Eine neue Wirtschaftsblase entsteht
Von David Pauly, Bloomberg News
29. Oktober 2003 Moment! Amerika ist doch tatsächlich dabei, schon wieder eine Wirtschaftsblase entstehen zu lassen - und dieses Mal könnte sie historisch kaum zu überbieten sein. Die Regierung steuert auf eine unbestimmte Serie jährlicher Haushaltsdefizite in Höhe von rund 500 Milliarden Dollar zu, während sie Unsummen von Geldern aufnimmt, um zu Hause Steuerkürzungen und höhere Zuschüsse im Gesundheitswesen oder ihr Engagement beim Kampf gegen den Terrorismus und der Verbreitung der Demokratie im Ausland finanzieren zu können.
Hierzu ein paar Fakten: Auf Basis seiner jüngsten Ergebnisse würde der Ölgigant Exxon-Mobil zur Erwirtschaftung von 500 Milliarden Dollar 33 Jahre benötigen. Das letzte Rekord-Haushaltsdefizit verzeichnete Amerika im Jahr 1992 mit 290 Milliarden Dollar. Ein Defizit in Höhe von einer halben Billionen Dollar entspricht in etwa fünf Prozent der aktuellen amerikanischen Wirtschaftsproduktion. Die Regierungen der Euro-Länder sind indes dazu aufgefordert, ihr Haushaltsdefizit nicht über die festgesetzte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen zu lassen. Bei einem jährlichen Defizit in Höhe von 500 Milliarden Dollar würde die amerikanische Staatsschuld in rund 14 Jahren doppelt so hoch sein.
Die Aussicht auf die mit dieser Schuld verbundene steigende Zinsbelastung ist erschütternd. Gerade jetzt, wo sich die meisten Amerikaner auf ein Platzen der Aktienspekulationsblase eingestellt haben, und sie zu dem Schluß gekommen sind, daß eine Abkühlung des überhitzten Immobilienmarktes zu bewältigen, wenn nicht sogar wünschenswert wäre.
Anreizwirkung der Steuersenkungen fragwürdig
Die Regierung unter George W. Bush sowie ein entgegenkommender Kongreß haben für den Zeitraum bis 2010 Einkommensteuersenkungen in Höhe von 1,7 Billionen Dollar verfügt. In diesem Jahr sollen die Steuerkürzungen eigentlich auslaufen, aber das ist Augenwischerei. Bush selbst möchte sie nämlich dauerhaft weiterführen. Diese Steuersenkungsinitiative soll einen Anreiz für die privaten Haushalte schaffen, mehr auszugeben, sowie das Wirtschaftswachstum ankurbeln; die Steuereinnahmen der Regierung sollen dabei gerade so wachsen, daß die durch die Kürzungen hervorgerufenen Steuerausfälle ausgeglichen werden können. So, wie es derzeit aussieht, ist dieses Vorhaben mit Blick auf das Ausgabenprogramm der amerikanischen Regierung fragwürdig und absolut unmöglich.
Für Medicare besteht die große Verlockung darin, Rentnern ihre Medikamente zu bezahlen - geschätzte Kosten für die nächsten zehn Jahre: 400 Milliarden Dollar. Diese zusätzliche Verbindlichkeit wird dann eintreten, wenn sich die Regierung gerade darüber Gedanken machen dürfte, wie sie denn die mit diesem Versicherungsprogramm verbundenen Kosten senken könnte. Nach Schätzungen der von der Regierung eingesetzten Treuhänder wird der Medicare-Trustfonds angesichts des derzeitigen Bedarfs im Jahr 2026 pleite sein. Zur gleichen Zeit bittet Bush den Kongreß, zusätzlich 87 Milliarden Dollar für militärische Zwecke und den Wiederaufbau im Irak sowie in Afghanistan zu bewilligen. Die Regerung spricht von einem möglichen Mehrbedarf in Höhe von 30 bis 55 Milliarden Dollar - je nachdem, wie viel Öl der Irak verkaufen kann. Bush wird das Geld auf jeden Fall bekommen. Der Kongreß kann nämlich nicht verantworten, die amerikanischen Truppen einer noch größeren Gefahr auszusetzen.
Historische Erfahrungen überwiegend negativ
Das Budget Office des Kongresses hat - sogar ohne Berücksichtigung der angesprochenen Zusatzausgaben - das Haushaltsdefizit für 2004 auf 480 Milliarden Dollar festgesetzt, nach 374 Milliarden Dollar für das im September zu Ende gegangene Fiskaljahr 2003. Traurigerweise haben sich die Bush-Vorgänger mit ähnlichen Programmen gescheitert: Ende der sechziger Jahre gab Lyndon Johnson Unsummen für den Vietnam-Krieg sowie diverse Inlandsprogramme aus. Die Inflationsrate stieg zwischen 1967 und 1968 - Johnsons letztem Präsidentschaftsjahr - von drei Prozent auf 4,7 Prozent, und dann auf 6,2 Prozent im darauf folgenden Jahr. Richard Nixon sah sich 1971 dazu gezwungen, der Nation eine Preis- und Lohnkontrolle aufzuerlegen. Ronald Reagan versuchte es mit dem „Steuersenkungen für Wohlstand“-Trick, nachdem er 1980 gewählt worden war. Bis 1983 hatte sich das Haushaltsdefizit dann auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgeweitet, was nach wie vor ein absolutes Rekordniveau nach dem Zweiten Weltkrieg darstellt.
Bushs Vater, George H.W. Bush, und Bill Clinton sahen sich schließlich dazu veranlaßt, die Steuern wieder zu erhöhen. Dies, in Verbindung mit der boomenden Wirtschaft der neunziger und Ausgabendrosselungen, führte in den vier Jahren bis 2001 kurzzeitig zu Haushaltsüberschüssen. Gegenüber der Politik hat die Wirtschaftshistorie allerdings einen niedrigeren Stellenwert: Per Definition handelt es sich bei den Republikanern um Menschen, die sich ständig über Steuern beklagen, die sie eigentlich mit Leichtigkeit zahlen könnten. Die Demokraten sind indes der Auffassung, daß die Regierung ihnen Geld schuldet. Auf lange Sicht hat es noch keine der beiden Parteien geschafft, ohne „Deficit Spending“ auszukommen. Amerika hat bislang immer überlebt und dabei Wohlstand genossen - soviel steht fest. Angesichts der momentanen Perspektiven in puncto Ausgaben, (die sich belastend auswirkende) Schuldenrückzahlung, Inflation und (hohe) Zinsen möchte man jedoch einfach nur den Kopf einziehen.
Text: Bloomberg/Bearbeitung: @thwi
Von David Pauly, Bloomberg News
29. Oktober 2003 Moment! Amerika ist doch tatsächlich dabei, schon wieder eine Wirtschaftsblase entstehen zu lassen - und dieses Mal könnte sie historisch kaum zu überbieten sein. Die Regierung steuert auf eine unbestimmte Serie jährlicher Haushaltsdefizite in Höhe von rund 500 Milliarden Dollar zu, während sie Unsummen von Geldern aufnimmt, um zu Hause Steuerkürzungen und höhere Zuschüsse im Gesundheitswesen oder ihr Engagement beim Kampf gegen den Terrorismus und der Verbreitung der Demokratie im Ausland finanzieren zu können.
Hierzu ein paar Fakten: Auf Basis seiner jüngsten Ergebnisse würde der Ölgigant Exxon-Mobil zur Erwirtschaftung von 500 Milliarden Dollar 33 Jahre benötigen. Das letzte Rekord-Haushaltsdefizit verzeichnete Amerika im Jahr 1992 mit 290 Milliarden Dollar. Ein Defizit in Höhe von einer halben Billionen Dollar entspricht in etwa fünf Prozent der aktuellen amerikanischen Wirtschaftsproduktion. Die Regierungen der Euro-Länder sind indes dazu aufgefordert, ihr Haushaltsdefizit nicht über die festgesetzte Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen zu lassen. Bei einem jährlichen Defizit in Höhe von 500 Milliarden Dollar würde die amerikanische Staatsschuld in rund 14 Jahren doppelt so hoch sein.
Die Aussicht auf die mit dieser Schuld verbundene steigende Zinsbelastung ist erschütternd. Gerade jetzt, wo sich die meisten Amerikaner auf ein Platzen der Aktienspekulationsblase eingestellt haben, und sie zu dem Schluß gekommen sind, daß eine Abkühlung des überhitzten Immobilienmarktes zu bewältigen, wenn nicht sogar wünschenswert wäre.
Anreizwirkung der Steuersenkungen fragwürdig
Die Regierung unter George W. Bush sowie ein entgegenkommender Kongreß haben für den Zeitraum bis 2010 Einkommensteuersenkungen in Höhe von 1,7 Billionen Dollar verfügt. In diesem Jahr sollen die Steuerkürzungen eigentlich auslaufen, aber das ist Augenwischerei. Bush selbst möchte sie nämlich dauerhaft weiterführen. Diese Steuersenkungsinitiative soll einen Anreiz für die privaten Haushalte schaffen, mehr auszugeben, sowie das Wirtschaftswachstum ankurbeln; die Steuereinnahmen der Regierung sollen dabei gerade so wachsen, daß die durch die Kürzungen hervorgerufenen Steuerausfälle ausgeglichen werden können. So, wie es derzeit aussieht, ist dieses Vorhaben mit Blick auf das Ausgabenprogramm der amerikanischen Regierung fragwürdig und absolut unmöglich.
Für Medicare besteht die große Verlockung darin, Rentnern ihre Medikamente zu bezahlen - geschätzte Kosten für die nächsten zehn Jahre: 400 Milliarden Dollar. Diese zusätzliche Verbindlichkeit wird dann eintreten, wenn sich die Regierung gerade darüber Gedanken machen dürfte, wie sie denn die mit diesem Versicherungsprogramm verbundenen Kosten senken könnte. Nach Schätzungen der von der Regierung eingesetzten Treuhänder wird der Medicare-Trustfonds angesichts des derzeitigen Bedarfs im Jahr 2026 pleite sein. Zur gleichen Zeit bittet Bush den Kongreß, zusätzlich 87 Milliarden Dollar für militärische Zwecke und den Wiederaufbau im Irak sowie in Afghanistan zu bewilligen. Die Regerung spricht von einem möglichen Mehrbedarf in Höhe von 30 bis 55 Milliarden Dollar - je nachdem, wie viel Öl der Irak verkaufen kann. Bush wird das Geld auf jeden Fall bekommen. Der Kongreß kann nämlich nicht verantworten, die amerikanischen Truppen einer noch größeren Gefahr auszusetzen.
Historische Erfahrungen überwiegend negativ
Das Budget Office des Kongresses hat - sogar ohne Berücksichtigung der angesprochenen Zusatzausgaben - das Haushaltsdefizit für 2004 auf 480 Milliarden Dollar festgesetzt, nach 374 Milliarden Dollar für das im September zu Ende gegangene Fiskaljahr 2003. Traurigerweise haben sich die Bush-Vorgänger mit ähnlichen Programmen gescheitert: Ende der sechziger Jahre gab Lyndon Johnson Unsummen für den Vietnam-Krieg sowie diverse Inlandsprogramme aus. Die Inflationsrate stieg zwischen 1967 und 1968 - Johnsons letztem Präsidentschaftsjahr - von drei Prozent auf 4,7 Prozent, und dann auf 6,2 Prozent im darauf folgenden Jahr. Richard Nixon sah sich 1971 dazu gezwungen, der Nation eine Preis- und Lohnkontrolle aufzuerlegen. Ronald Reagan versuchte es mit dem „Steuersenkungen für Wohlstand“-Trick, nachdem er 1980 gewählt worden war. Bis 1983 hatte sich das Haushaltsdefizit dann auf sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgeweitet, was nach wie vor ein absolutes Rekordniveau nach dem Zweiten Weltkrieg darstellt.
Bushs Vater, George H.W. Bush, und Bill Clinton sahen sich schließlich dazu veranlaßt, die Steuern wieder zu erhöhen. Dies, in Verbindung mit der boomenden Wirtschaft der neunziger und Ausgabendrosselungen, führte in den vier Jahren bis 2001 kurzzeitig zu Haushaltsüberschüssen. Gegenüber der Politik hat die Wirtschaftshistorie allerdings einen niedrigeren Stellenwert: Per Definition handelt es sich bei den Republikanern um Menschen, die sich ständig über Steuern beklagen, die sie eigentlich mit Leichtigkeit zahlen könnten. Die Demokraten sind indes der Auffassung, daß die Regierung ihnen Geld schuldet. Auf lange Sicht hat es noch keine der beiden Parteien geschafft, ohne „Deficit Spending“ auszukommen. Amerika hat bislang immer überlebt und dabei Wohlstand genossen - soviel steht fest. Angesichts der momentanen Perspektiven in puncto Ausgaben, (die sich belastend auswirkende) Schuldenrückzahlung, Inflation und (hohe) Zinsen möchte man jedoch einfach nur den Kopf einziehen.
Text: Bloomberg/Bearbeitung: @thwi