Freitag, 12. Mai 2006
ich denke, es ist höchste Zeit . . .
. . . einen kritischen Blick (!) auf die Neuemissionen am deutschen Aktienmarkt zu werfen. Diese sprießen in diesem Frühjahr wieder fast so zahlreich wie die viel zitierten Pilze aus dem Boden.
Bei manchen werden bereits wieder ungute Erinnerungen an die Jahrtausendwende wach, als der Börsengang von Infineon zur Massenhysterie geriet.
23.06.2004 Dt. Postbank +120,95
Doch soweit sind wir - zum Glück - noch lange nicht. Die herbe Kritik in den Medien zum bevorstehenden Air Berlin-Börsengang zeigt deutlich, dass man gewillt ist aus Fehlern zu lernen.
Das heißt jedoch noch lange nicht, dass jede Neuemission tatsächlich ihr Geld Wert ist. Ich zeigen Ihnen heute einige Tricks, die Sie kennen sollten, um nach der Zeichnung keine böse Überraschung zu erleben - und nenne Ihnen dazu natürlich auch konkrete Beispiele!
Unternehmen protzen gerne damit, dass ihre Emission vielfach überzeichnet sei, was soviel heißen soll wie: "Die Nachfrage nach unserer Aktie ist so groß, dass wir nur einen Bruchteil der Zeichner bedienen können!"
Häufig wird diese Nachfrage aber künstlich herbeigeführt. Dann stützen nämlich die Banken, die den Verkauf der Aktien an die Interessenten unter Dach und Fach bringen sollen (Konsortialbanken) den Kurs im außerbörslichen Handel (auf dem so genannten Graumarkt). Weil dieser Graumarkt meist eng ist, ist das für die Banken kein Problem.
Was soll das bringen? Ganz einfach: Je höher die Aktie steht umso größer schätzen die Privatanleger die Chance ein, bei einer Zuteilung am ersten Handelstag Zeichnungsgewinne einzufahren. Und je besser die Chancen scheinen, umso mehr zeichnen. Es wird also zusätzliches, künstliches Interesse an der Aktie erzeugt, damit auch alle Papiere an die Frau gebracht werden.
Ist die Aktie dann am ersten Handelstag den freien Marktkräften überlassen, zeigt sich ihre wahrer Wert - und der ist oft deutlich geringer als es zuvor den Anschein hatte. *Beispiel MAGIX AG (WKN 722 078)
Dort hieß es in einer offiziellen Meldung:
"Die MAGIX-Aktien wurden im Rahmen eines öffentlichen Angebots in Deutschland und Privatplatzierungen in verschiedenen anderen Ländern (außerhalb der USA) angeboten. Die Emission war rund 13fach überzeichnet. Insgesamt wurden 83,4 % der Aktien bei institutionellen Investoren platziert. Privatanlegern teilte das Konsortium 16,6 % zu."
So weit, so gut. "Natürlich" wird in so einem Fall das obere Ende der Bookbuilding-Spanne (= festgelegter Preis-Spanne, innerhalb derer die Aktien verkauft werden dürfen. Im Falle MAGIX lag diese bei 13,40 bis 16,40 Euro) als Ausgabepreis festgelegt.
Wer allerdings auf Grund der "großen Nachfrage" auf Zeichnungsgewinne gehofft hatte, wurde rapide enttäuscht. Die Aktie fällt noch am ersten Handelstag rapide ab und befindet sich bis jetzt in einem intakten Abwärtstrend. Aktuell notiert der Titel nur noch bei rund 13 Euro.
Wo sind also auf einmal die ganzen Interessenten geblieben, die die Aktie angeblich auf jeden Fall haben wollten?
* Trick Nr.2: Abkassieren!
Ein Börsengang soll normalerweise dazu dienen, dem Unternehmen Kapital für weiteres Wachstum zuzuführen. Vorsicht ist angebracht, wenn der Großteil der Erlöse aus dem Börsengang aber nicht ins Unternehmen sondern an die Altaktionäre fließt.
*Beispiel Magix AG
5,28 Millionen Aktien wurden verkauft, aber lediglich der Erlös aus dem Verkauf von 1,35 Millionen Aktien (also in etwa 25 Prozent des insgesamt erlösten Volumens abzüglich der Kosten des Börsengangs) geht tatsächlich an die Firma.
Den Rest kassieren die Altaktionäre (darunter unter anderem die Beteiligungsgesellschaft 3i), die ihre Aktien "großzügig zur Verfügung stellen".
* Trick Nr.3: Versteckspiel!
Ein absolut vertrauenswürdiges Management ist Grundvoraussetzung für die Zeichnung oder den Kauf einer Neuemission. Natürlich kann in der Praxis die Qualität nicht immer zweifelsfrei überprüft werden. Unternehmen, die etwas zu verbergen haben, tun dies meist sehr geschickt.
*Beispiel Solar² AG (WKN
A0HN45)
Versteckt auf Seite 27 des Emissionsprospekts heißt es: "Gegen das Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Brikey wird bei der Staatsanwaltschaft Stade ein Ermittlungsverfahren geführt.Gegen das Vorstandmitglied Thomas Wind ist bei der Staatsanwaltschaft Stade ein Ermittlungsverfahren anhängig... Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Fortgang.zum Ausfall der betroffenen Vorstandsmitglieder führt.
Und weiter:
"Dies würde sich erheblich nachteilig auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft auswirken."
Auch wenn zunächst vor Gericht die Unschuldsvermutung gilt, sollten sich potenzielle Aktionäre ernsthaft fragen, ob sie unter den knapp 1000 börsennotierten deutschen Unternehmen ihr Geld ausgerechnet in eine Firma mit dubiosem Management stecken möchten?
* Trick Nr.4: Auf Trends aufspringen!
Ende der 90er-Jahre war es das Internet, heute ist es die Solar-Energie oder die Nanotechnologie: Sind Branchen gerade in Mode fällt es leicht auch die Aktien von "Hinterbänklern" an den Mann zu bringen. Skrupellose Geschäftemacher nutzen dies, um gezielt solche Unternehmen zu gründen. Damals reichte schon ein gut klingender Business-Plan und etwas Kapital aus, um die eigene "Klitsche" an die Börse zu bringen.
So einfach ist es heute nicht mehr. Trotzdem wird der aktuelle Boom bei der Solarenergie auch von "Hinterbänklern" mit schwachem Geschäftsmodell zum Börsengang genutzt. Gemunkelt wird, dass der Börsengang bei manchen sogar Mittel zum Zweck ist, das Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren.
*Beispiel Solar² AG
Die Solar² AG vertreibt und montiert Solaranlagen, die Solarthermie (Wärmeerzeugung) und Photovoltaik (Stromerzeugung) aus Sonnenlicht unterstützen. Über 750 Anlagen wurden seit 2001 auf Einfamilienhäusern, sowie landwirtschaftlichen und industriellen Gebäuden montiert.
Trotz des Booms in der Branche gelang es dem Unternehmen in der Vergangenheit zu keiner Zeit profitabel zu arbeiten, unter anderem auf Grund des hohen Preisdrucks beim Endkundengeschäft. Hier die bisherigen Jahresabschlüsse in Kurzform:
2002: 0,7 Mio. Umsatz -1,3 Mio. Euro Verlust
2003: 2,5 Mio. Umsatz -0,6 Mio. Euro Verlust
2004: 4,4 Mio. Umsatz -1,4 Mio. Euro Verlust
2005e: 11,0 Mio. Umsatz -0,7 Mio. Euro Verlust
Mit nur 1,7 Millionen Euro an Eigenkapital ist man zudem bilanziell wenig solide aufgestellt - und das so kurz nach dem Börsengang.
*Trick Nr.5: Penetrante Werbung!
Oft gilt bei Neuemissionen leider der alte Spruch: "Mehr Schein als Sein". Gerne wird dann versucht, durch penetrante Werbung, operative Schwächen zu verbergen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der bereits oben angesprochene Börsengang der Air Berlin. Mehr dazu weiter unten!
MEIN FAZIT:
- Graumarktkurse sind nicht immer aussagekräftig
- X-fache Überzeichnungen sind keine Erfolgsgarantie
- Achten Sie darauf, wo das eingesammelte Kapital hin fließt
- Lesen Sie den Emissionsprospekt sehr genau
- Meiden Sie strikt Unternehmen mit dubiosem Management
- Überprüfen Sie den bisherigen Erfolg des Geschäfts-Modells
________________________________________
2.) Das DEBAKEL um Air Berlin!
Es sollte den Börsengang des Jahres geben: Air Berlin als deutsches Gegenstück zur Erfolgsgeschichte der Billigflieger Ryan Air und Easy-Jet!
Geworden ist es bisher eher ein Debakel: Auch Promi-Werbung mit Fernsehmoderator Johannes B. Kerner oder Schauspielerin Veronica Ferres konnte nicht verhindern, dass Air Berlin die Preisspanne fürs IPO um 20 Prozent auf 11,50 bis 14,50 Euro senken musste. Gleichzeitig werden 20 Prozent weniger Aktien als geplant emittiert.
Sehr schlecht kam in der Finanzwelt vor allem die Tatsache an, dass man im Vorfeld mehr durch aufwendiges Marketing und weniger durch konkrete Zahlen zu glänzen wusste. Analysten mussten sich mit spärlichen Informationen aus dem Emissionsprospekt begenügen. Fragen nach weiteren Zahlen blieben unbeantwortet.
Nicht ohne Grund, denn die Steigerungsraten bei den Passagierzahlen konnten nicht überzeugen. Obwohl die Kapazitäten um mehr als 11 Prozent erweitert worden waren, stieg die Zahl der Fluggäste nur um 8,5 Prozent an. Mit anderen Worten: Die für den Profit so wichtige Flugauslastung war zuletzt rückläufig.
Hinzu kam eine allgemein schlechte Branchenstimmung. Durch die zuletzt wieder steigenden Ölpreise kamen auch die Aktienkurse der profitablen Konkurrenten prozentual zweistellig zurück.
*Jetzt droht Kapitalmangel
Besonders prekär: der "verstümmelte" Börsengang hat auch mittelfristig Folgen für Air Berlin. Denn mit den Einnahmen sollte die Expansion finanziert werden. Statt der geplanten 400 Millionen Euros können nun nur 225 bis 284 Millionen Euro in die Kasse eingezahlt werden. Dafür bekommt man nicht mehr als drei neue Airbus-Flugzeuge.
Ob das ausreicht, um im hart umkämpften und kapitalintensiven Billigflieger-Geschäft, den Marktanteil nachhaltig zu steigern, bezweifle ich. Aktuell liegt man jedenfalls mit 6 Prozent noch meilenweit hinter Ryan Air (27%) und Easy-Jet (23 Prozent).
MEIN FAZIT:
+Fairere Bewertung nach Preisabschlag
- Werbekampagne erwies sich als Bumerang
- Operative Schwächen treten jetzt umso stärker zu tage
- Markt ist hart umkämpft
- Schlechte Marktposition
• Air Berlin in Zahlen
Air-Berlin-Chef Joachim Hunold • ISIN
GB00B128C026 • Umsatz 1,215 Milliarden Euro
• Nettoergebnis -116 Millionen Euro
• Ausgabepreis 12 Euro
• Erster Kurs 12,65 Euro
• Akt. Kurs 11,25 Euro
Unsere Wertung: Zahlen abwarten!