07. Dezember 2007
Neue Steuernummer
Kontrolle von der Wiege bis zur BahreVon Lutz Schumann
Die Computer in den deutschen Einwohnermeldeämtern und im Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) laufen seit drei Monaten auf Hochtouren. Der Grund für diese Betriebsamkeit: Die über 80 Millionen Einwohner Deutschlands erhalten Anfang nächsten Jahres eine persönliche Steuer-Identifikationsnummer, kurz IdNr.
Die neue elfstellige Nummer ersetzt die alte zwölfstellige, die Steuerzahler bislang vom zuständigen Finanzamt erhalten haben. Ein großer Unterschied: Die neue Nummer gilt ein Leben lang, selbst bei einem Umzug nehmen Sie diese mit.
Zwei Steuernummern werden vergeben
Seit dem 1. Juli dieses Jahres übermitteln die rund 5.300 Einwohnermeldeämter Daten wie Namen, Adresse und Geburtstag an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Die Bonner Behörde gleicht die Daten bundesweit ab und sorgt dafür, dass jeder Einwohner, vom Baby bis zum Greis, nur eine einzige Nummer erhält.
Dabei werden zwei verschieden Identifikationsnummern vergeben:
- für natürliche Personen eine steuerliche Identifikationsnummer (IdNr.) nach § 139b Abgabenordnung (AO).
- für wirtschaftlich tätige natürliche Personen (z. B. Einzelunternehmer, Freiberufler), juristische Personen (z. B. GmbH, AG) und Personenvereinigungen (z. B. GbR, OHG) die steuerliche Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) nach § 139c AO.
Für die Finanzbehörden ist die Einführung der Steueridentifikationsnummer der Sprung ins digitale Zeitalter und zugleich der Anschluss an Europa. In anderen EU-Mitgliedsstaaten sind einheitliche Identifikationsmerkmale wie die sogenannte Taxpayer Identification Number (Tin) bereits weit verbreitet. Die neue Nummer soll dem Bürokratieabbau dienen und die Besteuerung modernisieren. So sieht es jedenfalls das Bundesfinanzministerium.
Wider den Finanzamtstourismus
Doch Berliner Insider munkeln, dass die neuen Nummern in erster Linie dabei helfen sollen, Steuermauscheleien zu verhindern, zum Beispiel den vor allem bei Umsatzsteuerbetrügern beliebten Finanzamtstourismus. Dabei gibt der Steuerpflichtige bei mehreren Finanzämtern unter unterschiedlichen Steuernummern Umsatzsteuererklärungen ab und hofft auf hohe Vorsteuererstattungen.
Durch die IDNr und den Zugriff auf eine einheitliche Datenbank wird die Ermittlung schneller und effizienter, da die Nummer eindeutig einer Person oder. Firma zuzuordnen ist. Auch Tricksereien mit unterschiedlichen Namen oder Anschriften werden schnell erkannt.
Eine Nummer für jeden Steuerzahler
Die neue IdNr wird jedem Bürger bei Geburt automatisch durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zugeteilt und gespeichert. Sie ersetzt die bisherige persönliche Steuernummer, die von den Finanzämtern vergeben wurde. Zog ein Steuerpflichtiger um, heiratete oder wurde sein Finanzamt umstrukturiert, bekam er bislang stets eine neue Steuernummer. Die neue IdNr dagegen bleibt während des gesamten Lebens unverändert. Zu jeder Nummer speichert der Fiskus die Angaben zu
- Familienname, Vorname (auch frühere Namen, Künstlernamen etc.),
- Doktorgrad,
- Geburtsdatum und Geburtsort,
- Geschlecht,
- gegenwärtige/zuletzt bekannte Anschrift,
- den eventuellen Sterbetag,
- eventuell vergebene Wirtschafts-Identifikationsnummern und
-die zuständige Finanzbehörde.
Gültig bis 20 Jahre nach dem Tod
Die neue Nummer wird erst 20 Jahre nach dem Tod des Steuerzahlers gelöscht. Der Hintergrund: Erben haften für eventuelle Steuerschulden des Erblassers. Wegen der Fristverlängerungsvorschriften kann das Finanzamt auch schon mal mehr als ein Jahrzehnt nach dem Tode des Erblassers auf die Erben zukommen, wenn es z. B. eine Steuerhinterziehung des Verblichenen vermutet.
Jeder, der in Deutschland seinen Wohnsitz hat, erhält die Identifikationsnummer zusammen mit den gespeicherten Daten ab Herbst 2007 per Post. Das kann niemand verhindern, nicht einmal verzögern - noch nicht einmal beschleunigen. Das Positive: Extra beantragen müssen Sie die Nummer nicht. Wann Sie Ihre erhalten, kann bislang niemand genau sagen. Es kann schnell gehen, aber auch durchaus noch ein paar Monate dauern. Übrigens: Eine Wunschnummer können Sie sich nicht aussuchen.
Sorge vor dem Überwachungsstaat
Kritiker sehen in der Steueridentifikationsnummer einen weiteren Schritt zum „gläsernen Bürger“. Und auch die Datenschützer sind von der neuen Steuernummer wenig begeistert. Immerhin erhält der Staat mit ihr ein weiteres Überwachungsinstrument. „Durch die bereits etablierten Kontroll- und Abfragemöglichkeiten in Verbindung mit der ID-Nummer droht der gläserne Steuerzahler“, warnt etwa der Bund der Steuerzahler. Kontrollmeldungen der Banken, Versicherungen oder Bausparkassen wären nichts anderes als Datenübermittlungen zu den Finanzbehörden - und diese laufen dann künftig zentral über die persönliche ID-Nummer.
Zwar darf nach der jetzigen Gesetzeslage nur das Finanzamt Daten beim Bundeszentralamt für Steuern abrufen. Anderen Behörden ist es nur dann erlaubt, wenn es für den Datenaustausch mit den Finanzämtern erforderlich ist. Das aber kann die Kritiker kaum beruhigen. „Wer garantiert, dass die Datei später nur zum Datenaustausch für das Finanzamt genutzt wird?“, fragt etwa der Berliner Steueranwalt und Steuerberater Andreas Mainczyk. „Ist erst mal eine solche umfassende Datensammlung von allen Bundesbürgern eingerichtet, sollte es mich wundern, wenn nicht auch andere Behörden im Laufe der Zeit Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten.“
Rentnern droht Ärger
Die Nachteile der Nummer werden als Erstes die deutschen Rentner zu spüren bekommen. Denn sie werden mit der neuen Steuernummer zum gläsernen Ruheständler. Der Grund: Seit 2005 sind nach dem Alterseinkünftegesetz Renten, Betriebsrenten, aber auch private Altersbezüge steuerpflichtig. Manch einer hat das übersehen, ob versehentlich oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Jetzt kann er jedenfalls schnell aus dem Datenpool gefischt werden.
Die Rentner müssen ihre ID-Nummer unverzüglich den Rentenversicherern melden. Diese geben die Rentenbezugsmitteilung mit der Nummer an die zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen in Brandenburg weiter. Nach Schätzungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft könnte es bis zu 400.000 Senioren treffen, die dann eine Steuererklärung abgeben müssen.
Auslandseinsatz
Auch Anleger sind betroffen. Sie müssen Ihre Identifikationsnummer künftig bei der Kontoeröffnung im EU-Ausland angeben oder. nachreichen, wenn Sie dort schon ein Konto unterhalten. Die Folge: Nur in EU-Staaten mit einer Quellensteuer (Belgien, Österreich, Luxemburg) bleiben deutsche Anleger weiterhin anonym. Alle anderen EU-Staaten melden die jährlichen Zinserträge deutscher Anleger mit den dazugehörigen Steuernummern an die deutsche Finanzverwaltung weiter.
Pessimisten orakeln schon, dass mit der neuen Identifikationsnummer in naher Zukunft jede finanzielle Transaktion eines Bürgers (außer bei der Bargeldnutzung) mit seiner einmaligen Identifikationsnummer verknüpft wird. So entstünde ein nahezu lückenloses Profil über seine Aktivitäten.
Übrigens: Die realen Auswirkungen einer solchen Identifikationsnummer kann man sehr gut in Brasilien beobachten. Dort wird ebenfalls jedem Bürger vom Finanzministerium eine eindeutige lebenslang gültige Steuernummer, CPF genannt, zugeteilt. Ohne eine CPF kann man in dem südamerikanischen Land legal kein Konto eröffnen, kein Auto anmelden und noch nicht einmal einen Festnetztelefonanschluss beantragen.