Dr. Friedhelm Busch
Er ist ein anerkannter Kenner des Börsengeschehens, spricht regelmässig mit Händlern, Analysten und Unternehmensvorständen: Friedhelm Busch, Moderator des Nachrichtensenders n-tv.
Die Stabilität ist in Gefahr
von Friedhelm Busch
Im Grunde gibt es daran an der Börse keinen Zweifel: Staatliche Konjunkturprogramme wirken, wenn überhaupt, nur mit einer erheblichen Verzögerung. Und sie dürfen nicht zu einer höheren Verschuldung führen, da sonst das Vertrauen der Bürger in die Stabilitätspolitik schwindet. Ähnliches wäre zu sagen über Zinssenkungen in Zeiten hoher Preissteigerungsraten. Der psychologische Schaden derartiger Konjunkturspritzen auf Pump und übereilter geldpolitischer Maßnahmen wäre nämlich mit Sicherheit größer als der mögliche wirtschaftliche Nutzen.
So haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten mehrheitlich bei der geforderten staatlichen Hilfe für die angeschlagene Konjunktur - reichlich blauäugig - eine Fortsetzung der stabilen Finanzpolitik auf dem Boden der Maastrichter Kriterien unterstellt.
Für Finanzminister Hans Eichel war dies dann auch eine willkommene Gelegenheit, als unerschrockener Ritter für eine europäische Stabilitätspolitik zu streiten. Konjunkturspritzen oder eine vorgezogene Steuerreform seien nicht möglich, hieß es aus dem Ministerium, da dafür in der Haushaltskasse keine überflüssige Mark zu finden sei. Mehr Schulden aber wolle man nicht machen.
Dennoch wird zum Kummer der Börse die deutsche Stabilitätspolitik wohl bald auf eine harte Probe gestellt werden, denn angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit in Deutschland droht der Etat des Arbeitsministers in einem tiefen Loch zu versinken. Nur mit vielen Tricks wird es der Bundesregierung gelingen, im nächsten Jahr die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung auf dem jetzigen Niveau zu halten. Von der versprochenen Senkung ist eh' nichts mehr zu hören.
Jetzt rächt es sich, dass die Bundesregierung es in der Zeit einer weltweiten Hochkonjunktur versäumt hat, geeignete Schritte zu unternehmen, um die deutsche Wirtschaft auf kräftige eigene Beine zu stellen. Im Gegenteil! Im Windschatten der florierenden Exporte wurden der heimischen Wirtschaft Lasten auferlegt, die sie nun, ohne die überlebenswichtigen Exporterfolge, zu Boden zwingen. Mehr Bürokratie und höhere Belastungen für Geringverdiener, Verschärfung des Kündigungsschutzes, Ausdehnung der Mitbestimmung.
Alles Maßnahmen, denen vor allem der deutsche Mittelstand, die unbestrittene Basis unserer Wirtschaft, kaum entkommen kann. Anders die großen deutschen Konzerne. Sie verlagern zunehmend ihre Produktionsstätten ins Ausland und befreien sich vom Einfluss deutscher Politiker und Gewerkschaften. Dass dadurch die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter steigt und damit die Haushaltsansätze des Bundesfinanzministers in der Luft hängen, das ist leicht einzusehen. Wen wundert es da noch, dass unsere Wirtschaft in der Europaliga gegen den Abstieg spielt und die Steuereinnahmen in Deutschland schwinden.
Weltmeisterlich auftrumpfend dagegen die USA! Nach Jahren steigender Überschüsse in den Haushaltskassen kann nun der Präsident ein Konjunktur- und Steuerprogramm auf die Schienen setzen, das an den Marshallplan nach dem 2. Weltkrieg erinnert. Damit nicht genug. Die andauernden Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank werden dem bevorstehenden Aufschwung der US-Wirtschaft zusätzlichen Schub verleihen. Wenn nach den Terroranschlägen die Wunden auf den Seelen der Amerikaner vernarbt sind, wird diese Lokomotive der Weltkonjunktur auch die deutsche Wirtschaft wieder auf Trab bringen.
Insofern könnte sich also die Bundesregierung in aller Ruhe zurücklehnen und auf den Aufschwung warten, der von den USA ausgehen wird. Am Ende wäre gar die deutsche Wirtschaft in einer angenehmeren Lage als ihre amerikanischen Kollegen. Denn so willkommen Unternehmern in der Not staatliche Finanzhilfen sein mögen, so lästig wird der Staat sein, wenn es wieder besser läuft. Hat er sich erst einmal in den Wirtschaftsprozess eingeklinkt, ist es sehr schwer, ihn wieder los zu werden.
Zur Erinnerung: Die Stärke der US-Wirtschaft rührt nicht zuletzt aus der Deregulierungspolitik Reagan's. Die amerikanische Politik wäre also allein aus ordnungspolitischen Erwägungen sehr gut beraten, ihre finanzielle Kraft unter Kontrolle zu halten und sie nur in Maßen einzusetzen.
Diese Sorgen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder nun wirklich nicht. Ihn scheinen andere Ängste umzutreiben. So sichert ihm die Stabilitätspolitik seines eisernen Eichel zwar den Beifall vieler Bundesbürger und verkauft sich auch gut in den Medien, sie könnte ihn aber am Ende um das Wohlwollen der Gewerkschafter bringen, die in der steigenden Arbeitslosigkeit einen wichtigen Grund für ihren Mitgliederschwund vermuten dürfen. Kurz vor der nächsten Bundestagswahl sind das keine angenehmen Gedanken für die Wahlkampfstrategen der SPD.
Eine Überraschung wäre es daher nicht, wenn plötzlich die Stabilitätskriterien von Maastricht auf der politischen Tagesordnung ins Rutschen gerieten. Wenn es um Wählerstimmen geht, mag ein wenig mehr Neuverschuldung schon möglich sein. Das würde zwar dem Euro schon beim Start die Beine wegschlagen, aber ein schwacher Euro ist doch gut für die deutschen Exporte, so unser Kanzler vor gut einem Jahr.
Die Europäische Zentralbank wäre daher gut beraten, in den kommenden Wochen die Bundesregierung an ihren Taten und weniger an ihren Worten zu messen, wenn es gilt, den Spielraum für Zinssenkungen auszuloten.
So wenig Sinn Konjunkturprogramme auf Pump haben und so schädlich sie auch sein mögen, in Wahlkampfzeiten gelten hin und wieder andere Gesetze als die der wirtschaftlichen Vernunft. Die Börse kann ein Lied davon singen.
Er ist ein anerkannter Kenner des Börsengeschehens, spricht regelmässig mit Händlern, Analysten und Unternehmensvorständen: Friedhelm Busch, Moderator des Nachrichtensenders n-tv.
von Friedhelm Busch
Im Grunde gibt es daran an der Börse keinen Zweifel: Staatliche Konjunkturprogramme wirken, wenn überhaupt, nur mit einer erheblichen Verzögerung. Und sie dürfen nicht zu einer höheren Verschuldung führen, da sonst das Vertrauen der Bürger in die Stabilitätspolitik schwindet. Ähnliches wäre zu sagen über Zinssenkungen in Zeiten hoher Preissteigerungsraten. Der psychologische Schaden derartiger Konjunkturspritzen auf Pump und übereilter geldpolitischer Maßnahmen wäre nämlich mit Sicherheit größer als der mögliche wirtschaftliche Nutzen.
So haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Herbstgutachten mehrheitlich bei der geforderten staatlichen Hilfe für die angeschlagene Konjunktur - reichlich blauäugig - eine Fortsetzung der stabilen Finanzpolitik auf dem Boden der Maastrichter Kriterien unterstellt.
Für Finanzminister Hans Eichel war dies dann auch eine willkommene Gelegenheit, als unerschrockener Ritter für eine europäische Stabilitätspolitik zu streiten. Konjunkturspritzen oder eine vorgezogene Steuerreform seien nicht möglich, hieß es aus dem Ministerium, da dafür in der Haushaltskasse keine überflüssige Mark zu finden sei. Mehr Schulden aber wolle man nicht machen.
Der Mittelstand gerät unter Druck
Dennoch wird zum Kummer der Börse die deutsche Stabilitätspolitik wohl bald auf eine harte Probe gestellt werden, denn angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit in Deutschland droht der Etat des Arbeitsministers in einem tiefen Loch zu versinken. Nur mit vielen Tricks wird es der Bundesregierung gelingen, im nächsten Jahr die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung auf dem jetzigen Niveau zu halten. Von der versprochenen Senkung ist eh' nichts mehr zu hören.
Jetzt rächt es sich, dass die Bundesregierung es in der Zeit einer weltweiten Hochkonjunktur versäumt hat, geeignete Schritte zu unternehmen, um die deutsche Wirtschaft auf kräftige eigene Beine zu stellen. Im Gegenteil! Im Windschatten der florierenden Exporte wurden der heimischen Wirtschaft Lasten auferlegt, die sie nun, ohne die überlebenswichtigen Exporterfolge, zu Boden zwingen. Mehr Bürokratie und höhere Belastungen für Geringverdiener, Verschärfung des Kündigungsschutzes, Ausdehnung der Mitbestimmung.
Alles Maßnahmen, denen vor allem der deutsche Mittelstand, die unbestrittene Basis unserer Wirtschaft, kaum entkommen kann. Anders die großen deutschen Konzerne. Sie verlagern zunehmend ihre Produktionsstätten ins Ausland und befreien sich vom Einfluss deutscher Politiker und Gewerkschaften. Dass dadurch die Arbeitslosigkeit in Deutschland weiter steigt und damit die Haushaltsansätze des Bundesfinanzministers in der Luft hängen, das ist leicht einzusehen. Wen wundert es da noch, dass unsere Wirtschaft in der Europaliga gegen den Abstieg spielt und die Steuereinnahmen in Deutschland schwinden.
Amerika zeigt den Weg
Weltmeisterlich auftrumpfend dagegen die USA! Nach Jahren steigender Überschüsse in den Haushaltskassen kann nun der Präsident ein Konjunktur- und Steuerprogramm auf die Schienen setzen, das an den Marshallplan nach dem 2. Weltkrieg erinnert. Damit nicht genug. Die andauernden Zinssenkungen der amerikanischen Notenbank werden dem bevorstehenden Aufschwung der US-Wirtschaft zusätzlichen Schub verleihen. Wenn nach den Terroranschlägen die Wunden auf den Seelen der Amerikaner vernarbt sind, wird diese Lokomotive der Weltkonjunktur auch die deutsche Wirtschaft wieder auf Trab bringen.
Insofern könnte sich also die Bundesregierung in aller Ruhe zurücklehnen und auf den Aufschwung warten, der von den USA ausgehen wird. Am Ende wäre gar die deutsche Wirtschaft in einer angenehmeren Lage als ihre amerikanischen Kollegen. Denn so willkommen Unternehmern in der Not staatliche Finanzhilfen sein mögen, so lästig wird der Staat sein, wenn es wieder besser läuft. Hat er sich erst einmal in den Wirtschaftsprozess eingeklinkt, ist es sehr schwer, ihn wieder los zu werden.
Zur Erinnerung: Die Stärke der US-Wirtschaft rührt nicht zuletzt aus der Deregulierungspolitik Reagan's. Die amerikanische Politik wäre also allein aus ordnungspolitischen Erwägungen sehr gut beraten, ihre finanzielle Kraft unter Kontrolle zu halten und sie nur in Maßen einzusetzen.
Kommen die Stabilitätskriterien ins Rutschen?
Diese Sorgen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder nun wirklich nicht. Ihn scheinen andere Ängste umzutreiben. So sichert ihm die Stabilitätspolitik seines eisernen Eichel zwar den Beifall vieler Bundesbürger und verkauft sich auch gut in den Medien, sie könnte ihn aber am Ende um das Wohlwollen der Gewerkschafter bringen, die in der steigenden Arbeitslosigkeit einen wichtigen Grund für ihren Mitgliederschwund vermuten dürfen. Kurz vor der nächsten Bundestagswahl sind das keine angenehmen Gedanken für die Wahlkampfstrategen der SPD.
Eine Überraschung wäre es daher nicht, wenn plötzlich die Stabilitätskriterien von Maastricht auf der politischen Tagesordnung ins Rutschen gerieten. Wenn es um Wählerstimmen geht, mag ein wenig mehr Neuverschuldung schon möglich sein. Das würde zwar dem Euro schon beim Start die Beine wegschlagen, aber ein schwacher Euro ist doch gut für die deutschen Exporte, so unser Kanzler vor gut einem Jahr.
Die Europäische Zentralbank wäre daher gut beraten, in den kommenden Wochen die Bundesregierung an ihren Taten und weniger an ihren Worten zu messen, wenn es gilt, den Spielraum für Zinssenkungen auszuloten.
So wenig Sinn Konjunkturprogramme auf Pump haben und so schädlich sie auch sein mögen, in Wahlkampfzeiten gelten hin und wieder andere Gesetze als die der wirtschaftlichen Vernunft. Die Börse kann ein Lied davon singen.