ComRoad [ Kurs/Chart ] war der Gipfel an Unverschämtheit, Skandale gab es am Neuen Markt aber schon vorher zuhauf. Damit sind nicht allein Betrugsfälle und Insidervergehen gemeint. Besonders lang ist die Liste der Unternehmen, die Anleger und Analysten mit überraschenden Schreckensmeldungen entsetzten: EM.TV, D.Logistics, Intershop, TV-Loonland, IM International Media....
Skandalös waren bei diesen Unternehmen nicht allein die negativen Meldungen an sich, sondern die Tatsache, dass die Hiobsbotschaften aus heiterem Himmel veröffentlicht wurden. Beispiel D.Logistics [ Kurs/Chart ]: Von einem auf den anderen Tag tritt der Vorstandsvorsitzende zurück, dann werden die Zahlen, die angeblich gut werden sollten, drastisch revidiert und zwei Wochen später kehrt der Vorstandsvorsitzende zurück.
IM Internationalmedia [ Kurs/Chart ] war immerhin so fair, die Anleger im März zu warnen und nicht wie TV-Loonland [ Kurs/Chart ] einfach Zahlen unter Plan zu melden. Nur hatte Internationalmedia erst wenige Wochen vor der Warnung schon einmal schwächere Zahlen angekündigt, die dann aber noch meilenweit über den erneut revidierten Zahlen von März lagen.
In zahlreichen Fällen haben die Vorstände von Neuer Markt-Unternehmen noch kurze Zeit vor einer Warnung in Gesprächen mit institutionellen Investoren die Planzahlen bestätigt oder die Auskunft gegeben, das Geschäft laufe gut. Stock-World hat in Gesprächen mit Fondsmanagern immer wieder Verärgerung über ein solches Verhalten bestätigt bekommen.
Der gesamte Markt leidet
Die Folgen sind für das komplette Segment schwerwiegend. Nicht nur Privatanleger ziehen sich zurück, die Unberechenbarkeit der Wachstumswerte schreckt vor allem Fonds ab. Neue Markt-Fonds können sich selbstverständlich nicht von allen Titeln verabschieden, weichen aber augenscheinlich auf Werte aus, die in der Vergangenheit verlässlich Auskunft gaben und sich an die Regeln der Finanzmarkt-Kommunikation hielten. So ist auch die hohe Bewertung von Aktien wie T-Online [ Kurs/Chart ], Aixtron und Singulus unter anderem auf deren Zuverlässigkeit zurückzuführen.
Standardwertefonds ignorieren die Wachstumswerte nach unseren Erkenntnissen zunehmend. Früher mischten die Fondsmanager Neue Markt-Aktien bei, um besser eine Outperformance erreichen zu können. Heute scheiden viele Titel wegen des geringen Handelsvolumens aus, vor allem stört aber die Unzuverlässigkeit der Prognosen.
Der Vertrauensverlust in den Neuen Markt ist so groß, dass bei dem geringsten Zweifel an den Aussagen eines Unternehmens die Aktie mit einem Risikoabschlag bestraft wird. Die Unternehmensschätzungen werden in solchen Fällen nicht mehr ernst genommen und entsprechend günstig notieren viele Papiere. Jüngstes Beispiel: IPC Archtec [ Kurs/Chart ]. Sollte der IT-Vermarkter seine Ziele erreichen, läge das KGV auf Basis des 2002er-Gewinns bei rund 3 (!).
Die Sünder-Kartei
Stock-World hat eine Kartei mit betroffenen Titeln aus dem Nemax 50 zusammengestellt. Bei diesen Unternehmen gab es in der Vergangenheit Defizite in der Kommunikation mit den Investoren. Im Kursverlauf machen sich fehlendes Vertrauen und Risikoabschlag bemerkbar. Eine Normalisierung des Kursniveaus ist bei solchen Aktien erst zu erwarten, wenn durch harte Fakten wie Quartalszahlen die Richtigkeit der Eigendarstellung belegt wird - Rote Karte lautet deshalb unser Urteil in diesen Fällen. Eine gelbe Karte erhalten Titel, bei denen kleinere Verfehlungen in der Investor Relations-Arbeit vorgekommen sind.
Stock-World wird die Liste in Zukunft regelmäßig überprüfen und auf Verfehlungen, aber auch auf Verbesserungen in der Investor-Relations-Arbeit reagieren. Wie beim Fußball ist auch in unserer Sünderkartei keine absolute Objektivität erreichbar. Es gab durchaus weitere Kandidaten für gelbe Karten, doch wir geben einigen Unternehmen noch eine Chance: Die Berichterstattung über das abgelaufene Quartal.
Folgende Titel kommen in die Sünder-Kartei:
Balda - Im März gemeldete Geschäftszahlen lagen noch unter den revidierten Planzahlen
ComRoad - Vorsätzlicher Betrug wahrscheinlich, Finger weg
D.Logistics - Urplötzlicher Rücktritt und anschließende Rückkehr des Chefs Detlev Hübner, Liquiditätsprobleme, viele offene Fragen
IM Internationalmedia - hoher Verlust statt Gewinn, große Übernahme geplatzt
Intershop - gemeldete Zahlen lagen mehrfach unter Plan
Senator - offene Fragen über Geschäftspartner, Vertragsdetails werden nicht genannt
Teleplan - die letzten Geschäftszahlen blieben noch unter den kurz zuvor revidierten Schätzungen
Unternehmen Einschätzung
Balda gelbe Karte
ComRoad rote Karte
D.Logistics rote Karte
IM International Media rote Karte
Intershop gelbe Karte
Senator gelbe Karte
Teleplan gelbe Karte
© 11.04.2002 www.stock-world.de
Gruß Kostolmoney