In- und Ausländer streiten über Steuerkompromiss
Deutsche Experten sind enttäuscht - Angelsachsen loben dagegen Reformfähigkeit - Konsumwerte und Staatstitel gelten als Verlierer
von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz
Berlin - Reform oder Reförmchen? Darüber streiten nicht nur Politiker, sondern auch Investoren. Bei beiden lässt sich eine klare Trennlinie ausmachen: In der Politik verläuft sie zwischen Regierung und Opposition, in der Finanzwelt zwischen Ausländern und Inländern.
Während die Experten hier zu Lande über die Verwässerung der Steuerreform klagen und das Ergebnis als "enttäuschend" (Dresdner Kleinwort Wasserstein, Frankfurt) brandmarken, äußern sich ausländische Beobachter weitaus positiver. "Das Wichtigste war, dass sich Deutschland überhaupt bewegt und ein Kompromiss zu Stande gekommen ist", sagt Kevin Grice, Stratege bei der American Express Bank, der jetzt optimistischer für deutsche Aktien ist. Die Londoner Citigroup-Strategen ergänzen: ",We got it" - Deutschland redet nicht nur über Reformen, sondern tut's auch."
Maßgeblich für die jetzige Einschätzung ist die Ausgangserwartung. "Im Inland haben die meisten mit der vollen Steuerentlastung von 15,6 Mrd. Euro gerechnet. Für Ausländer, die Stillstand erwartet haben, ist die jetzige Lösung schon beachtlich", sagt Holger Schmieding bei der Bank of America in London. "Von allen großen EU-Ländern hat Deutschland jetzt die meisten Fortschritte bei Strukturreformen gemacht." Auch er empfiehlt, deutsche Aktien überzugewichten.
Neben der unterschiedlichen Erwartungshaltung ist der ökonomische Blickwinkel ein weiterer Grund für die geteilte Beurteilung. So sehen die Inländer, dass die erhoffte Konsumbelebung wegen der geringeren Steuerentlastung zum großen Teil ausfällt. "Vorher dachte ich, der Effekt der Steuerreform werde 0,2 Prozentpunkte mehr Wachstum im Jahr 2004 bringen, jetzt ist der Effekt jedoch gleich null", sagt Hendrik Garz von der WestLB. Die Experten der Hypo-Vereinsbank (HVB) sehen "schlechte Nachrichten für Konsumenten". Mit dem Kompromiss bleibe die Inlandsnachfrage die Achillesferse der deutschen Volkswirtschaft. Die HVB-Ökonomen rechnen für 2004 lediglich mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent.
Im Schnitt gehen sämtliche Konjunkturfachleute jedoch von Zuwachsraten um zwei Prozent aus. Auf der Seite der Optimisten finden sich überraschenderweise die Angelsachsen. Zwar sehen sie keine große Belebung des Binnenkonsums, glauben jedoch, dass die jetzigen Reformschritte die Unternehmen zu mehr Investitionen ermuntern. Außerdem müssen die Arbeitslosen wegen der Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen verstärkt Jobs annehmen. "Damit steigt langfristig die Produktivität", sagt Schmieding. "Deutschland schwenkt auf einen höheren Wachstumspfad ein." Allein im kommenden Jahr erwartet er durch die Strukturreformen ein zusätzliches Wachstum von 0,2 Prozentpunkten.
Doch selbst für Optimisten sind die Konsumwerte klare Verlierer. Sämtliche Hoffnungen, die zehnjährige Malaise zu beenden, scheinen zerstoben. Am stärksten negativ betroffen sind Karstadt-Quelle, die 90 Prozent ihres Umsatzes in Deutschland erwirtschaften. Aber auch Douglas mit einem Inlandsanteil von 74 Prozent und Hornbach mit 73 Prozent werden bluten müssen. Etwas besser sieht es bei Metro aus, die lediglich zu 53 Prozent am Inlandskonsum hängen. H&M und Hugo Boss setzen rund ein Drittel hier zu Lande um. Nach Berechnungen von Dresdner Kleinwort zieht allein die Gesundheitsreform den Bürgern sechs Mrd. Euro aus der Tasche. Zusammen mit der Kürzung von Steuervergünstigungen wie der Pendlerpauschale bliebe sogar weniger im Portemonnaie.
Leid Tragende des Steuerkompromisses sind auch Telekom, Post und Fraport. Denn die Bundesregierung will zur Gegenfinanzierung den Markt mit weiteren Aktienpaketen der Ex-Staatsunternehmen fluten. Für den Gesamtmarkt können sich die Anleger aber Hoffnungen machen. Denn sollten sich die Ausländer mit ihrer positiveren Sicht durchsetzen, könnte der Dax einen Teil des Bewertungsrückstands abbauen. Schließlich hat der Dax seit Schröders Vorstellung der Agenda 2010 bereits Boden gutgemacht.
Welt.de
Deutsche Experten sind enttäuscht - Angelsachsen loben dagegen Reformfähigkeit - Konsumwerte und Staatstitel gelten als Verlierer
von Daniel Eckert und Holger Zschäpitz
Berlin - Reform oder Reförmchen? Darüber streiten nicht nur Politiker, sondern auch Investoren. Bei beiden lässt sich eine klare Trennlinie ausmachen: In der Politik verläuft sie zwischen Regierung und Opposition, in der Finanzwelt zwischen Ausländern und Inländern.
Während die Experten hier zu Lande über die Verwässerung der Steuerreform klagen und das Ergebnis als "enttäuschend" (Dresdner Kleinwort Wasserstein, Frankfurt) brandmarken, äußern sich ausländische Beobachter weitaus positiver. "Das Wichtigste war, dass sich Deutschland überhaupt bewegt und ein Kompromiss zu Stande gekommen ist", sagt Kevin Grice, Stratege bei der American Express Bank, der jetzt optimistischer für deutsche Aktien ist. Die Londoner Citigroup-Strategen ergänzen: ",We got it" - Deutschland redet nicht nur über Reformen, sondern tut's auch."
Maßgeblich für die jetzige Einschätzung ist die Ausgangserwartung. "Im Inland haben die meisten mit der vollen Steuerentlastung von 15,6 Mrd. Euro gerechnet. Für Ausländer, die Stillstand erwartet haben, ist die jetzige Lösung schon beachtlich", sagt Holger Schmieding bei der Bank of America in London. "Von allen großen EU-Ländern hat Deutschland jetzt die meisten Fortschritte bei Strukturreformen gemacht." Auch er empfiehlt, deutsche Aktien überzugewichten.
Neben der unterschiedlichen Erwartungshaltung ist der ökonomische Blickwinkel ein weiterer Grund für die geteilte Beurteilung. So sehen die Inländer, dass die erhoffte Konsumbelebung wegen der geringeren Steuerentlastung zum großen Teil ausfällt. "Vorher dachte ich, der Effekt der Steuerreform werde 0,2 Prozentpunkte mehr Wachstum im Jahr 2004 bringen, jetzt ist der Effekt jedoch gleich null", sagt Hendrik Garz von der WestLB. Die Experten der Hypo-Vereinsbank (HVB) sehen "schlechte Nachrichten für Konsumenten". Mit dem Kompromiss bleibe die Inlandsnachfrage die Achillesferse der deutschen Volkswirtschaft. Die HVB-Ökonomen rechnen für 2004 lediglich mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent.
Im Schnitt gehen sämtliche Konjunkturfachleute jedoch von Zuwachsraten um zwei Prozent aus. Auf der Seite der Optimisten finden sich überraschenderweise die Angelsachsen. Zwar sehen sie keine große Belebung des Binnenkonsums, glauben jedoch, dass die jetzigen Reformschritte die Unternehmen zu mehr Investitionen ermuntern. Außerdem müssen die Arbeitslosen wegen der Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen verstärkt Jobs annehmen. "Damit steigt langfristig die Produktivität", sagt Schmieding. "Deutschland schwenkt auf einen höheren Wachstumspfad ein." Allein im kommenden Jahr erwartet er durch die Strukturreformen ein zusätzliches Wachstum von 0,2 Prozentpunkten.
Doch selbst für Optimisten sind die Konsumwerte klare Verlierer. Sämtliche Hoffnungen, die zehnjährige Malaise zu beenden, scheinen zerstoben. Am stärksten negativ betroffen sind Karstadt-Quelle, die 90 Prozent ihres Umsatzes in Deutschland erwirtschaften. Aber auch Douglas mit einem Inlandsanteil von 74 Prozent und Hornbach mit 73 Prozent werden bluten müssen. Etwas besser sieht es bei Metro aus, die lediglich zu 53 Prozent am Inlandskonsum hängen. H&M und Hugo Boss setzen rund ein Drittel hier zu Lande um. Nach Berechnungen von Dresdner Kleinwort zieht allein die Gesundheitsreform den Bürgern sechs Mrd. Euro aus der Tasche. Zusammen mit der Kürzung von Steuervergünstigungen wie der Pendlerpauschale bliebe sogar weniger im Portemonnaie.
Leid Tragende des Steuerkompromisses sind auch Telekom, Post und Fraport. Denn die Bundesregierung will zur Gegenfinanzierung den Markt mit weiteren Aktienpaketen der Ex-Staatsunternehmen fluten. Für den Gesamtmarkt können sich die Anleger aber Hoffnungen machen. Denn sollten sich die Ausländer mit ihrer positiveren Sicht durchsetzen, könnte der Dax einen Teil des Bewertungsrückstands abbauen. Schließlich hat der Dax seit Schröders Vorstellung der Agenda 2010 bereits Boden gutgemacht.
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