Biotech-Firmen unter Fusionsdruck
Nachdem sich die erste Euphorie über die zukunftsträchtige Biotechnologie gelegt hat, wächst nach Einschätzung von Branchenexperten der Druck auf die vielen kleinen und mittleren Biotechnologie-Unternehmen, sich in einem schwächer werdenden Marktumfeld zusammen zu tun. "Konsolidierung ist der Schlüssel in diesem Markt", sagt Chad Floe, Biotech-Experte bei der Investmentbank Lehman Brothers. Der Markt warte nicht darauf, dass 100 kleine Biotech-Firmen in den nächsten Jahren an die Börse gingen, sondern wolle Substanz sehen. Doch Fusionen von Unternehmen, die eigene Technologien entwickelt hätten und ihre Unabhängigkeit verteidigten, seien nicht einfach zu arrangieren, heißt es bei den Experten.
In Europa gibt es nach Daten der Unternehmensberatung Ernst & Young fast 1600 private und börsennotierte Biotechunternehmen, 300 mehr als in den USA. Doch im Durchschnitt sind die Firmen in Europa nur halb so groß wie ihre Branchenkollegen in Übersee. In der Euphorie über die Entschlüsselung des menschlichen Genoms im vergangenen Jahr wurden Dutzende von Start-up-Firmen in Europa gegründet, 39 gingen an die Börse.
In dem fragmentierten Markt sind viele Unternehmen zu klein, um Investoren anzulocken. "Wir wollen eine Konsolidierung in Europa, die mehr Übersicht, eine verstärkte Beobachtung durch Analysten und mehr Liquidität schafft", sagte Joel Besse von der Risikokapitalgesellschaft Atlas Venture. Die Investoren würden auch selbst aktiv und stellten Unternehmen einander vor, wenn ein Zusammenschluss Sinn mache. "Nichts ist aber schwieriger, als kleine Firmen zu Fusionen zu bewegen, weil so viel vom Ego der Gründer abhängt", erläutert Besse die Probleme.
Spekulationen über mögliche Übernahmen in der Branche nehmen zu, weil für einige Unternehmen das Geld knapp wird. So erklärte der britische Krebsspezialist Antisoma, dass die liquiden Mittel nur noch für neun Monate reichten. Auch die deutsche Morphosys AG gilt als Übernahmekandidat. Das auf die synthetische Herstellung von Antikörpern spezialisierte Unternehmen hatte in dieser Woche bekannt gegeben, mit einem potenziellen strategischen Partner zu verhandeln, nannte aber keine Namen. "Jeder mit liquiden Mitteln für weniger als drei Quartale ist ein Übernahmekandidat, weil es derzeit sehr schwer ist, an Bargeld heran zu kommen", sagte Jesse Schulman von der Investmentbank Friedman, Billings, Ramsey.
Manche Biotechnologie-Unternehmen setzen auf strategische Partnerschaften mit größeren Pharmafirmen. So beteiligt sich der Bad Homburger Pharmakonzern Altana mit mehr als acht Prozent an GPC Biotech, wodurch dem am Neuen Markt gelisteten Unternehmen mehr als 34 Millionen Euro zufließen. Dass die größeren Konzerne Biotech-Unternehmen gleich komplett übernehmen würden, halten Experten für eher unwahrscheinlich. "Die großen Pharmakonzerne wollen die Produkte ohne den Aufwand der Integration", erläutert Floe. Die Frage sei auch, ob sich die unabhängigen Geister der Biotech-Start-ups ohne Weiteres in die Kultur größerer Konzerne einleben könnten. Daher werde es wohl eher zu Zusammenschlüssen kleinerer Firmen kommen, sagte auch Schulman: "All diese kleinen, frierenden Biotechs müssen sich zusammenkuscheln, um warm zu bleiben."