Sie stammen aus Afrika, Osteuropa oder China, sind bettelarm und schuften bis zu 16 Stunden täglich - oft ohne Lohn. Mehr als 27 Millionen Menschen leben weltweit noch immer in Sklaverei. Oft sind sie in die Fänge von Menschenhändlern geraten und haben keine Möglichkeit, ihrem grausamen Schicksal zu entfliehen.
Moderne Sklaven tragen keine Ketten, doch sie besitzen keinen Ausweis und werden ausgebeutet
Hamburg - Sebas Zukunft klang rosig: Als kleines Mädchen lebte sie bei ihrer Großmutter im afrikanischen Mali. Eines Tages kam eine reiche afrikanische Familie zu Besuch. Sie schwärmten von ihrem feudalem Leben in Paris und den Möglichkeiten, die Seba dort hätte: Sie könnte eine Schule besuchen und würde eine Ausbildung erhalten.
Doch die Wirklichkeit entpuppte sich als Horrorszenario: Das Mädchen durfte das Haus nur selten verlassen. Sie putzte, kochte und versorgte die Kinder der Familie von sieben Uhr früh bis elf Uhr nachts - ohne Bezahlung. Wie in einer modernen Form des Märchens Aschenputtel musste Seba auf dem harten Fußboden schlafen und bekam nur das zu essen, was die anderen übrig gelassen hatten. Als die Familie sie schließlich auch noch grausam quälte, alarmierten Nachbarn die Polizei. Die Beamten befreiten Seba.
Sudan, Pakistan, Indien
Dieses traurige Schicksal beschreibt der amerikanische Soziologe Kevin Bales in seinem Buch "Die neue Sklaverei". Während seiner Studien erforschte der Autor mehrere Länder und folgerte: Heute gibt es mehr Sklaven als zur Zeit des transatlantischen Sklavenmarktes von Anfang des 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Mehr als 150 Jahre nach Abschaffung von Leibeigenschaft und Menschenhandel ist Sklaverei in keinem Land der Welt mehr erlaubt. Doch weltweit leben noch immer rund 27 Millionen Menschen de facto in Sklaverei, so schätzt die britische Organisation Anti Slavery International (ASI). "Das sind rund doppelt so viele Menschen wie während des 400-jährigen Sklavenhandels aus Afrika entführt wurden", erklärt John Wiley von der Uno-Arbeitsgruppe für Sklaverei.
Rund 20.000 Jungen schuften in Mali als Kindersklaven
Vor allem in Ländern der Dritten Welt wie dem Sudan, Pakistan, Indien aber auch in Brasilien müssen Menschen fast ohne Entgelt für Landbesitzer arbeiten oder die angeblichen Schulden ihrer Eltern oder Großeltern abarbeiten. So berichtet die internationale Arbeitsorganisation (ILO), dass Angehörige der Pygmäen oder der Bantu in Afrika oder der Aymaras und Exnet in Südamerika häufig immer noch Zwangsarbeit auf den Plantagen verrichten müssen.
20.000 Jungen arbeiten in Mali als Zwangsarbeiter
Die Preise für den Kauf eines Sklaven sinken: Waren es im 19. Jahrhundert noch umgerechnet rund 90.000 Euro, die ein Sklavenhalter für einen Leibeigenen berappen musste, sind es heute laut Autor Bales nur noch 19 Euro. Es rechne sich somit nicht einen Zwangarbeiter zu behalten, wenn er krank wird, schließt der Soziologe.
Ein Großteil der Leibeigenen sind Kinder. Zwar tragen Kindersklaven heute keine Ketten mehr. Doch sie besitzen keine Ausweise und werden hemmungslos ausgebeutet. Allein im afrikanischen Mali, so schätzt die Menschenrechtsorganisation Terre de Hommes, werden rund 20.000 Jungen als Zwangsarbeiter festgehalten. Hunderte, wenn nicht gar tausende Kilometer von ihren Eltern entfernt arbeiten sie auf Plantagen, auf denen Exportprodukte wie Kakao, Kaffee, Baumwolle oder Bananen angebaut werden.
Der Traum von der rosigen Zukunft
Glaubt man einer Unicef-Studie, verdingen sich noch viel mehr Kinder als Schuldknechte. Viele der Kindersklaven sind in die Fänge von Menschenhändlern geraten: "Die Kinder werden von skrupellosen Händlern mit Versprechungen angelockt und bei Nacht und Nebel über die Grenze geschafft", resümiert Terre-de-Hommes-Gutachterin Inga Nagel, die seit vielen Jahren in Westafrika lebt. Allein in Benin wird die Zahl auf 140.000 geschätzt. Sie schuften in etwa 65.000 Haushalten. 20 Prozent der "kleinen Helfer" sollen jünger als zehn Jahre alt sein.
Die Jagd nach dem Kindersklavenschiff "MV Etireno" sorgte im April vergangenen Jahres weltweit für Aufsehen
Oft werden sie auch von ihrem bettelarmen Eltern für umgerechnet rund 30 Mark an Händlerringe verschachert. Die Menschenhändler versprechen den Eltern, dass die Kinder als Plantagenarbeiter genug Geld verdienen würden, um sich später eine Ausbildung leisten zu können. Doch sie wissen nicht, was den Kleinen droht: Oftmals unter gefährlichen Bedingungen müssen die Kinder stundelang arbeiten und bekommen nicht ausreichend Essen und Trinken.
So wurden in Benin von 1995 bis 1999 schätzungsweise 3000 Kinder Opfer von Menschenhändlern. Allein im Jahre 1996 wurden in Nigeria rund 4000 Kinder ins In- und Ausland verkauft. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher liegen, denn nach Ansicht der internationalen Arbeitsorganisation ist der Handel mit Menschen in Westafrika "bestens organisiert, lukrativ - und nimmt stark zu".
spiegel.de
Moderne Sklaven tragen keine Ketten, doch sie besitzen keinen Ausweis und werden ausgebeutet
Hamburg - Sebas Zukunft klang rosig: Als kleines Mädchen lebte sie bei ihrer Großmutter im afrikanischen Mali. Eines Tages kam eine reiche afrikanische Familie zu Besuch. Sie schwärmten von ihrem feudalem Leben in Paris und den Möglichkeiten, die Seba dort hätte: Sie könnte eine Schule besuchen und würde eine Ausbildung erhalten.
Doch die Wirklichkeit entpuppte sich als Horrorszenario: Das Mädchen durfte das Haus nur selten verlassen. Sie putzte, kochte und versorgte die Kinder der Familie von sieben Uhr früh bis elf Uhr nachts - ohne Bezahlung. Wie in einer modernen Form des Märchens Aschenputtel musste Seba auf dem harten Fußboden schlafen und bekam nur das zu essen, was die anderen übrig gelassen hatten. Als die Familie sie schließlich auch noch grausam quälte, alarmierten Nachbarn die Polizei. Die Beamten befreiten Seba.
Sudan, Pakistan, Indien
Dieses traurige Schicksal beschreibt der amerikanische Soziologe Kevin Bales in seinem Buch "Die neue Sklaverei". Während seiner Studien erforschte der Autor mehrere Länder und folgerte: Heute gibt es mehr Sklaven als zur Zeit des transatlantischen Sklavenmarktes von Anfang des 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Mehr als 150 Jahre nach Abschaffung von Leibeigenschaft und Menschenhandel ist Sklaverei in keinem Land der Welt mehr erlaubt. Doch weltweit leben noch immer rund 27 Millionen Menschen de facto in Sklaverei, so schätzt die britische Organisation Anti Slavery International (ASI). "Das sind rund doppelt so viele Menschen wie während des 400-jährigen Sklavenhandels aus Afrika entführt wurden", erklärt John Wiley von der Uno-Arbeitsgruppe für Sklaverei.
Rund 20.000 Jungen schuften in Mali als Kindersklaven
Vor allem in Ländern der Dritten Welt wie dem Sudan, Pakistan, Indien aber auch in Brasilien müssen Menschen fast ohne Entgelt für Landbesitzer arbeiten oder die angeblichen Schulden ihrer Eltern oder Großeltern abarbeiten. So berichtet die internationale Arbeitsorganisation (ILO), dass Angehörige der Pygmäen oder der Bantu in Afrika oder der Aymaras und Exnet in Südamerika häufig immer noch Zwangsarbeit auf den Plantagen verrichten müssen.
20.000 Jungen arbeiten in Mali als Zwangsarbeiter
Die Preise für den Kauf eines Sklaven sinken: Waren es im 19. Jahrhundert noch umgerechnet rund 90.000 Euro, die ein Sklavenhalter für einen Leibeigenen berappen musste, sind es heute laut Autor Bales nur noch 19 Euro. Es rechne sich somit nicht einen Zwangarbeiter zu behalten, wenn er krank wird, schließt der Soziologe.
Ein Großteil der Leibeigenen sind Kinder. Zwar tragen Kindersklaven heute keine Ketten mehr. Doch sie besitzen keine Ausweise und werden hemmungslos ausgebeutet. Allein im afrikanischen Mali, so schätzt die Menschenrechtsorganisation Terre de Hommes, werden rund 20.000 Jungen als Zwangsarbeiter festgehalten. Hunderte, wenn nicht gar tausende Kilometer von ihren Eltern entfernt arbeiten sie auf Plantagen, auf denen Exportprodukte wie Kakao, Kaffee, Baumwolle oder Bananen angebaut werden.
Der Traum von der rosigen Zukunft
Glaubt man einer Unicef-Studie, verdingen sich noch viel mehr Kinder als Schuldknechte. Viele der Kindersklaven sind in die Fänge von Menschenhändlern geraten: "Die Kinder werden von skrupellosen Händlern mit Versprechungen angelockt und bei Nacht und Nebel über die Grenze geschafft", resümiert Terre-de-Hommes-Gutachterin Inga Nagel, die seit vielen Jahren in Westafrika lebt. Allein in Benin wird die Zahl auf 140.000 geschätzt. Sie schuften in etwa 65.000 Haushalten. 20 Prozent der "kleinen Helfer" sollen jünger als zehn Jahre alt sein.
Die Jagd nach dem Kindersklavenschiff "MV Etireno" sorgte im April vergangenen Jahres weltweit für Aufsehen
Oft werden sie auch von ihrem bettelarmen Eltern für umgerechnet rund 30 Mark an Händlerringe verschachert. Die Menschenhändler versprechen den Eltern, dass die Kinder als Plantagenarbeiter genug Geld verdienen würden, um sich später eine Ausbildung leisten zu können. Doch sie wissen nicht, was den Kleinen droht: Oftmals unter gefährlichen Bedingungen müssen die Kinder stundelang arbeiten und bekommen nicht ausreichend Essen und Trinken.
So wurden in Benin von 1995 bis 1999 schätzungsweise 3000 Kinder Opfer von Menschenhändlern. Allein im Jahre 1996 wurden in Nigeria rund 4000 Kinder ins In- und Ausland verkauft. Die Dunkelziffer dürfte noch viel höher liegen, denn nach Ansicht der internationalen Arbeitsorganisation ist der Handel mit Menschen in Westafrika "bestens organisiert, lukrativ - und nimmt stark zu".
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