Die Woche lebte zu früh, zu spät

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mothy:

Die Woche lebte zu früh, zu spät

 
08.03.02 08:12
Nach über acht Jahren kommt jetzt das Ende für Die Woche, mit der Gründer Manfred Bissinger jüngere Lesergruppen erschließen wollte.

SZ vom 07.03.2002) - Das grafisch flotte Autorenblatt schaffte trotz etlicher Großmaßnahmen – etwa der Übernahme der Wochenpost – nur eine Verkaufsauflage von 135 000 Stück. Die Anzeigen blieben aus, und Verleger Thomas Ganske (siehe Profil) wollte nicht länger einen zweistelligen Millionen-Euro-Verlust im Jahr tragen.
Der Autor Roger de Weck lebt in Berlin und Zürich; von 1997 bis 2000 war der Publizist Chefredakteur der Zeit in Hamburg.

De mortuis nil nisi bene: Von Toten solle man nur Gutes sagen, riet der Spartaner Chilon, der zu den sieben Weisen der Antike zählte. Seinem Aufruf an Nachrufer folge ich um so lieber, als ich die Woche gemocht habe.

Die kleine Redaktion hat Großes geleistet. Es gab Ausgaben, da war die Woche – mit ihrer Handvoll Journalisten – so interessant wie Zeit und Spiegel.

Durchaus in der spartanischen Tradition lag das Blatt von Manfred Bissinger. Es war virtuos in der Kunst, aus der Not eine Tugend zu machen: Aus wenigen Köpfen kamen viele Einfälle.

Tapferkeit - die Blößen offenbart

Nicht selten hat die Woche Themen gesetzt, die andere Zeitungen etwas später, etwas besser umsetzten. Mit Dynamik hat sie wettgemacht, was ihr an Substanz fehlte.

Der Wochenzeitung merkte man beides an, den Ehrgeiz und das Vergnügen. Sie war ein Hort des Journalismus. Den Hamburger Nachbarn wird sie fehlen.

Aus der Woche erwuchs weder der Zeit noch dem Spiegel oder stern ein ernsthafter Wettbewerber. Die Auflage blieb klein, die Zahl der Anzeigen auch.

Allerdings war das Blatt ein Stimulus: ein Spiegel, in den manch andere Redaktion schauen konnte, ohne gleich zum Schluß zu kommen, sie sei die schönste im ganzen Land.

Kurzum, die Woche war besser als ihr Ruf. Und wenn der nicht immer so gut war, hing es zusammen mit einer anderen Regel: Von Toten zwar soll man nur Gutes sagen, von anderen Blättern aber nur Schlechtes – that’s the law in der deutschen Medienwelt.

Der Zwerg kam besonders schlecht weg bei den Riesen, die auf ihn herabschauten: Merkt der Riese, dass seine Qualität nicht in Proportion steht zu seinem Wuchs, ärgert es ihn. Und: Weil die Woche tapfer war, gab sie sich Blößen.

Die größte Blöße freilich geriet zu einer Stärke der Woche. Ich meine den Umstand, dass Bissinger das Gegenteil machte dessen, was er sich vorgenommen hatte.

Ein Stuhl in der politischen Küche

Die Trampelpfade des politischen Journalismus hatte er verlassen wollen. Bald merkte er, dass alle Pfade nach Bonn und Berlin führten. Die Woche schärfte ihren Sinn und Geschmack für das, was Franzosen la politique politicienne nennen, auf Deutsch die „politische Suppe“: Wer wissen wollte, was alles kochte, schmorte, briet, dünstete, dämpfte in den Küchen der Republik, was angerichtet und garniert wurde, der genoß die Woche.

Mir schien es keineswegs von Nachteil, dass sie gouvernemental war und Bissinger dem Kanzler sehr nahe stand: Ich lese gern regierungsfreundliche Blätter, oft erfahre ich von ihnen mehr als von Zeitungen, die immerzu auf Gerhard Schröder eindreschen.

Es gibt eine Pressefreiheit, die Regierung zu mögen. Und wenn Bissinger darin einmal zu weit ging, dachte ich: Ärger ist ein Teil der Lesefreude, Irritation trägt zur Leserbindung bei.

Die Woche-Redaktion wusste es auch, denn auf einzelne gouvernementale Exzesse folgten heftige antigouvernementale Gegenschläge, so dass man vollends die Orientierung verlor und gleichwohl zufrieden war. Denn da folgte die Woche einem alten Leitsatz: Let’s surprise them, lasst uns die Leser überraschen!

Welch ein Idee

Nicht in jedem Nachruf ist zu erörtern, warum der Tote tot ist. Woran die Woche gestorben ist? Sie lebte zu spät, zu früh. Ihr haftete zugleich etwas Anachronistisches und Zukunftsweisendes an.

Welch eine Idee, am Ende des 20. Jahrhunderts eine Wochenzeitung zu gründen! Im Zeitalter der Mobilität, da die Elite vor allem unterwegs liest, will sie handliche Wochentitel, die frisch bleiben, wiewohl man sie oft in die Hand nimmt.

Auch die Zeit wird eines Tages wohl als Wochenzeitschrift erscheinen, in großem Format (um sie von den Nachrichtenmagazinen zu unterscheiden), auf Zeitungspapier, aber geheftet, wie jetzt schon ihre Literaturbeilagen.

Die Woche hätte eine bessere Chance gehabt, wenn sie sich als Zeitschrift neuen Typs verstanden hätte. Das moderne, preisgekrönte Layout konnte den Startnachteil nicht wettmachen.

Jetzt ist sie nicht am Ziel, sondern am Ende. Schade.
 
Happy End:

:´-(

 
08.03.02 08:47
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