondern auch die Hauptversammlung Anfang August. Das Berichtswesen von EM.TV macht nach wie vor keine professionellen Eindruck: Immer wieder mußten Termine für die Vorlage neuer Zahlen verschoben werden. Das Wirtschaftsprüfertestat für den Geschäftsbericht 2000 konnte EM.TV erst am 30. Mai - mit zwei Monaten Verspätung - vermelden. 50 000 Euro Strafe bekam EM.TV dafür von der Börse auferlegt, weitere 60 000 Euro für den ebenfalls zu spät vorgelegten Bericht für das erste Quartal. Nicht nur die komplexe Materie, Unternehmen mit mehreren unterschiedlichen Rechnungslegungsstandards in einem Bericht zusammenzubringen, dürfte dazu beigetragen haben: Rickmeyer verfügte über keine Erfahrung in der Medienbranche, war jeweils wenige Jahre in den Vorständen der Ausrüsterfirmen Joseph Vögele, Krone und Lahmeyer (heute Tessag) tätig. Auf Pressekonferenzen und der Hauptversammlung verwirrte er seine Zuhörer mit einem schlecht aufbereiteten, undurchschaubaren Zahlendschungel.
Der neue EM.TV-Finanzvorstand Schwarz dürfte Spekulation wiederaufleben lassen, Klatten könnte ein Strohmann der Kirch-Gruppe sein: Schwarz war vor seiner Tätigkeit bei Cinemaxx mehr als zehn Jahre bei Kirch, zuletzt als kaufmännischer Geschäftsführer von Sat.1. Dort mußte er Ende 2000 gehen, als sein Job durch die Fusion von Sat.1 mit Pro Sieben überflüssig wurde. Laut Branchenkreisen wird Klatten möglicherweise noch einen weiteren Manager in den EM.TV-Vorstand holen. Derzeit werde über die Besetzung des Bereichs Merchandising verhandelt, heißt es. (mag.)
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.08.2001, Nr. 194 / Seite 18