Aktienexperten, Ratgeber und Lehrbücher predigen seit Jahrzehnten, dass Anleger ihre Risiken streuen, also "diversifizieren" sollen. Was dahinter steckt, lesen Sie im Beitrag "Nicht alle Eier in einen Korb!". Doch bei den deutschen Privatanlegern ist die Botschaft offenbar nicht angekommen. Sie kaufen, was ihnen vertraut und in den Medien präsent ist, denn das erscheint ihnen sicherer: Ein teures Missverständnis.
Laut einer aktuellen Untersuchung des Instituts tetralog systems anhand von 18.500 Kleinanlegerdepots missachten deutsche Privatinvestoren sowohl das regionale als auch das Branchenrisiko systematisch. Ins Auge sticht vor allem die Vorliebe für einheimische Aktien. Unter den 10 am weitesten verbreiteten Papieren haben nicht weniger als 8 ihren Hauptsitz in Deutschland. Und das, obwohl deutsche Aktien weltweit nur in der zweiten Liga spielen.
Schlecht beraten ist halb verloren
Die Schuld kann man dabei nicht nur den Privatanlegern selbst anlasten. Auch die Bankberater tragen wesentlich dazu bei. Dr. Andreas Beck von tetralog systems erläutert: "Die
Anlageberatung bei Banken beschränkt sich in der Regel auf die Empfehlung einzelner Wertpapiere ohne konkreten Bezug zum Kunden. Das Ergebnis sind häufig unstrukturierte, sehr spekulative Depots, die für einen langfristigen Vermögensaufbau kaum geeignet sind. Bei einer guten Beratung dagegen analysiert der Berater das Depot des Kunden und empfiehlt dann ein aussichtsreiches Wertpapier, das die Struktur des Depots verbessert."
Schaut man sich die Branchenverteilung an, hat die TMT-Branche (Technologie, Medien, Telekommunikation) ein großes Übergewicht. Sie stellt allein sechs der 10 Top-Werte. Der High-Tech-Wahn der späten Neunziger lässt grüßen.
Tabelle: Die Top 10 in deutschen Depots (Quelle: tetralog)
T-Aktie: Populärer Tiefflieger
Folgerichtig steht ein Wert an der Spitze, der beide Vorlieben vereint: die Deutsche Telekom. Sie findet sich in fast 35 Prozent aller Depots, die massive Werbung und der hohe Bekanntheitsgrad der Marke haben hier Wirkung gezeigt. Wenn man sich den Kursverlauf der Telekom seit der Emission 1996 anschaut, wird klar, dass die allermeisten Anleger hier teils gigantische Buchverluste eingefahren haben - ein wichtiger Grund für den anhaltenden Börsenfrust.
Knapp dahinter folgt die Aktie von DaimlerChrysler. Auch hier scheint das Image des wichtigsten Produkts auf die Aktie abzustrahlen. Der desaströse Kursverlauf hat die Investoren nicht abschrecken können: Die Daimler-Aktie bewegt sich heute in denselben Kursregionen wie schon vor 10 Jahren und hat seit der Fusion mit Chrysler nur noch verloren.
Lukrative Ausländer
Die zwei einzigen Auslandsaktien in den Top 10 zeigen, dass zumindest langfristig der Blick über den deutschen Tellerrand lohnt. Die 5-Jahres-Bilanz weist sowohl für Nokia als auch für Cisco Systems eine Verdopplung aus. Wer jedoch noch keine fünf Jahre dabei ist, kann sich dafür buchstäblich nichts kaufen. Beide Aktien hatten unter dem Einbruch der Technologieaktien seit dem Jahr 2000 besonders zu leiden.
Nokia und Cisco stehen damit stellvertretend für eine weitere psychologische Falle, die in den Depots verheerenden Schaden anrichtet: Anleger lassen sich von vergangenen Kursentwicklungen blenden, kaufen Aktien damit tendenziell zu teuer und hoffen bei späteren Verlusten zu lange auf eine Erholung. Statt dessen sollte die Vergangenheit bei einer langfristigen Anlageentscheidung weitgehend ausgeblendet werden – was zählt, ist die Zukunft und nur die Zukunft.
Depotcheck muss sein
Das gilt selbstredend auch für Aktien, die man bereits besitzt - und damit in besonderem Maße für die "Top 10" in deutschen Depots (siehe Chartserie). Doch wie schätzt man die Zukunft eines Unternehmens ein? Am wichtigsten ist, sich von den tagesaktuellen Meldungen zu lösen und eine längerfristige Perspektive einzunehmen. Es gilt, Fakten und Meinungen über Märkte, Wettbewerber und Fähigkeiten des Unternehmens zu sammeln und daraus Schlüsse zu ziehen. Am Ende kann das auch zu der Entscheidung führen, die Aktie abzustoßen und gegen eine andere auszutauschen, die durch geschickte Auswahl das Gesamtrisiko des Depots verringern und die Chancen vergrößern sollte.
Für diese Anlageentscheidungen ist letztlich jeder Investor selbst verantwortlich. Mehr oder weniger vertrauenswürdige "Experten", "Analysten" oder gar "Börsengurus" sollte man kennen und sich mit ihren Äußerungen auseinandersetzen, ihnen aber niemals blind folgen. Boerse.ARD.de möchte dabei Hilfestellung geben: In loser Folge widmen wir uns jeder einzelnen Top-10-Aktie und analysieren Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Den Auftakt macht am Dienstag die Deutsche Telekom.
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