Viele der amerikanischen Top-Managerinnen scheiterten in den vergangenen Monaten. Frauen haben sich in der Männerdomäne noch lange nicht etabliert
Eine Frau als Bundeskanzler? Auf keinen Fall. Eine Frau als Vorstandschefin? Wenn das mal eine schafft, kuckt jeder mit dreimal so hohen Erwartungen dreimal so genau hin wie bei Männer-Managern. Top-Frauen sind prominenter als Top-Männer, ihre Erfolge und Misserfolge auch.
Viel zu gucken gibt es da allerdings immer noch nicht. Gerade mal neun der Top-1000-Unternehmen in den Vereinigten Staaten werden von Frauen geleitet; in den Fortune-500-Unternehmen beläuft sich ihre Zahl auf sechs. Im Jahr 2000 waren es nur zwei. Und dann auch noch das: Viele der ambitionierten Business-Ladys, die die Hitliste der exklusiven Männer-Enklave ‚Top-Management' erklommen hatten, scheiterten in den vergangenen Monaten.
Derzeit ist es an Patricia Russo und Carly Fiorina, das Image der mächtigen Frauen in der Wirtschaftswelt zu retten. Patricia Russo, 49, wird in den nächsten Monaten unter besonderer Beobachtung stehen. Vor wenigen Tagen trat sie ihren "Traumjob" als C.E.O. von Lucent an. Damit ist sie eine der mächtigsten und höchstdotierten Frauen im amerikanischen Technologiesektor.
Russo ist es gewohnt, in der Champions League zu spielen. Sie hatte bereits 20 Jahre bei Lucent und AT&T gearbeitet, ging dann im April vergangenen Jahres als Vize-Chefin zum Fotokonzern Eastman Kodak. Für neun Monate, dann rief Lucent.
Die Herausforderung ist gewaltig: Russo soll den Technologieriesen mit (noch) 77.000 Mitarbeitern, der im zurückliegenden Geschäftsjahr (unter der Führung eines männlichen C.E.O.s, Henry Schacht) einen Nettoverlust von mehr als 16 Milliarden Dollar ausgewiesen hat, wieder in glorreichere Zeiten als "Profit-Maschine" zurückführen. Der Konzern ist schwer angeschlagen, weitere Entlassungen stehen bevor. Eine Frau soll das richten? Die Aktionäre waren wenig enthusiastisch: Bei Bekanntgabe der Personalie gab die Lucent-Aktie an der New Yorker Börse nach.
Patricia Russo erbte ihren Job von Carly Fiorina, 47, heute Chefin der 88.500 Mitarbeiter des Computergiganten Hewlett-Packard. Auch ihr Schicksal steht gerade auf dem Prüfstand; das unternehmerische Talent der 47-Jährigen, der mächtigsten Frau der amerikanischen Wirtschaft, wird unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit beurteilt: Schafft sie die Fusion von Hewlett-Packard mit Compaq-Computer gegen den Willen der Erben der Hewlett-Packard-Gründer?
Sollte Fiorina, die ein Jahresgrundgehalt von 2,76 Millionen Dollar plus Bonus bezieht, Erfolg haben, dann sicher nicht wegen ihres femininen Führungsstils. "Mutig", "unerschrocken", "unnachgiebig" - das sind die Attribute, mit denen Carly Fiorina belegt wird. Wie ein Mann, könnte man still dazudenken.
Klappt der Compaq-Deal nicht, würde Carly Fiorina zum neuen tragischen Symbol werden, dass sich Frauen noch immer nicht wie selbstverständlich in der Männerdomäne Chefetage etablieren können. Nahtlos könnte sie sich einreihen in die Riege der High-Profile-Frauen, die letztlich auf der Strecke blieben.
Wie Linda J. Wachner: Sie hatte bereits als Kind davon geträumt, eines Tages ein Unternehmen zu leiten. Sie erreichte ihr Ziel, wurde höchstbezahlte Business-Frau in den USA, Vorbild für eine ganze Generation von Wirtschafts-Studentinnen. Im November wurde sie von ihrem Posten als C.E.O. des Wäsche-Giganten Warnaco gefeuert. Ohne Abfindung.
Wachner hatte das Unternehmen erst überhaupt zu einem "big player" aufgebaut und dann wieder an die Wand gefahren. Sechs Monate vor der Kündigung musste das Unternehmen Konkurs anmelden. Linda Wachner, seit 1983 verwitwet, widmete sich ganz der Karriere. Ihren Yorkshire Terrier nannte sie Ebit - für "earnings before interest and taxes" (Gewinne vor Zinsen und Steuern). Die Geschichte von ihrem Abstieg schaffte es auf die Titelseite der "New York Times". Natürlich.
Diana D. Brooks, 51: Nach einer erfolgreichen Karriere im Bankengeschäft wechselte sie zum Auktionshaus Sotheby's. 1994 wurde sie zum Präsidenten und C.E.O. ernannt. Im Februar 2000 trat sie im Zusammenhang mit dem "Preisabsprache-Skandal" der Auktionshäuser Christie's und Sotheby's zurück. Diana Brooks wurde schuldig gesprochen.
Auch Jill E. Barad, 50, die die Geschicke beim Spielzeuggiganten Mattel leitete, wurde im vergangenen Jahr nach einer bemerkenswerten Karriere geschasst. Unter Barad, die mit ihrem eindrucksvollen und bestimmenden Auftritt in Chanel-Kostümen und Stöckelschuhen für Aufsehen sorgte, wurde die Barbie-Puppe in den USA wieder zu einem Bestseller. Jill Barad war ein Kind des Unternehmens, arbeitete sich von unten hoch. 1997 wurde sie zum C.E.O. von Mattel benannt - und lehnte sich zu weit aus dem Fenster.
Eine Übernahme schlug fehl, die Gewinne blieben mehrmals hinter den Erwartungen zurück - das Ende. Trotzdem: Barad gilt als Vorbild für viele ambitionierte Frauen, weil sie mit ihrem (Führungs-)Stil - tough und sehr feminin - das stereotype Klischee einer erfolgreichen Geschäftsfrau gebrochen hatte und zudem Karriere und Kinder unter einen Hut brachte. Auf den Chefsessel folgte ihr Robert Eckert, 46 - weniger temperamentvoll, weniger auffällig.
Die Vertreibung aus der Chefetage widerfuhr auch Ellen M. Hancock. Unter Druck musste sie im vergangenen September ihr Büro bei Exodus Communications räumen. Noch im selben Monat stellte Exodus den Konkursantrag. Vier Jahre lang war Hancock, eine erfahrene Silicon-Valley-Businessfrau (IBM, Apple-Computer), für die Geschicke von Exodus verantwortlich. Jetzt hofft sie, einen vergleichbaren Job zu finden. "Wir pflegen zu sagen, dass männliche C.E.O.s Teflon an sich haben. Sie verlassen eine Firma und schon sitzen sie am Schreibtisch der nächsten", sagte Ellen Hancock. Sie wünscht sich ein ähnliches Schicksal.